Die Höhle der Löwen „Langfristig soll der Sturfer der Ersatz des Bürostuhls sein“

Die Höhle der Löwen: Bürostuhl

Dieser Stuhl soll Dehnübungen in den Büroalltag integrieren und Rückenschmerzen verschwinden lassen. Die Investoren schreckten angesichts der hohen Bewertung zurück. Wie macht „Sturfer“-Gründer Christian Behrendt weiter?

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Bürostuhl und Trainingsgerät in einem: Mit seiner Eigenentwicklung „Sturfer“ rollte Christian Behrendt Montagabend in die TV-Show „Die Höhle der Löwen“. Der Facharzt für Orthopädie präsentierte den Investoren einen Stuhl, der mit wenigen Handgriffen Dehnübungen während der Arbeitszeit ermöglicht und Rückenschmerzen verschwinden lassen soll. In der Sendung warb er um 1,2 Millionen Euro und bot dafür zehn Prozent der Start-up-Anteile. Die Investoren testeten, fragten – und sagten dann allesamt ab.

WirtschaftsWoche: Ergonomische Stühle sind wirklich keine neue Erfindung. Was macht Ihren Bürostuhl anders?
Christian Behrendt: Durch das Sitzen in der Schulzeit haben viele Menschen Muskelverkürzungen entwickelt, als deren Folge sie unter Rückenschmerzen leiden. Wir haben mit dem „Sturfer“ ein riesiges Problem gelöst: Wir können als erster sitzbedingte Rückenschmerzen wieder rückgängig machen. Im Alltag ist es so: Sitzen verursacht Rückenschmerzen, Stehen macht es oft nicht besser – das ist die Krux. Der Sturfer ermöglicht es, gewissermaßen nebenbei Dehnungsübungen zu machen, die die Muskeln elastischer machen. Und das, ohne dass man den eigenen Schweinehund überwinden muss.

Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Ich habe mir selbst ein rudimentäres Modell aus einer Klappliege zu Hause gebaut, mich dort eingespannt und in der Position meine Praxisabrechnungen gemacht. Nachdem ich das ausprobiert hatte, bin ich am nächsten Tag durch die Praxis geschwebt – ich habe nichts mehr von meinem Rücken gespürt. Das war so ein irres Gefühl, das wollte ich auch anderen zugänglich machen.

In der „Höhle der Löwen“ bewerteten Sie Ihr Start-up in der Sendung mit 12 Millionen Euro, obwohl Sie gerade erst mit dem Vertrieb begonnen hatten. Können Sie die Skepsis der Juroren nachvollziehen?
Der Sturfer ist ein kapitalintensives Produkt, bedient aber einen weltweiten Markt, weil er ein echtes Problem löst. Wir brauchen einen Investor, der das entsprechende Kapital mitbringt. Ich weiß, dass unser Unternehmen einen hohen Wert haben kann – und darum wollte ich nicht in einer Fernsehsendung schachern. Ich habe ein aus unserer Sicht seriöses Angebot gemacht. Die Investoren schauen natürlich zuerst auf den bisherigen Umsatz statt auf den gesellschaftlichen Wert unserer Lösung, und letzterer ist vielleicht auch in einer TV-Show schwer einzuschätzen. Es war den Löwen zu riskant. Es war aber auch so ein tolles Erlebnis für uns – und uns wurde viel Wertschätzung entgegengebracht.

Wie steht es um die Finanzierung des Start-ups?
In den vergangenen fünf Jahren sind etwa 2,5 Millionen Euro an eigenem Geld und Fördermitteln in den Sturfer geflossen, aber langsam kommen wir an eine Grenze, weil wir noch nicht kostendeckend sind. Wir müssen jede Variante in größeren Losen bestellen – jede Order kostet mich an die 200.000 Euro. Ich sage es so: Ich wäre froh, wenn mich jemand unterstützt, um schnelleres Wachstum zu erreichen.

