Equal Pay Day Diese sechs Grafiken erklären die Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern

Quelle: Getty Images

Frauen verdienen weniger als Männer. Nur: In welcher Hinsicht unterscheidet sich ihr Gehalt genau? Und woran liegt das?

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Gender Pay Gap, Gender Hours Gap, Gender Employment Gap. Wer die Analysen zum Equal Pay Day verstehen möchte, sollte ein bisschen Englisch können. Grundkenntnisse in Ökonomik schaden auch nicht. Denn oft genug werden die Begriffe und Zahlen ohne weitere Erklärung und Einordnung verwendet – und nicht selten durcheinandergebracht.

Der gebräuchlichste Begriff, Gender Pay Gap, bezeichnet in der Regel die Diskrepanz im Stundenlohn zwischen Männern und Frauen. Die zentrale Erkenntnis: Noch immer verdienen Frauen in Deutschland pro Arbeitsstunde deutlich weniger als Männer. Im Schnitt lag ihr Stundenlohn nach Angaben des Statistischen Bundesamts im vergangenen Jahr bei 20,84 Euro brutto. Männliche Beschäftigte verdienten in der gleichen Zeit 25,30 Euro, ein Unterschied von 18 Prozent. Zwar hat sich die Lohnlücke innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte schon deutlich geschlossen – 2006 verdienten Frauen pro Stunde noch 23 Prozent weniger als Männer. Doch seit 2020 stagniert der Gender Pay Gap wieder.

Dabei ist der durchschnittliche Unterschied in den Stundenlöhnen im Westen deutlich größer als im Osten, jedenfalls auf den ersten Blick. Während er im Westen bei 19 Prozent liegt, verdienen Frauen im Osten pro Stunde nur sieben Prozent weniger.



Der Unterschied im Gesamtverdienst zwischen Männern und Frauen ist allerdings wesentlich größer. Das liegt erstens daran, dass Frauen häufiger gar nicht arbeiten – ihre Erwerbstätigenquote liegt bei 73 Prozent, im Vergleich zu 80,5 Prozent bei Männern. Dieser prozentuale Unterschied wird als Gender Employment Gap bezeichnet.

Zweitens sind Frauen öfter teilzeitbeschäftigt, denn nach wie vor bringen sie mehr Zeit für Familie und Haushalt auf. Durchschnittlich kommen sie auf 121 bezahlte Arbeitsstunden pro Monat, Männer auf 148. Der sogenannte Gender Hours Gap liegt somit bei 18 Prozent. Auch in dieser Hinsicht nehmen die Unterschiede tendenziell ab. Die Lücke im Gesamtverdienst ist deshalb von 45 Prozent im Jahr 2014 auf 39 Prozent im vergangenen Jahr gesunken.   

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Zudem zeigt eine aktuelle Erhebung des ifo-Instituts, dass Frauen auch bei Boni schlechter abschneiden: In Deutschland erhalten sie durchschnittlich gut sechs Prozent weniger an Bonuszahlungen.



Dass die Familie eine wesentliche Erklärung für den Gender Pay Gap ist, zeigt auch die Entwicklung der Lohnlücke in den unterschiedlichen Altersgruppen. Unter jungen Beschäftigten ist der Geschlechterunterschied noch recht gering: 25-jährige Frauen verdienen nicht einmal fünf Prozent weniger als gleichaltrige Männer. Erst ab 30 geht die Schere auseinander. Das ist in Deutschland das Durchschnittsalter von Müttern bei der Geburt des ersten Kindes.

Danach fallen die Lohnsteigerungen von Frauen eher mau aus. Während Männer mit Mitte 50 wesentlich mehr verdienen als ihre jüngeren Kollegen, sind die Gehaltsunterschiede zwischen älteren und jüngeren Arbeitnehmerinnen marginal. Das Resultat: Im Alter von 40 Jahren verdienen Frauen im Schnitt gut 16 Prozent weniger als Männer, bei 60-jährigen Beschäftigten liegt der Gender Pay Gap sogar bei 27 Prozent.



