Unternehmen sind erfolgreicher, wenn ihre Angestellten sich gegenseitig unterstützen. Studien belegen die zahlreichen Vorteile einer solchen Kultur der Hilfsbereitschaft – darunter etwa eine höhere Zufriedenheit mit dem Job, sowohl bei jenen, die Hilfe leisten, als auch bei denen, die sie erhalten. Trotz guter Absichten allerdings scheitern Mitarbeiter manchmal daran, sich gegenseitig zu helfen, sei es, weil sie nicht recht wissen, wie sie dies anstellen sollen oder weil es ihnen an sozialen Kontakten und Zeit mangelt.
Es ist bekannt, dass Firmen besser funktionieren, wenn die Mitarbeiter sich unterstützen. Weniger klar ist jedoch, wie es sich auf das Unternehmen und die betroffenen Mitarbeiter auswirkt, wenn die Hilfe scheitert. Forschungen zu Fehlern am Arbeitsplatz zeigen, dass Mitarbeiter oft mit Misserfolgen zu kämpfen haben, wodurch sie das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten verlieren und zukünftige Hilfsversuche scheuen könnten.
Auf sich selbst achten
Unsere jüngsten Forschungen deuten darauf hin, dass das Mitgefühl mit sich selbst eine entscheidende Rolle beim Umgang mit diesen Herausforderungen spielen könnte. Wir wollen es Selbstmitgefühl nennen – und verstehen darunter die Fähigkeit, sich selbst mit Geduld und Verständnis zu begegnen und eine ausgewogene emotionale Haltung zu bewahren. Wer Selbstmitgefühl hat, erinnert sich daran, dass Fehler menschlich sind. Selbstmitfühlende Mitarbeiter zeigen bessere Leistungen und erleiden seltener Burnout. Unsere Studien untersuchten, ob Selbstmitgefühl auch dann hilfreich ist, wenn der Versuch zu helfen scheitert.
In einer unserer Studien mit 246 Teilnehmern aus verschiedenen Branchen wurden die Probanden gebeten, über eine Situation zu berichten, in der sie einem Kollegen helfen wollten, aber scheiterten.
Beispiele für fehlgeschlagene Hilfe
„Ein Kollege bat mich, einen Prozess für ihn zu automatisieren. Ich sagte, ich würde sehen, was ich tun könnte. Leider waren meine Programmierkenntnisse zu diesem Zeitpunkt noch sehr gering, und ich brauchte nicht nur sehr lange, um das Problem zu lösen, sondern war auch nicht in der Lage, das Problem zu lösen.“
„Ich habe versucht, einem Kollegen bei der Einhaltung eines Termins zu helfen, aber ich war zu beschäftigt, um daran teilzunehmen. Ich habe zu Beginn der Woche meine Hilfe angeboten, aber im Laufe der Woche musste ich zusätzliche Arbeit übernehmen und konnte nicht mehr helfen.“
Nach einer Intervention, bei der die Teilnehmer dazu angeleitet wurden, das Selbstmitgefühl entweder besonders stark oder kaum zu fördern, analysierten wir ihre Schuldgefühle, ihr zukünftiges Vertrauen, erneut Hilfe anzubieten, und ihre Hilfsbereitschaft.
Unsere Untersuchungen zeigen, dass eine selbstmitfühlende Haltung Schuldgefühle reduziert und das Vertrauen in die eigene Hilfsfähigkeit steigert. Mitarbeiter, die sich selbst nach einem Hilfeversagen mit Güte begegnen, entwickeln ein positiveres Selbstbild und stärken damit ihr Vertrauen, Unterstützung zu bieten, was wiederum ihre zukünftige Hilfsbereitschaft erhöht. Interessanterweise verringert Selbstmitgefühl auch Schuldgefühle, was paradoxerweise die Bereitschaft zur Hilfeleistung senken kann. Selbstmitgefühl wirkt sich also vielschichtig auf zukünftige Hilfsaktionen aus.
Resilienz: Die Merkmale psychischer Widerstandskraft
Widerstandsfähige Menschen reagieren auf neue An- und Herausforderungen nicht panisch. Sie denken vielmehr: Irgendwie schaffe ich das schon – auch wenn ich noch nicht weiß, wie.
Widerstandsfähige Menschen glauben an sich und an das, was sie tun.
Widerstandsfähige Menschen denken lösungsorientiert. Sie planen ihre Zukunft, statt ihr besorgt entgegenzuschauen.
