Mehr Erfolg mit Englisch
Quelle: imago images

Von diesem alten weißen Mann können Sie (auch) Englisch lernen!

Kennen Sie Larry David, den schrulligen Hauptdarsteller der Serie „Curb your Enthusiasm“ – der seine Frau „Hitler“ nannte? Für unseren Kolumnisten ist es Zeit, sich zu bedanken, weil bald Schluss ist: nach zwölf Staffeln und 23 Jahren Englischunterricht. Gelernt hat er zum Beispiel, wie man „Spießer“ treffend übersetzt! Eine Kolumne.

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„Do you know what I mean?“ Dieser meist überflüssige englische Nachsatz nervt besonders, wenn er an Aussagen hängt, die weder kompliziert noch tiefgründig sind. Für Larry David ein Grund, darauf herumzureiten, bis es wehtut. Wie in der aktuellen, zwölften Staffel seiner Serie „Curb your Enthusiasm“– bedauerlicherweise der letzten.

Wörtlich übersetzen lässt sich der Titel des Kultprogramms mit „Halt deine Begeisterung im Zaum!“ oder kurz „Reg Dich ab!“ – aber auf keinen Fall mit „Lass es, Larry!“, was die deutsche Fassung von vorneherein völlig verzichtbar macht. Schließlich sollte es nie darum gehen, irgendetwas nicht zu tun, sondern vielmehr, alles Mögliche zu tun – ohne die Regeln politischer Korrektheit und Wokeness.

Seit 23 Jahren kreist die Handlung um einen Mann, der in Los Angeles lebt, aber unter Verhaltensauffälligkeiten leidet, die bockige Berliner, redselige Rheinländer, besserwisserische Bayern, sparsame Schwaben und hochnäsige Hamburger an den Tag legen. Ich möchte behaupten, dass er einer von uns ist – unser Mann in L.A.! Er unterbricht und korrigiert Mitmenschen, drängt ihnen ungefragt Krankheiten und Wissen auf, doziert unentwegt seine Prinzipien, weiß das meiste besser, will andere am Pranger sehen und leidet unter mangelnder Selbstironie. Wenigstens tut er so.

In Diskussionen Recht zu haben und vom eigenen Standpunkt zu überzeugen, sind zwei Welten. Ein wesentlicher Überzeugungs-Faktor ist, gemocht zu werden. So klappt es selbst für notorische Besserwisser. Eine Kolumne.
von Marcus Werner

Die Rede ist vom Autor, Hauptdarsteller und lebenden Vorbild für den alten weißen, fast kahlköpfigen jüdisch erzogenen, aber gottlos gesinnten Mann: Larry David. Kurz, LD. Seine Lebensleistung besteht darin, in den 1990er-Jahren die TV-Serie Seinfeld mitgeschaffen zu haben. Die Betonung liegt auf „mit“, da Jerry Seinfeld selbstredend ihr Hauptschöpfer war. Für LD reichte es, um zu Wohlstand zu gelangen und seither umgeben zu sein von prominenten Gästen, die auch zahlreich an „Curb your Enthusiasm“ teilnehmen. LD verlangt von ihnen, was ihm selbst nicht gelingt: Den Ball flach zu halten, sich nicht aufzuspielen, halblang zu machen und sich das eigene Sendungsbewusstsein in den Allerwertesten zu stecken – womit der burleske Titel der HBO-Serie vollständig erklärt wäre.

Warum es sich lohnt, Curb (wie Fans sagen) in der englischen Originalversion zu sehen, erklärt sich mit dem besonderen Text. Die Serie kommt ohne festes Drehbuch aus und ist zum Vorbild des Non-scripted Drama geworden – ein Genre, das längst auch bei uns Nachahmer gefunden hat (und mit „Jerks“ sogar richtig gute).

Von Anfang an glänzte Curb mit kulturellen Feinheiten und sprachlichen Finessen. Unvergesslich ist die allererste Episode, als sich Larry mit seiner damaligen Frau Cheryl (gespielt von Cheryl Hines) über die cut off time streitet – ein Begriff, den ich nicht kannte. Er beschreibt den Zeitpunkt, nach dem man im streng formatierten Amerika der Mittelschichten abends nicht mehr bei anderen Leuten anrufen darf. Damit war das Grundmuster der Serie etabliert: Alles, was LD furchtbar spießig findet, hat er mit eigenen Auffassungen und neuen, meist vergeblichen Regeln gekontert, die nicht minder spießig sind.

