Psychische Erkrankungen sind keine Seltenheit und ihre Unterschätzung kann volkswirtschaftlich schwer kalkulierbare Folgen haben. In Deutschland leidet laut einer Studie im Auftrag der AXA-Versicherung fast ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung daran. Die Ausprägungen sind vielfältig: Depressionen, Phobien, Substanzmissbrauch, Essstörungen, Zwänge oder Schizophrenie sind nur einige der Krankheitsbilder.
„Insgesamt ist der psychische Gesundheitszustand in unserer Bevölkerung besorgniserregend. Auf drei Menschen, die das Gefühl haben, dass es ihnen gut geht oder sie im Leben zurechtkommen, kommen zwei, die kämpfen oder sich quälen“, berichtet Patrick Cohen, Geschäftsführer der Gesundheitssparte von AXA in Europa.
Bereits zum vierten Mal legt der Versicherer seinen Gesundheitsreport vor, für den das Meinungsforschungsinstitut Ipsos zwischen Mitte November und Mitte Dezember in 16 Ländern Mitteleuropas, Nordamerikas und Ostasiens jeweils 1000 Menschen im Alter von 18 bis 75 Jahren zur psychischen Gesundheit der Bevölkerung befragt hat.
Die Analyse der Ergebnisse hierzulande zeigt, dass keine Gruppe verschont bleibt: Ob Berufstätige, Studierende, Arbeitslose oder Rentner, die Quote schwankt durchweg zwischen 26 und 46 Prozent. Weniger überraschend ist, dass fast die Hälfte der Langzeitarbeitslosen und Langzeiterkrankten mit ihrer Psyche zu kämpfen hat; nachdenklich stimmen dürfte die Verantwortlichen hingegen in Schulen und Universitäten eine Quote von 42 Prozent bei den befragten Schülern und Studenten.
Ähnliche Ergebnisse zeigen sich auch in anderen Ländern, weshalb die Studie explizit darauf hinweist, dass sich die Situation für junge Erwachsene seit der Pandemie kontinuierlich verschlechtert hat. In diesem Zusammenhang wird darauf aufmerksam gemacht, dass neben der Pandemie auch die Krise der Lebenshaltungskosten, die Arbeitsplatzunsicherheit und der Klimawandel ihre Spuren hinterlassen haben.
Bei den Erwerbstätigen in Deutschland fällt auf, dass die Zahl der psychischen Erkrankungen in der Gruppe der Teilzeitbeschäftigten mit 39 Prozent höher ist als bei den Vollzeitbeschäftigten – hier sind es nur 26 Prozent. Offen bleibt, ob die naheliegende Vermutung zutrifft, dass die meisten der befragten Teilzeitbeschäftigten mit psychischen Erkrankungen ihre Arbeitszeit zuvor bewusst reduziert haben.
Die Autoren der Studie gehen in ihrer Analyse aber noch einen Schritt weiter: „Wer hybrid arbeitet – also in einer Kombination aus Homeoffice und Arbeit vor Ort im Büro – ist seltener von psychischen Erkrankungen betroffen als Menschen, die ausschließlich im Büro oder im Homeoffice arbeiten“.
Sirka Laudon, Vorstandsmitglied der AXA in Deutschland, macht deutlich, dass die psychische Gesundheit als Faktor in der Fachkräftedebatte nicht vernachlässigt werden dürfe. Die psychische Verfassung der Gesellschaft werde den Fachkräftemangel noch verstärken. Jeder fünfte Befragte war in den vergangenen zwölf Monaten wegen solcher Beschwerden krank, acht Prozent sogar mehrere Tage.
Was die Arbeitgeber allerdings nicht gerne hören werden, ist die Tatsache, dass der Auslöser für die Beschwerden laut Umfrage weitaus häufiger im beruflichen als im privaten Umfeld liegt. Die Menschen bringen also nicht ihre privaten Probleme mit zur Arbeit, sondern umgekehrt. Laudon weist jedoch darauf hin, dass dies kein Automatismus sei.
Fünf Tipps zur Stressbewältigung
Sagen Sie auch mal „Nein“. Haben Sie gerade keine Kapazitäten für eine neue Aufgabe oder ein Projekt, sagen Sie frühzeitig Bescheid. Selbstverständlich gibt es Situationen, in denen Sie mit „Ja“ antworten müssen. Aber vielleicht hat ein Kollege gerade mehr Zeit oder die Aufgabe ist doch nicht ganz so dringend.
Niemand ist perfekt, stellen Sie daher keine zu hohen und unrealistischen Erwartungen an sich selbst. Damit blockieren Sie sich nur.
Identifizieren Sie die Auslöser. Jeder Mensch gerät durch andere Dinge unter Druck. Um einen Überblick zu behalten, hilft es, sich eine Liste mit seinen persönlichen Stressfaktoren anzulegen. Stört Sie zum Beispiel das ständige „Pling“ eingehender E-Mails, stellen Sie den Computer auf lautlos und bestimmen Sie einen festen Zeitraum, in dem Sie Mails beantworten.
Stress zu unterdrücken, ist auf lange Sicht keine Lösung. Früher oder später wird er wieder hochkommen. Um das zu vermeiden, sprechen Sie darüber mit einem Kollegen und beziehen Sie auch ihren Chef mit ein. Allein das Gefühl, aktiv etwas gegen den Stress zu tun, hilft bei der Bewältigung.
Machen Sie Sport – Bewegung ist eine gute Methode, um Stress entgegenzuwirken, denn durch Sport werden Glückshormone wie Dopamin ausgeschüttet.
Im Alltag hilft schon ein kurzer Spaziergang zur Kantine oder morgens eine Station früher auszusteigen und den restlichen Weg zur Arbeit zu laufen. Nehmen Sie die Treppe statt den Aufzug und laufen Sie zum übernächsten Drucker statt zum nächstgelegenen.
Arbeit müsse nicht krank machen: „Berufliche Erfolge stiften Sinn und Leistung stärkt das Selbstwerterleben.“ Es sei daher die „Aufgabe von Arbeitgebern, Mitarbeitenden ein optimales Arbeitsumfeld zu schaffen und sie so einzusetzen, dass sie ihr volles Potenzial entfalten können – in beiderseitigem Interesse“.
Geschieht dies nicht, bleibt für viele nur ein Ausweg: die Kündigung. Fast jeder Fünfte ist sich laut Umfrage entweder schon sicher oder denkt zumindest darüber nach, seinen Job an den Nagel zu hängen. Hochgerechnet auf die derzeit rund 45,7 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland wären das fast 8,7 Millionen Menschen.
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