Als erster Gründer mit einer geistigen Behinderung trat Louis Kleemeyer in der „Höhle der Löwen“ auf. Kurz nach seiner Geburt erlitt er eine Sauerstoffunterversorgung. Sprechen und Laufen lernen, das meisterte er zunächst mit Verzögerungen. Nun hat der 23-Jährige die Plattform Unique United gegründet, die eine zentrale und barrierefreie Anlaufstelle für Menschen mit Behinderungen sein will – von der Jobbörse über Sport- und Veranstaltungsangebote bis hin zu Urlaubsmöglichkeiten. In der Sendung will er 210.000 Euro erhalten und bietet dafür ein gutes Drittel am Unternehmen an. Keiner der Investoren steigt ein – und doch erhält das Team eine bedeutende finanzielle Unterstützung von zwei der Löwen. Wie es für Unique United nach der Aufzeichnung weiterging, berichtet Kleemeyer im Gespräch.
WirtschaftsWoche: Sie seien kein „klassischer Investorencase“, hieß es direkt zu Beginn von Carsten Maschmeyer. War das eine Enttäuschung?
Louis Kleemeyer: Uns war selbst klar, dass wir kein klassisches Start-up sind, das sein Geschäftsmodell rapide hochskalieren kann. Natürlich können und wollen auch wir wachsen – aber nicht in dem Tempo, wie es andere Unternehmen tun. Aber unser Ziel war es, alle „Löwen“ für unsere Mission zu begeistern. Und das haben wir geschafft.
Am Ende stand ein ungewöhnliches Angebot: Keiner der Investoren wollte sich beteiligen – aber Janna Ensthaler und Carsten Maschmeyer versprachen, für ein Jahr Ihren ersten Mitarbeiter zu finanzieren. Ist es dazu gekommen?
Wir haben uns direkt im Anschluss an die Aufzeichnung zusammengesetzt und besprochen, wie das funktionieren kann. Am Ende haben wir das entsprechende Geld als Unterstützung erhalten, weil wir auch eine gemeinnützige Unternehmergesellschaft sind. Dank der finanziellen Förderung konnten wir drei Mitarbeiter einstellen, die sich heute um verschiedene Aufgaben kümmern. Unter anderem ist eine Kollegin an Bord, die die Perspektive von Menschen mit einer körperlichen Behinderung einbringt.
Zum Zeitpunkt der Aufzeichnung standen Sie noch am Anfang. Wie soll Unique United denn nun Geld verdienen?
Zunächst einmal sind wir eine Plattform, auf der wir Unternehmen verschiedene Pakete anbieten, um die gewünschten Nutzer zu erreichen. Im Bereich der Jobs sind wir damit so etwas wie Stepstone für Menschen mit Behinderung. Ähnliches gilt für Reisen oder Veranstaltungen. Dazu kommt, dass wir die Unternehmen auf Wunsch auch coachen. Dann nehmen wir sie an die Hand und helfen ihnen, sich inklusiv aufzustellen. Das reicht von der Formulierung der Stellenangebote über die Barrierefreiheit der Webseite bis zur Betreuung des Teams. Damit wir den Mitarbeitern die Unsicherheit nehmen können, wenn sie Bewerbern mit einer Behinderung gegenübersitzen.
Lesen Sie auch: Wieso ADHSler außergewöhnlich gute Führungskräfte sein können
Wie läuft das bislang?
Der Anfang war nicht so einfach. Wir haben gelernt: Man muss mit kleinen konkreten Schritten anfangen. Bei Inklusion verliert man ansonsten schnell den Überblick, wo das Thema anfängt und wo es aufhört. Darum haben wir mit einem engen Fokus begonnen. Dabei suchen wir uns ein oder zwei Partnerunternehmen, die einen Bereich nutzen wollen und bauen ihn dann aus. Mittlerweile melden sich Unternehmen von sich aus bei uns, die etwa Hilfe bei der Erstellung von Stellenanzeigen benötigen. Das ist ein großer Schritt.
Warum entdecken die Firmen denn das Thema Inklusion für sich?
Die Motivation der Unternehmen unterscheidet sich natürlich. Einige sind aktiv interessiert am Thema Inklusion. Es gibt aber Firmen, denen das weniger wichtig ist – denen aber zunehmend die Leute fehlen. Wenn wir denen erklären, dass aus unser Zielgruppe allein in Deutschland fünf Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren sind und davon nur zwei Millionen auf dem ersten Arbeitsmarkt aktiv sind, dann ändert sich das. Drei Millionen zusätzliche Menschen zu erreichen und anzusprechen, das ist ein enormes Potenzial. Dieses Argument zieht auch, wenn es um Reiseangebote oder Veranstaltungen geht.
Wenn es um Nachhaltigkeit geht, erwischt man manche Unternehmen beim „Greenwashing“. Droht die Gefahr auch beim Thema Inklusion?
Es ist tatsächlich ähnlich wie bei der Nachhaltigkeit, wo man zunächst vieles auch vortäuschen konnte. Es kommen aber bei der Inklusion ebenfalls immer mehr Pflichten auf die Unternehmen zu – man wird sich also aktiver mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Aber langfristig muss Inklusion natürlich im Unternehmen verankert sein, sonst fehlt da was. Wir prüfen alle Angebote, bevor sie auf unsere Homepage kommen – und kennzeichnen, für welche Arten von Behinderungen sie tatsächlich geeignet sind. Manchmal müssen wir auch ablehnen und sagen: Sorry, du bist noch nicht den Schritt zur Inklusion gegangen.
Lesen Sie auch: Aus Ölmultis werden keine Aktivisten mehr
Profitieren Sie von dem zunehmenden regulatorischen Druck?
Mitte 2025 tritt in Deutschland eine neue Richtlinie in Kraft, die Unternehmen vorschreibt, barrierefreie Webseiten und Apps anzubieten. Das bedeutet beispielsweise, dass alle Bilder auch mit einem sogenannten Alt-Text versehen sein müssen, damit sie Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. Da helfen wir dabei, die Seiten zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Welche langfristigen Pläne haben Sie für Ihre Plattform?
Eine Möglichkeit wäre es etwa, in Zukunft eine Förderberatung für Unternehmen anzubieten – auch für die, die es sich vielleicht sonst nicht leisten könnten. Erst einmal geht es aber darum, bis Ende des nächsten Jahres ganz Deutschland abdecken zu können. Dann wollen wir uns weiter im deutschen Sprachraum vortasten – ein paar Anfragen aus der Schweiz haben wir bereits. Und unser Name „Unique United“ zeigt ja bereits: Inklusion ist ein weltweites Thema.
Lesen Sie auch: Das Einmaleins kompetenzbasierter Mitarbeitergewinnung