Wenn Sie mal so zurückdenken in Ihrer Karriere: Können Sie sich noch erinnern, wie es so bestellt war um den Kaffee auf den jeweiligen Stationen?
Ich habe mich mal im Freundes- und Bekanntenkreis umgehört. Und es ist erstaunlich, wie hoch heute mitunter noch die Empörung ist bei Erinnerungen an schlechten Kaffee, selbst wenn diese Zeiten schon über Jahrzehnte zurückliegen. Und umgekehrt die Anerkennung für guten Kaffee.
Ich erinnere mich auch noch:
In einem Unternehmen stand immer schon morgens zu Arbeitsbeginn eine große Pumpkanne Kaffee bereit. Irgendwann wurde sogar zusätzlich ein Espresso-Vollautomat angeschafft. Alles kostenlos! Sogar die Milch. Wir hatten also eine luxuriöse Auswahl. Die Personalabteilung wurde dafür gefeiert.
In einer anderen Firma mussten wir uns mit Spezialmünzen für den Kaffeeautomaten herumschlagen und für jede Tasse in die Kantine runter laufen. Deshalb kamen viele immer schon mit To-Go-Bechern von der Straße rein.
In wieder einer anderen Firma steht bis heute ein Automat mit Eurocent-Einwurf ohne Kartenzahlungsoption und lässt Milchpulverwasser raus. In der Kaffeeküche helfen sich die Mitarbeitenden deshalb selber mit einer von einem Kollegen mitgebrachten gebrauchten Filtermaschine aus. Nur meistens ist kein Kaffeepulver da. Und dann gibt es da noch uralte Espresso-Maschinen aus Privatbeständen, die ungenutzt vor sich hinlottern
Und so weiter.
Was meinen Sie? Warum prägt sich das so ein? Ich glaube: Weil das Kaffeeangebot mehr ist als die Versorgung mit Getränken. Es ist eine Geste: das Angebot eines Genussmittels. Eines Genussmittels, über das in Deutschland bei all den unterschiedlichen Zubereitungsarten doch in einem Punkt Einigkeit besteht: Guter Kaffee ist eine Sache von Lebensqualität.
Was auch folgende unausgesprochene Botschaft mit sich bringt: Dem, der schlechten Kaffee anbietet, ist die Lebensqualität der Anderen egal. Diese Schlussfolgerung klingt jetzt sehr schlicht, aber da ist doch etwas dran.
Weil aber frischer Kaffee anders als eine Nussmischung, etwas Obst oder die Stulle nur recht umständlich von zuhause mit zur Arbeit genommen werden kann – zumindest wenn er auch noch nachmittags heiß und frisch schmecken soll, sind die Belegschaften quer im Lande beim Kaffee auf die Unterstützung ihrer Unternehmen angewiesen. Wenn Sie Chef oder Chefin sind: auf Ihre Unterstützung.
Und jetzt zählt es. Denn jetzt gehen in Ihren Teams die Anerkennungs-Antennen an: Was sind wir der Firma wert?
Und so wird das Kaffeeangebot über Umwege mal wieder zu einem Kommunikations-Thema, meiner Leidenschaft. Denn die Kaffeequalität spricht eben Bände.
Ein guter Kaffee birgt die Botschaft einer ausgestreckten Hand. Ein schlechter der einer Hand, die dann doch wieder zurückgezogen wird.
Ich kenne einige Firmen seit vielen Jahren. Da sitzen Leute an ihren Schreibtischen, trinken Kaffee und sagen fast jeden Tag dazu: „Meine Güte, schmeckt der schlecht!“ Und trinken ihn Tag für Tag trotzdem. Es ist eben kein anderer da. Ist das nicht irgendwie schrecklich? Das Schrecklichste daran dürfte aus Ihrer Sicht sein, was „schmeckt der schlecht“ eigentlich heißt: „Der schmeckt hier in unserer Firma schlecht. Das Angebot unserer Firma ist schlecht.“
Und diese Erkenntnis wird Ihren Teams bei schlechtem Kaffee Mo-Fr im wahrsten Sinne heiß eingeflößt. Es fehlt das Wohlgefühl. Das Grundbedürfnis bleibt unbefriedigt.
Das ist erstmal schlecht. Andererseits: Guter Kaffee ist kein Schnäppchen. Die Maschinen, die Bohnen, die Milch, die Wartung, die Reinigung. Klar.
Einige Firmen, die ich so besuche, setzen aber genau auf den Kaffee-Effekt. Stellen hochwertige Kaffeevollautomaten auf. Gerade dort wo viel in Konferenzen beraten und still am Schreibtisch vor sich hin gewerkelt wird, haben alle eine Tasse bei sich. Einige mit Tee, die allermeisten mit Kaffee. Wenn dann die Firma dafür sorgt, dass jeder Schluck genossen werden kann, dann sorgt das Unternehmen damit durchgängig für ein latentes Wohlgefühl: Da kümmert sich jemand um mich.
Deshalb mein Vorschlag:
1. Fragen Sie: „Wie findet ihr unseren Kaffee?“
Und machen Sie sich auf Schmerzensschreie gefasst. Und je nach Feedback denken Sie über Investitionen nach. Meiner Wahrnehmung nach kommt der Kaffee weit vor Keksen und Kickertisch. Weil er Wohlfühl-Grundversorgung ist.
2. Fragen Sie nach den Vorlieben
Fragen Sie vorher nach den Vorlieben der Belegschaft. Die Kaffeekapseln gelten vielen mittlerweile als ökologisch bedenklich, die Latte Macchiato als ungesund, der Filterkaffee wieder als die Tasse der Wahl.
3. Sortieren Sie Ihr Budget neu
Wenn das Geld knapp ist: Was ist dem Team wichtiger: 220 Tage pro Jahr guten Kaffee genießen oder ein Weihnachtsfeier-Besäufnis auf Firmenkosten? Diskutieren Sie das bei Bedarf.
4. Führen Sie eine Kaffeekasse ein
Der Witz ist doch: Sicher nicht allen geht es bei gutem Bürokaffee ums Schnäppchen auf Firmenkosten. Sondern vielen bestimmt um eine gute Bohnen- und Milch-Logistik. Um den Zugriff auf Kaffee schnell zwischendurch. Guter Kaffee ließe sich mit einem Zuschuss pro Monat und Mensch und auch mit der Vereinbarung eines Kaffee-Dienstes lösen. Bei dem alle mal dran sind nachzukaufen. Für einen Profi-Vollautomaten könnten Sie auch Geld in der Belegschaft sammeln.
Sie führen. Warten Sie nicht darauf, dass das Team das Wohlfühl-Management übernimmt. Wir Menschen können uns jahrelang ärgern und doch nicht aktiv werden. Doch Sie als Führungspersönlichkeiten sind es, die auf eine gute Grundstimmung im Unternehmen angewiesen sind.
Vor einigen Wochen habe ich in einem Unternehmen ein Kommunikationsseminar in deren Räumlichkeiten gegeben, dort gab es zu meiner Überraschung für die angereisten Teilnehmenden keinen Zugriff auf Kaffee weit und breit. Der Wunsch aller war klipp und klar: Lieber zwanzig Minuten Seminarzeit verlieren und zum nächsten Bäcker gehen, als ohne Kaffee in den Arbeitstag zu starten.
Unser Geschmack ist ganz einfach: immer nur das Beste.
Ersparen Sie sich die verkniffenen Gesichter Ihrer Leute beim ersten Kaffeeschluck des Bürotags. In heutigen Zeiten ist das Vergraulen von Fachkräften Kaffee von gestern.
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