Widerstandsfähige Menschen nehmen ihr Leben beziehungsweise Schicksal in die Hand. Sie lassen sich nicht in eine Opferrolle drängen.
Widerstandsfähige Menschen akzeptieren (negative) Dinge und Umstände zunächst so, wie sie sind. Sie lassen diese aber nicht, wie sie sind – sondern verändern sie.
Widerstandsfähige Menschen schotten sich bei Stress nicht ab. Sie bleiben vielmehr in einem Dialog mit ihrer Umwelt und bitten bei Bedarf um Unterstützung oder organisieren sich die nötige Unterstützung selbst.
Widerstandsfähige Menschen haben ein ausgeprägtes Gespür für sich selbst. Sie wissen, was ihnen (nicht) gut tut, und spüren, wann sie an ihre Belastungsgrenzen stoßen.
Widerstandsfähige Menschen haben für sich Strategien entwickelt, um auch in Stresszeiten für die nötige Entspannung zu sorgen und, soweit möglich, die Balance in ihrem Leben zu wahren.
Führungskräfte sollten Verantwortlichkeiten klären
Für Manager und Organisationen bieten diese Erkenntnisse wertvolle Ansatzpunkte: Selbstmitgefühl befähigt Mitarbeiter, aus einer Haltung des Selbstvertrauens heraus zu helfen und Hilfe, die aus Schuldgefühlen entsteht, zu vermeiden. Die Rolle der Schuldgefühle unterstreicht auch die potenziellen Kosten der Hilfeleistung für die Mitarbeiter – wie gesteigerter Stress und eine erhöhte Neigung zu kündigen, weil der Druck, jedem jederzeit zu helfen, zu hoch ist. Zudem besteht die Gefahr, dass Hilfsaktionen schleichend als Teil einer festen Verantwortlichkeit angesehen werden. Um dies zu verhindern, ist es wichtig, dass Manager regelmäßig und offen mit ihren Mitarbeitern über deren Verantwortlichkeiten im Job sprechen.
Um eine langfristig effektive und nachhaltige Kultur der Hilfsbereitschaft am Arbeitsplatz zu etablieren, sollten Organisationen ihre Mitarbeiter zu besseren Helfern erziehen. Mitarbeiter mit genügend Ressourcen sind dabei besser gerüstet, um Unterstützung anzubieten. Dies zeigt sich etwa in der Kultur der Hilfsbereitschaft bei IDEO, einem weltweit tätigen Designunternehmen. Dort können Mitarbeiter regelmäßig effektiv helfen, da sie nicht mit ihren üblichen Pflichten überlastet sind.
Organisationen sollten dafür sorgen, dass Mitarbeiter genügend Freiraum haben, um nachhaltige Hilfe zu leisten. Manager können hierbei unterstützen, indem sie vermitteln, wie man am besten klärt, in welchem Maße man unterstützen will oder wie man die tatsächlichen Bedürfnisse anderer erkennt. Bei Misserfolgen empfehlen wir, dass Manager und Mitarbeiter Selbstmitgefühl fördern. Selbstmitgefühl mag nicht sofort das Hilfsverhalten steigern, sorgt aber dafür, dass Hilfe aus der richtigen Motivation heraus geleistet wird.
Chefs sind Vorbilder
Manager können eine Kultur des Selbstmitgefühls fördern, indem sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Studien zeigen, dass selbstmitfühlende Führungskräfte ihren Mitarbeitern umfassender helfen. Wenn Mitarbeiter sehen, dass ihre Vorgesetzten auch sorgsam mit ihren eigenen Ressourcen umgehen, sind sie eher geneigt, dies ebenfalls zu tun. So werden sie zu besseren Helfern. Der Zugang zu Programmen und Diensten für solch eine Selbstfürsorge kann hier unterstützend wirken, sollte aber nicht verpflichtend sein.
Um ein gutes Teammitglied zu sein, ist die Hilfsbereitschaft am Arbeitsplatz essenziell, aber oft schwer aufrechtzuerhalten. Organisationen können mehr tun, um eine Kultur des Selbstmitgefühls zu fördern und sicherzustellen, dass Mitarbeiter gesunde und nachhaltige Hilfsstrategien entwickeln. Dadurch schaffen sie eine unterstützende, produktive und für alle zufriedenstellende Arbeitsumgebung.
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Übersetzung: Eva-Maria Chapuy
Dieser Beitrag ist zuerst bei unserem Kooperationspartner MIT Sloan Management Review erschienen.