Widerworte
Quelle: imago images

Punk is dead. New Work ist es auch.

Bei New Work reden sie von Selbstbestimmung des Individuums. Aber wenn es ums Eingemachte geht, um selbstbestimmte Arbeit, geht es nicht mehr um das, was man wirklich will, sondern was man wirklich wollen sollte.

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Vor gut zwei Jahren starb der famose Frithjof Bergmann, der Vater von New Work. Grundidee dieser „Neue Arbeit“ war, dass Menschen auch in ihrem Job, ihrem Beruf, nicht nur danach und im Urlaub, das tun sollten, was sie am besten können und auch am liebsten tun. Heute nennt man das „für etwas brennen“.

Das ist diese furchtbare Lebensberater-Quatschsprache, niemand soll brennen. Es genügt völlig, wenn man weiß, was man will, und zwar, wie Bergmann es als Kern seiner Idee formulierte, „wirklich, wirklich will“. Die meisten Leute halten die Verdoppelung für eine Verstärkung. In einer Zeit, in der jede und jeder mindestens „für etwas brennen“ muss, insbesondere für das, was dem eigenen Ich liegt, hört und denkt man das doppelte „wirklich“ einfach nur lauter. Das ist das Pfeifen im finsteren Wald der Realität der Organisation.

Doch das „Wirklich, wirklich“ meinte Bergmann anders. Erstens: Wirklich das tun, was man kann, von dem man überzeugt ist und in dem man ständig weiterlernt. Es ist nicht das, was man soll, sondern was man will. Kein Brotjob, bei dem es allein darum geht, am Leben zu bleiben, sondern auch ein Leben in Anstand und Würde zu führen. Das zweite „wirklich“ war also nicht ein lautstarkes Bekenntnis, sondern das, was Theodor Adorno – den Bergmann gerne las – in seinem berühmtesten Zitat so gesagt hatte: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“. Nimm dich ernst. Leb dein Leben. Und nicht „deinen Traum“.

Manager klagen, die Generation Z habe keine Lust auf Führung. Doch sie werden bald schon auf sie angewiesen sein. Sie sollten sich also darauf konzentrieren, Talente ausfindig zu machen und ihnen den Weg ebnen.
von Jannik Deters

Tut, was ihr könnt, und tut es mit denen, die es ehrlich meinen.

Alles andere ist falsch. Das ist ziemlich lebenspraktisch, nüchtern.

Und eigentlich auch gar nicht so schwer zu verstehen, und wer es mit den akademischen Philosophen wie Bergmann und Adorno nicht so hat, der kann sich ja auch an Lemmy Kilmister, den legendären Vormann von „Motörhead“, orientieren, der gerne warnte „lass dich nicht mit Idioten ein“.

Doch da hat wieder mal niemand zugehört.

Mit New Work lief es so wie mit dem Punk: Der wandte sich erst gegen eine Musikindustrie, die den berechtigten Protest der Beat- und Pop-Bewegung so eingehegt hatte, bis er sich mit den Leuten einließ, die er eigentlich bekämpfen wollte. So wurde er zur Karikatur seiner selbst, von den Ramones zu Helene Fischer sozusagen. Punk is dead. New Work ist es auch, und die Rahmenbedingungen sind ähnlich. Leute, denen man die Zukunft nicht überlassen darf, weil sie schon die Vergangenheit verbockt haben, bemächtigen sich des Begriffs.

Vom Pool direkt an den Laptop und dann ins nächste Meeting oder einen Call beim Wandern führen. Arbeit und Urlaub verbinden – Workation eben. Aber klappt das wirklich – und wenn, wie?
von Anna-Maria Knaup

Sie reden von Selbstbestimmung und Stärkung des Individuums. Aber wenn es ums Eingemachte geht, um selbstbestimmte Arbeit, um echte Stärkung - die immer auch Unabhängigkeit bedeutet, da geht es dann nicht mehr um das, was man wirklich, wirklich will, sondern was man wirklich, wirklich wollen sollte - also der alte Stiefel

New Work is dead, weil viele, die Bergmanns Ideen gefolgt sind, sich die Arbeit nicht angetan haben, die es dafür braucht, damit das mit der Neuen Arbeit auch klappt: Sich eben nicht mit den „Idioten“ einzulassen, die nur so weitermachen wollen wie bisher. You can’t fool the children of the revolution? Doch, das geht.

Ihr wollt Incentives? Ihr wollt eine hippe Kantine, ein schönes Firmenauto (Tesla muss schon sein), ein super sicheres Gehalt, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Obstkörbe und Sabbaticals und ein geiles Office in der City – und ein bisschen Selbstbestimmung? Merkt ihr selber, oder?

Was Bergmann verlangte, war Selbstbestimmung durch Selbstverantwortung. Ein unternehmerisches Leben, das nicht risikofrei ist und auch nicht bequem, das Nein sagen kann, wenn es richtig ist und das sich nicht billig manipulieren lässt. Kein Leben für Mitmacher, sondern eins für Selbermacher, im besten Sinne, für freie Menschen.

New Work is dead. Das Messer haben die üblichen Verdächtigen geliefert, die, die ihre alte Macht weiterleben wollen, aber zugestoßen haben die, die es sich zu leicht gemacht haben.

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Und es ist gut, dass New Work tot ist, denn es ist nur eine Phrase, die geht. Bergmanns Ideen aber sind quietschlebendig, sie gehen nicht weg, ganz gleich, wer versucht, sich ihrer Hülle zu bemächtigen. Wir brauchen diese Idee von einer Arbeit, die mehr ist als Mitlaufen und Einordnen, sondern das, was man vom Leben, von sich selber, wirklich, wirklich will.

Das wird man doch wohl noch verlangen dürfen, oder?

Lesen Sie auchwie die Zukunft der Arbeit aussieht.

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