Quelle: Pro Imago Life

Börsenwoche 407: Editorial Meme-Aktien: Tote Katzen hüpfen nur einmal

Mit der Pleite von Bed, Bath & Beyond könnte die Ära der Meme-Aktien enden. Welche Papiere besonders dramatisch abstürzten und warum Insolvenz-Aktien häufig noch einen letzten Kursanstieg hinlegen. Ein Kommentar.

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Es war eine der kuriosesten Kursentwicklungen, die ich bisher an der Börse beobachten durfte: als sich der Aktienkurs des US-Spielehändlers Gamestop vor rund zwei Jahren innerhalb weniger Tage verdreißigfachte. Dahinter steckte eine Kollektivwette von Kleinanlegern, die sich über eine Onlineplattform verabredet hatten. Gamestop war ihr erster großer Coup, aber nicht ihr letzter.

Seitdem haben die „Retail Bros“, wie sich die Kleinanlegerbewegung nennt, immer wieder waghalsige Spekulationsattacken vorgenommen. Dabei handeln sie stets nach demselben Muster: Sie suchen Aktien mit hoher Leerverkaufsquote und niedrigem Marktwert und steigen dann gemeinsam ein.

Das Kalkül dahinter? Leerverkäufe sind Wetten auf fallende Kurse. Shortseller leihen sich dafür einen Basiswert, etwa die Gamestop-Aktie, gegen eine Gebühr und verkaufen sie sofort an der Börse, um sie später günstiger zurückzukaufen. Geht die Wette auf, ist die Differenz zwischen An- und Verkaufspreis ihr Profit. Steigen die Kurse hingehen, müssen Shortseller ihre Positionen auflösen – und dafür die geliehenen Aktien zurückkaufen. Durch den in solchen Fällen entstehenden Nachfrageüberhang sind kurzzeitig extreme Kurssteigerungen möglich. Von genau diesen wollen die „Retail Bros“ profitieren.

Unter dem Strich dürften die meisten von ihnen mit diesen Aktionen aber in den vergangenen Jahren Verluste gemacht haben. Denn der Kursanstieg ist nur ein Strohfeuer, das Handelsvolumen der betroffenen Aktien meist niedrig. Und die Titel längerfristig zu halten ist in der Regel keine gute Idee. Die hohen Leerverkaufsquoten haben schließlich Gründe. Schlimmstenfalls droht Kleinanlegern der Totalverlust. So wie im Fall von Bed, Bath and Beyond (BBBY).

Das kurzzeitig gehypte Unternehmen meldete vergangene Woche Insolvenz an. Seit Jahresbeginn ist die Aktie von 2,40 Euro auf 11 Cent gefallen, ein Wertverlust von 95 Prozent. Auf dem Höhepunkt des Hypes kostete die Aktie sogar mehr als 30 Euro. In der Handelswoche nach der Insolvenz stieg das Papier in der Spitze zwar noch einmal um knapp 50 Prozent. Dieser Kursanstieg rührte aber größtenteils von der Abwicklung der Shortpositionen her.



An der Börse gibt es ein vielsagendes Sprichwort, das dieses Phänomen beschreibt: Tote Katzen hüpfen nur einmal. Der „Dead Cat Bounce“ lässt sich bei vielen Pleite-Aktien gut im Chart erkennen, etwa bei Wirecard, Vapiano oder Praktiker (siehe Grafik oben). So auch bei Windeln.de: Wer 2015 Aktien gekauft hat, dürfte nur mit wenigen Titeln schlechter gefahren sein als mit dem des Versandhändlers. Der Schlusskurs am Tag des Börsengangs lag bei 700 Euro. Danach setzten die Papiere zu einem langen Sinkflug an. Rund sechs Jahre später entdeckten die Retail-Bros die zu hohen Teilen leerverkaufte Aktie für sich und jubelten sie binnen weniger Handelstage von 1,39 Euro auf 11,85 Euro hoch.

Der Höhenflug hielt indes nur wenige Tage. Inzwischen tendiert der Preis immer weiter gen null, im langfristigen Chart ist der Kurssprung nicht mehr erkennbar . Anfang dieses Jahres wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Mangels Investor wird das Unternehmen abgewickelt, die Aktie steht bei vier Cent.

Kursverlauf windeln.de

Natürlich müssen die Unternehmen hinter Meme-Aktien nicht zwangsläufig pleitegehen. Die Aktie von AMC etwa liegt seit Jahresbeginn rund 40 Prozent im Plus. Zuletzt trieben Gerüchte, Amazon könnte den US-Kinobetreiber übernehmen, den Kurs. Ich habe daran angesichts der desolaten Verfassung von AMC allerdings Zweifel – und halte mich von solchen Spekulationen grundsätzlich fern. Denn Meme-Aktien mögen vieles sein, aber mit seriöser Geldanlage haben sie nichts zu tun.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Woche an der Börse!

Ihr Lukas Schmitt

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