Und wie steht es um Investoren, wo es in der „Höhle der Löwen“ nicht geklappt hat?
Wir werden einen Investor für dieses wichtige Thema finden. Ein Büromöbelhersteller hat Interesse angemeldet, es seiner Vertriebskonstellation am Ende aber nicht zugetraut, ein Produkt mit therapeutischen Eigenschaften zu verkaufen. Büro- oder Sportgerätehersteller sind ansonsten genauso wie Risikokapitalgeber interessant für uns. Viele der Investoren sehen in uns bis jetzt nur einen Bürostuhl und wollen nicht in eine altmodische Branche investieren – sie suchen nach digitalen Elementen. Sie verkennen bislang den Wert der Lösung für die Volkskrankheit Rückenschmerz. Unsere nächsten Produkte werden aber auch digital sein. Wir wollen ein Exoskelett entwickeln, das sich mit App, Smartwatch und Muskelsensor verbinden lässt. Fördermittel haben wir bereits beim Forschungsministerium beantragt.

In der Sendung rätselten die Investoren zunächst, wie teuer Ihr Stuhl sei – keiner hatte jedoch mit fast 7000 Euro gerechnet.
Das große Ziel war und ist es, das Produkt günstiger zu machen. Seit der Aufzeichnung im Januar haben wir einiges getan. Wir haben vor allem Varianten mit verringertem Funktionsumfang gebaut und so unser Ziel der Preisreduktion erreicht. Jetzt kostet die Vollversion nur noch knapp 5000 Euro und das Einstiegsmodell 1399 Euro.

Immer noch viel Geld. Wer kauft den Sturfer?
Unsere jetzigen Kunden sind Menschen, die bereits länger unter Rückenschmerzen leiden und hoffen, dass es mit dem Sturfer besser wird. Und dann haben wir noch viele sehr sportliche Menschen als Kunden, das hat mich überrascht. Aber die wissen, dass sie mehr Dehnung benötigen, wenn sie mehr Erfolg in ihrer Disziplin haben wollen.

Alltagstipps für einen starken Rücken

Welche Zielgruppe wollen Sie noch überzeugen?
Langfristig soll der Sturfer ein Ersatz des Bürostuhls sein. Wir verbinden hier die Einzelmärkte aus Büromöbel, Fitness- und Lifestyleprodukten zu einem einzigen Markt. Es ist für die Branche aber nicht einfach zu akzeptieren, dass ihre bisherige Denkweise in diese getrennten Kategorien aufgebrochen wird. Für Lifestyleprodukte sind wir – noch – zu teuer. Und ins Sanitätshaus gehört das Produkt definitiv nicht.

Wie soll der Vertrieb jetzt an Fahrt aufnehmen?
Das größte Interesse kommt derzeit aus Asien und dem Nahen Osten. Von dort können wir uns von Anfragen aus Ärzte- und Therapeutennetzwerken kaum retten, weil dort das Bewusstsein für Gesundheit ein ganz anderes ist. In den krankenkassenabhängigen Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz gehen wir daher jetzt einen anderen Weg über ausgewählte Händler und Therapeuten. Physiotherapeuten nutzen den Sturfer in ihrer Praxis, um abgestimmte Übungen für ihre Patienten anzubieten. Bei Kaufempfehlung an ihre zufriedenen Patienten gibt es eine Provision. Wir erreichen so über medizinische Empfehlungen mehr als über den ursprünglich geplanten Handel. Auch mein Youtube-Kanal mit über 27.000 Abonnenten trägt dazu bei.

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Sie sind immer noch in einer Praxis an der deutsch-österreichischen Grenze, unweit von Salzburg, aktiv. Wie balancieren Sie Start-up und Praxis aus?
Ich brauche die Praxiserfahrung für unsere Produkte und bin deshalb 50 Prozent in der Praxis tätig. Wir haben einen technischen Geschäftsführer in Vollzeit. Ich will auch gar nicht das Unternehmen als operativer Geschäftsführer groß machen. Das soll ein Spezialist übernehmen. Ich bin Arzt, ich verstehe viel vom Rücken und möchte meine Erfahrung in die weitere Entwicklung neuer Produkte stecken.

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