Machen wir uns nichts vor: Die Mittagspause prägt den Arbeitstag für viele oft genauso wie die acht Stunden drum herum. Unsere Entscheidung, mit wem wir wo essen gehen, zeigt den anderen, wie wir im Job ticken. Erkennen Sie sich wieder? Da gibt es:
1. Die panischen Pulkrenner
Um 11 Uhr 58 schlägt der Handywecker auf dem Schreibtisch Alarm, denn Martina, Gabi, Lutz und Olli aus dem dritten Stock warten am Aufzug nie lange und fahren dann alleine runter in die Kantine.
Ob Hunger oder nicht: Um 12 Uhr und zwar ausgerechnet um 12 Uhr, wenn alle gehen, stehen die Pulkrenner dann in der Schlange vor dem Wagen mit den grauen, noch warmfeuchten Tabletts und stellen einander Fragen wie:
„Und?“
Oder: „Stressig heute?“
Oder: „Riecht ihr auch schon die Bolo-Spags?“
Es fühlt sich an, wie wenn Freunde sich am Urlaubsort treffen: nicht zu Hause, aber trotzdem heimelig. Wer sich bei den Pulkrennern mit an den Tisch setzen möchte, muss besonders devot um Erlaubnis fragen. Man legt sich in Malle am Strand ja auch nicht auf fremde Decken dazu und sagt: „Mahlzeit.“
Pulkrenner sind stimmungsprägend für den ganzen Laden. Sind Sie einer?
2. Die Kantinen-Schleimer
Die meisten wollen wenigstens beim Mittagessen entspannen. Nicht selten bleiben die Stühle am Esstisch von Chef und Chefin deshalb frei. Wären da nicht diejenigen, die scheinbar zufällig mit der Cola Zero und der Polenta vor der Brust, aber doch mit suchend gerecktem Hals vorbeikommen und der Führungsriege zuflöten:
„Ach, Sie hier? Dann komm ich doch einfach mal zu Ihnen, wenn ich darf.“
Und noch bevor das Dessert-Gläschen mit dem Waldbeeren-Ragout auf Vanille-Quark dran ist, kennen die Vorgesetzten dank des Updates alle Erfolge ihres „Mitessers“ der vergangenen zwei Wochen. Abgebunden mit dem beiläufigen Hinweis:
„Hmm, och, die Polenta ist heute ja richtig zart. Herrlich! Wie ist Ihr Hackbraten?“
Denn immerhin genießt man ja gerade irgendwie gemeinsam Freizeit.
Kantinen-Schleimer sind ausgefuchste Karrieristen. Denn so schnell bekommt man einen halbstündigen Plaudertermin mit den obersten Entscheidern sonst nie. Clever.
3. Der Suppen-Single
Während der Pulk um 12 Uhr aufbricht, behauptet der Suppen-Single über Jahre hinweg, irgendwie noch nicht richtig hungrig zu sein, nur um dann um 12:10 Uhr allein Richtung Firmenrestaurant aufzubrechen. Mit dem Tablett in den Händen und den Augen starr geradeaus meidet er dann bei der Platzwahl den Blickkontakt zu allen anderen, um den kleinen Tisch an der Wand hinter der schiefen Plastikpalme zu wählen – oder den letzten Platz an einem Tisch mit ins Gespräch vertieften Unbekannten. So dass keiner der Kollegen dazukommen kann.
Tipps für den gelungenen Smalltalk
Zum Smalltalk gehört auch eine entsprechende Körperhaltung: Es geht um eine nette, harmlose Plauderei, also beginnen Sie diese mit einem netten Lächeln. Und verschränken Sie die Arme nicht vor der Brust und verstecken Sie Ihre Hände nicht hinter dem Rücken oder in den Hosentaschen.
Smalltalk betreiben wir meist mit Menschen, die wir nicht besonders gut kennen. Deshalb ist es wichtig, einen angenehmen Gesprächsabstand einzuhalten. Wer seinem Gegenüber zu dicht auf die Pelle rückt, darf sich nicht wundern, wenn er sich unbeliebt macht.
Am liebsten smalltalken die Deutschen über ihren Urlaub, Ärger mit Handwerkern, ihre Hobbies, Berufliches oder die Gesundheit.
Vermeiden Sie die Themen Politik, Religion, Geld und private Probleme: Solche Themen sind nur für den Freundes- oder Verwandtenkreis bestimmt. Für eine unverbindliche Plauderei mit Fremden eignen sie sich nicht.
Auch wenn es sich um Ihren absoluten Lieblingswitz handelt, beginnen Sie ein Gespräch bitte nicht mit: „Kennen Sie den?...“ Niemand hat etwas gegen humorvolle Bemerkungen und Schlagfertigkeit, aber Sprücheklopfer und Witzbolde kommen einfach nicht gut an.
Bringen Sie Ihr Gegenüber dazu, etwas zu erzählen. Wer geschlossene Fragen stellt, auf die der Gesprächspartner nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten kann, schafft keine angenehme Gesprächsatmosphäre. Versuchen Sie es lieber mit einer Frage wie „Woher kennen Sie den Gastgeber?“
Achten Sie darauf, neutrale Fragen zu stellen und freundlich zu bleiben. Wer fragt: „Finden Sie Fußball auch so doof?“ wird es sich mit einem eingefleischten Fan verscherzen. Dann lieber fragen, was das Gegenüber beruflich macht. Zur Not reden Sie über das Wetter, das geht immer.
