BörsenWoche 402: Analyse „Die UBS ist jetzt quasi eine staatliche Bank“

Schnell noch ein Andenken knipsen: Seit der Notfusion mit der UBS am 19. März ist die Credit Suisse als eigenständige Großbank Geschichte. Quelle: dpa

Bankenexpertin Susanne Homölle erklärt im Interview, wie es zur Krise im Finanzsektor kam, wieso die Großfusion zwischen UBS und Credit Suisse problematisch ist und ob die bisherigen Rettungsmaßnahmen ausreichen.

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WirtschaftsWoche: Frau Homölle, mehrere amerikanische Regionalbanken sind pleite. In Europa ist mit der Credit Suisse (CS) eine systemrelevante Großbank binnen Tagen umgekippt. Hätten Sie das nach der Finanzkrise 2008 für möglich gehalten?
Susanne Homölle: Ja. Banken sind wirtschaftlich handelnde Unternehmen. Und Unternehmen können Fehlentscheidungen treffen und in Schwierigkeiten geraten. Dass wir eine Bankenkrise mit ganz speziellen Ursachen erlebt haben, führt nicht dazu, dass wir nicht andere Bankenkrisen mit anderen Ursachen erleben werden oder eben erlebt haben.

Die Krise begann in den USA mit den Turbulenzen rund um die Silicon Valley Bank (SVB). Was war das Problem?
Bei den Banken, die in den USA in der Krise sind, handelt es sich um sehr spezielle Banken, die deutlich weniger reguliert werden als die großen internationalen Banken. Und sie haben sehr spezielle Geschäftsmodelle. Die SVB hat Gelder, die Start-ups von Investoren bekommen haben, als Einlagen eingesammelt und langfristig und eigentlich sehr sicher angelegt: in Staatsanleihen. Die sind aber nur vermeintlich sicher. Denn Staatsanleihen sind zwar relativ ausfallsicher, aber nicht sicher vor Zinsrisiken. Weil die Zinsen gestiegen sind, ist der Wert der Anleihen gesunken.

So weit, so gut.
Das war zunächst auch kein Problem. Solange ich die Anleihen bis zum Ende halten will, bekomme ich 100 Prozent zurück. Doch durch den Zinsanstieg hatten die Start-ups Probleme, anderweitig Kapital zu bekommen.

Quelle: Universität Rostock

Zur Person

Also mussten sie an ihre Guthaben ran.
Genau. Sie mussten Einlagen abziehen, sodass die Bank gezwungen war, diese Staatsanleihen in ihren Büchern, die im Wert gefallen waren, zu verkaufen und die bis dato reinen Buchverluste zu realisieren. Wenn ich da nicht mehr hinreichend viel Eigenkapital habe, kann ich diese Verluste nicht mehr tragen.

Nach dem Fall der SVB traf es mit der CS eine systemrelevante Großbank, die solche Probleme gar nicht hatte. Gab es dennoch einen Zusammenhang?
Einen Zusammenhang gab es vielleicht dadurch, dass es wegen der SVB Unsicherheit im Markt gab und er sensibler reagierte auf negative Nachrichten. Aber die CS ist ein anderer Fall. Hier haben wir eine Bank, die schon jahrelanges Missmanagement betrieben hat. Es gab Fehler im Risikomanagement, Compliance-Fehler und letztlich auch strategische Fehler. Man hat wohl sehr lange am Investmentbanking festgehalten, wo man sehr riskante Geschäfte mit teils hohen Verlusten gemacht hat.

UBS – das ist der neue Bankenriese aus der Schweiz

Notenbanken und Regierungen haben schnell reagiert: Die CS wurde mit der UBS zwangsfusioniert, bei den US-Banken garantierte die Regierung die Einlagen. Waren diese Reaktionen richtig?
Was wirklich wichtig war und was man auch aus der Finanzkrise 2008 gelernt hat, ist: Dass es wichtig ist, schnell einzugreifen. Das hat man getan. Dass es notwendig ist, sieht man jetzt auch in den USA. Die First Republic Bank ist die nächste Regionalbank, die auf der Kippe steht. Da setzt man wirklich alles daran, das Vertrauen wiederherzustellen: Indem man etwa die Wetten gegen diese Bank begrenzt, um den Einlagenabzug zu verhindern. Das kann letztlich nur die Politik mit ihrer Macht und Kraft.

Die CS/UBS-Fusion hat aber das Problem „too big to fail“ noch vergrößert: Aus zwei großen wird eine sehr große Bank.
Das sehe ich tatsächlich kritisch. Dahinter stehen, glaube ich, zwei Probleme: Wir haben in der Schweiz eine nationale Bankenaufsicht. Die Schweiz hat ein sehr großes Interesse daran, ihre Banken zu retten. Also gehe ich davon aus, dass sie in Zukunft alles tun wird, um die UBS immer zu sichern. Die UBS ist quasi eine staatliche Bank – im Sinne einer staatlichen Garantie dahinter. Das Zweite, was ich erschreckend finde, ist: Es gibt eigentlich für alle großen Banken Sanierungs- und Entwicklungspläne. Auch die Schweizer Bankenaufsicht hat so eine Strategie. Ich frage mich: Warum wurde die nicht umgesetzt? Das ist eine Frage, die jetzt noch deutlich mehr diskutiert werden muss.

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Ist es überhaupt möglich, Krisen, wie wir sie zuletzt erlebt haben, zu verhindern?
Nein. Weil wir nicht alles vorhersehen können. Man kann nicht alles ex ante, also im Vorhinein, regulieren. Die Regulierung ist in den letzten Jahren extrem angewachsen. Man hat viele sinnvolle Maßnahmen ergriffen. Aber Banken sind wirtschaftlich handelnde Unternehmen, die machen Fehler. Auch die Regulierer machen Fehler. Daher glaube ich, dass es immer wieder dazu kommen kann, dass eine Bank in Schieflage gerät.

Dieses Interview ist eine Zusammenfassung des Gesprächs mit Susanne Homölle für den BörsenWoche-Podcast. Die gesamte Episode können Sie hier anhören.

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