Die Unterschiede in der durchschnittlichen Arbeitszeit und in der Erwerbsbeteiligung wirkt sich nicht nur auf den Gesamtverdienst, sondern auch auf die Stundenlöhne aus: Wer länger aussetzt oder in Teilzeit arbeitet, steigt langsamer auf. Zudem arbeiten Frauen häufiger in Berufen und Branchen mit niedrigen Löhnen. Der sogenannte bereinigte Gender Pay Gap berücksichtigt diese Unterschiede. Die verbleibende Lücke im Stundenlohn zwischen vergleichbaren männlichen und weiblichen Beschäftigten beträgt noch sechs Prozent.

Der bereinigte Gender Pay Gap ist im Osten sogar etwas größer als im Westen. Während es in den neuen Bundesländern keinen nennenswerten Unterschied zwischen der bereinigten und der unbereinigten Lohnlücke gibt, sind die ungleichen Stundenlöhne in Westdeutschland vor allem auf Faktoren wie Arbeitszeit, Beruf, Branche, Qualifikation und Erfahrung zurückzuführen. 



Erstaunlicherweise gibt es Lohnlücken selbst in Berufen, in denen das Einkommen durch Algorithmen bestimmt wird – denen das Geschlecht ziemlich egal ist: Eine große Untersuchung unter amerikanischen Uber-Fahrern kam vor einigen Jahren zu dem Ergebnis, dass weibliche Fahrer pro Stunde rund sieben Prozent weniger verdienen als Männer. Die Autoren zeigen, dass dieser Unterschied ausschließlich auf drei Faktoren zurückzuführen ist: Männliche Fahrer verfügten durchschnittlich über mehr Erfahrung, arbeiteten in lukrativeren, teilweise unsicheren Gegenden – und fuhren schneller.

Auch wenn ein Teil der Gehaltsunterschiede erklärbar sein mag: Weltweit fühlt sich mehr als die Hälfte der Frauen nicht ausreichend entlohnt. Das zeigt eine Studie der Jobplattform Indeed, für die insgesamt knapp 15.000 Frauen aus elf Ländern befragt wurden. In Deutschland halten demnach knapp 60 Prozent der Frauen ihr Gehalt für unangemessen. Dennoch hat fast die Hälfte von ihnen noch nie nach einer Gehaltserhöhung gefragt. Als Grund für ihre Zurückhaltung nannten die Befragten am häufigsten mangelndes Selbstvertrauen.



Die Indeed-Studie zeigt auch: Jede zweite Frau in Deutschland glaubt, dass Männer immer noch die besseren Karrierechancen haben. Für sie sind Kinderbetreuung und die Pflege von Eltern oder Angehörigen demnach das Karrierehemmnis Nummer eins. Mit den Regelungen zur Elternzeit scheinen die meisten Frauen in Deutschland dagegen zufrieden zu sein. Nur 27 Prozent nennen sie als Ursache für die empfundene Chancenungleichheit.



Ist für Frauen Karriere überhaupt so wichtig wie für Männer? Mit dieser Frage beschäftigt sich Oliver Stettes. Der Arbeitsmarktforscher am Kölner Institut der deutschen Wirtschaft hat vor kurzem Daten zur Karriereorientierung von Beschäftigten erhoben. Eine Erkenntnis aus der noch unveröffentlichten Studie: Frauen ohne Führungsposition sind ebenso ehrgeizig wie ihre männlichen Kollegen auf derselben Ebene. Unter den Führungskräften ist die Karriereorientierung von Männern dagegen stärker ausgeprägt.

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Frauen ist es also typischerweise weniger wichtig, immer weitere Karrierestufen zu erklimmen. „In der unteren Führungsebene sehen wir kaum eine Lücke zwischen den Geschlechtern“, sagt Ökonom Stettes. „Der Unterschied ergibt sich erst in den höheren Karrierestufen, vor allem in großen Unternehmen mit vielen Hierarchieebenen.“ Im Normalfall gelte weiterhin: Wer nach oben kommen will, muss Zeit investieren – die dann an anderer Stelle fehlt. „Die Daten zeigen: In dieser Abwägung entscheiden sich Frauen und Männer am Ende häufig anders.“

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