Damit sich wirklich ein nettes Gespräch ergibt, müssen Sie natürlich nicht nur Fragen stellen, sondern auch zuhören. Schenken Sie Ihrem Gegenüber also die volle Aufmerksamkeit, auch wenn Sie sich über belanglose Themen unterhalten. Sonst verliert er schnell die Lust am Gespräch mit Ihnen.
Auch wenn Lästern im Freundeskreis Spaß macht, beim Smalltalk sollten Sie es sich sparen. Es fällt nur negativ auf Sie zurück. Zuhörer übertragen jene Eigenschaften, die Person A einer Person B andichtet, unbewusst und automatisch auf Person A. Ebenfalls verzichten sollten Sie auf prahlerische Redebeiträge nach dem Motto „Mein Haus, mein Auto, meine Yacht“.
Suppen-Single sind oft Großraum-Büro-Gepeinigte und machen es eigentlich genau richtig: einfach mal komplett raus. Trotzdem wirkt die Wahl des Katzentisches irgendwie abweisend. Man merkt es und man munkelt:
„Ob der noch lange bei uns bleibt?“
Am besten werfen die Essens-Einzelgänger ab und an nachmittags eine Handvoll Duplos für alle auf das Sideboard und rufen etwas wie:
„Soll noch mal einer sagen, dass ich euch nicht lieb hab!“
4. Die Raucher-Sandwich-Bande
Unten Portmonee, darauf die Schachtel mit den Kippen, oben das Feuerzeug – fertig ist das Raucher-Sandwich. Das fest zwischen Handfläche und Daumen geklemmt, geht die Raucher-Clique runter auf einen schnellen Happen. Denn die meiste Zeit der Mittagspause soll ja für die gemeinsamen Zigaretten drauf gehen. Der Suchtdruck treibt sie vor der Drehtür des Foyers. Mit eingezogenem Kopf im Winter, mit Sonnenbrand auf dem Nacken im Sommer. Denn mittlerweile ziehen viele Firmen Raucherpausen von der bezahlten Arbeitszeit ab. Da muss es mit dem Essen flott gehen, um bei den Zigarettenpreisen am Ende des Tages kein Minus zu erwirtschaften.
Die Raucher-Clique dient allen Beteiligten zur Selbstvergewisserung: Wir sind, wie wir sind. Denn alleine zu rauchen, geht zwar auch schön ins Hirn, wirkt aber doch irgendwie aufgeschmissen.
5. Die Zu-zweit-Wegschleicher
Die sorgen genauso für Missgunst wie das verliebte Pärchen beim Tanzkurs, das beim Partnerwechsel unisono sagt:
„Neinnein, wir wollen weiter zusammen.“
Deswegen suchen die Wegschleicher oft eine externe Gastronomie auf, wie etwa Vapiano, für das Kantinengefühl weit weg. In der Hoffnung, dass sie nicht ein einziges bekanntes Gesicht erblickt. Nicht selten nehmen die zweisamen Wegschleicher sogar eine mittellange Autofahrt in Kauf. Werden sie dann doch wiedererkannt, brodelt natürlich die Gerüchteküche hoch:
„Holala, was ist denn mit den beiden Süßen los?“
Deshalb halten sich die Wegschleicher im Büroalltag oft voneinander fern. Spannend wird es dann auf dem Betriebsausflug: Wer teilt sich mit wem ein Zimmer? Aber so ein paar Gerüchte machen einen ja auch interessant. Warum also nicht?
6. Die Jeden-Tag-mit-jemand-anderem-Netzwerker
Das sind die, mit denen man für den Kantinenbesuch einen Termin vereinbaren muss. Weil sie sich vorgenommen haben, pro 100 Arbeitstagen mit 120 unterschiedlichen Persönlichkeiten des Joballtags gespeist zu haben. Durchgenudeltes Networking sozusagen.
Und jetzt zählt´s: Wenn Sie mit einem dieser Netzwerker einen Termin ergattern: Bittet er Sie zu einem Drei-Gänge-Schlemmer-Lunch (18 Euro 90 plus Getränke) beim Edel-Italiener oder nur zum Schnitzel-Tag unten? Es ist das Schnitzel? Und der Typ ist Ihnen gegenüber weisungsbefugt? Suchen Sie sich sofort einen neuen Job. Schnell!
7. Der Essen-ist-überbewertet-Typ
Entweder machen sie Intervallfasten („Ich habe gestern um 22:37 Uhr noch ein Toffifee gegessen, deshalb darf ich heute erst wieder was ab 14:37 Uhr essen. Sorry“) oder sie sagen Dinge wie:
„Die Kantine ist Schrott. Ich hab was eigenes dabei.“
Und dann werfen sie sich eine Currywurst mit Plastikschale in die Mikrowelle.
Diese Leute sehen den wie auch immer gearteten Business-Lunch nicht als gesellschaftliches Phänomen und Highlight im Tagesablauf – sondern als eine Methode zum puren Überleben. Erkennen Sie sich wieder? Dann machen Sie es wie der Suppen-Single und werfen Sie ab und an ein paar Duplos unters Volk.
Denn das ist ja noch ein Job-Food-Phänomen: Egal, welche Bonbons Sie den anderen hinlegen. Am Ende ist alles ratzeputz weg. Bis auf diese Schaumhütchen in der Color-Rado-Mischung von Haribo.
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