Und wo ich „spießig“ sage – jenes deutsche Wort, das sich in seinem ganzen Bedeutungsspektrum kaum im Englischen ausdrücken lässt. LD hat mir damit sehr geholfen! Einerseits kann man den Standardempfehlungen folgen und stuffy, grumpy, homely und gar anal sagen – gesprochen äinl. Oder man schaut alleine noch einmal die zehnte Staffel von Curb und kann danach die verschiedenen Gesichter eines Spießers virtuos beschreiben: 

  1. the prick: Ein illoyaler Scheißkerl, der für den eigenen Vorteil Freundschaft vortäuscht.
  2. the prig: Ein selbstgefälliger Schnösel, der auf die eigenen Großtaten hinweist.
  3. the douchebag, schmuck and moron: Ein Volltrottel, der andere unterschätzt.
  4. the ignoramus: Ein Ignorant, der mit falschen Annahmen und Vorurteilen lebt.
  5. the philistine: Ein Banause, der die eigene Kultur für den Nabel der Welt hält.
  6. the loner/lone wolf: Ein bindungsgestörter Eigenbrötler.
  7. the stickler and wisenheimer: Ein Klugscheißer und Paragraphenreiter.
  8. the nitpicker, bean counter and faultfinder: Ein kleinkarierter Erbsenzähler und pedantischer Besserwisser.

LDs Themen sind die immergleichen, und doch variieren sie und verlieren nie ihre Spannung. Es geht um Sprache und Kultur, um Spitzfindigkeiten, Normen und die unvermeidlichen Missverständnisse und Normverletzungen. Die einzige Rettung ist das wärmende innere Exil. Social Distancing als Form der Rettung! Zu Covid-Zeiten glänzte LD als King of Social Distancing. Dabei hätte ihm die wagneresk-deutsche Bezeichnung Meister wahrscheinlich besser gefallen – nicht nur, weil er selbst ein sehr widersprüchliches Verhältnis zur deutschen Kultur und Sprache pflegt, die an eine große, aber gescheiterte Liebe erinnert – und seinem eigenen, ambivalenten Charakter nicht unähnlich ist. Er zeigte sich ebenfalls in der ersten Episode, als er einen unartigen Spitznamen für seine Frau hatte: „Hitler“!

LDs jüdische Tradition bringt er übrigens immer wieder mit Anklängen zur Sprache, die deutsch wirken, aber in Wahrheit aus dem Jiddischen stammen. So auch in der aktuellen zwölften Staffel, als er das Zimmermädchen in einem Hotel beschimpft, weil sie seine Brille nicht aus dem Klo fischen will: „You are quite a Verbissene!“

Andere jiddische Begriffe, die einen LD lehrt:

Gesundheit! Eine Alternative zu (God) Bless you!

to schlepp: Man schleppt Dinge und manchmal auch sich selbst.

– verklemmt; farklemt: Heißt mehr „schüchtern“ als das, was wir verstehen.

– Schmutz = Schmutz

– Schnorrer = Schnorrer

– spiel: Das ist das Geschwafel, das so langatmig und nutzlos wie wortreich und zielführend sein kann, etwa in einem Verkaufsgespräch – heute auch Pitch genannt. 

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Es ist dieses spiel, mit dem es Larry gelingt, die hundertprozentig selbst geschaffene soziale Distanz zu überwinden. Das hat er am Ende zwar nicht den jecken Rheinländern, aber auf jeden Fall den Berlinern und Hamburgern voraus. Zum Beispiel, nachdem er sich in einem Restaurant lautstark darüber aufregt, nicht im Bereich für die schönen, sondern für die hässlichen Gäste zu sitzen – und dabei beinahe ein Hausverbot erhält. Am Schluss sitzt er doch auf der richtigen Seite des sonnenverwöhnten kalifornischen Lebens. Auf gar keinen Fall, weil er gut aussieht. Aber weil er der eine ist: the one and only creator of Curb.

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Unser Kolumnist ist u. a. Autor des Bestsellers „Hello in the Round! Der Trouble mit unserem Englisch und wie man ihn shootet“. Das Buch ist bei C.H. Beck erschienen.

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