Höhle der Löwen: Hey Circle „Wollten unser Licht nicht unter den Scheffel stellen“ – diese Gründer schlugen den Löwen-Deal aus

Keine Investoren für die Mehrwegversandboxen: Die Hey-Circle-Gründer (von links) Doris Diebold und Morris Kurz. Foto: RTL / Frank W. Hempel Quelle: PR

Das Start-up Hey Circle will Mehrwegversandverpackungen als nachhaltigere Option etablieren. In der TV-Show sind die Verhandlungen mit Investorin Janna Ensthaler gescheitert. Wie ging es für die Gründer weiter?

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Keine sperrigen Kartons, sondern faltbare Versandtaschen und -boxen aus wiederverwertbaren Kunststoffen: Mit diesen Produkten warben Doris Diebold und Morris Kurz in der „Höhle der Löwen“ um Investoren. Sie wollen ihre Mehrwegverpackungen unter dem Namen Hey Circle an Händler vermieten und verlangen ein nachgelagertes Pfand von Paketempfängern, wenn die Boxen nicht zurückgeschickt werden. Die Investoren haben sich neugierig das Modell angesehen, sind jedoch von der hohen Bewertung abgeschreckt: Diebold und Kurz wollten zehn Prozent Anteile gegen 550.000 Euro tauschen. Janna Ensthaler platziert ein Gegenangebot – doch die Gründer lehnten ab. Und nun?

Investorin Ensthaler wollte 25 Prozent an Ihrem Start-up, Sie wollten maximal 12,5 Prozent abgeben. Ärgert es Sie, dass kein Deal zustande kam?
Doris Diebold: Janna Ensthaler wäre unsere Favoritin gewesen, weil sie ja intensiv in Start-ups mit nachhaltigem Fokus investiert. Es hat uns sehr gefreut, dass sie uns ein Angebot gemacht hat. Es war eine schwierige Entscheidung für uns, aber wir wollten unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. In der Kombination aus dem riesigen Marktpotenzial, abgeschlossenen und potenziellen Verträgen, drei erteilten Patenten sowie unserer IT-Plattform glauben wir nach wie vor, dass unsere Bewertung damals angemessen war.

Bei der Aufzeichnung im Januar vermeldeten Sie 31.000 Euro Umsatz für das vergangene Jahr. Was hat sich seitdem getan?
Diebold: Gerade auf Kundenseite ist viel passiert. Die Österreichische Post hat 40.000 Versandtaschen bei uns bestellt, die gerade produziert werden. Wir führen beispielsweise Testläufe mit Trigema und DPD durch. Insgesamt haben wir jetzt an die 30 Kunden, die unsere Produkte einsetzen. Darunter Lebensmittellieferdienste, Elektronikhändler, Modeshops – alles ist mit dabei. Wir entwickeln gerade noch eine weitere Box, die doppelt groß ist wie die bislang größte. Die ist super für die Intralogistik oder auch, um gekühlte Lebensmittel zu versenden.
Morris Kurz: Außerdem haben wir unsere IT-Plattform in der Zeit fertiggestellt, die eine einfache Anbindung an bekannte Shopsysteme ermöglicht. Das war ein riesiger Schritt für uns, weil wir uns nun für die Handelskunden um die gesamte Nachverfolgung kümmern können.

Was bedeutet das in der Praxis?
Kurz: Bei unserem nachgelagerten Pfandsystem wird die Zahlung nur fällig, wenn die Box oder Tasche nicht zurückgesendet wird. So können wir mit Fristen für den Rückversand arbeiten und Erinnerungen verschicken. Der Pfandbetrag ist so gewählt, dass die Verpackungen zu 98 Prozent zurückgesendet werden. Und das steigert die Nachhaltigkeit des Modells, wenn die Boxen und Taschen nicht fünf Mal, sondern bis zu 50 Mal wiederverwendet werden.

Die Logistikketten im E-Commerce sind routinierte Standardprozesse. Wieso sollte da überhaupt Platz sein für ein neues Mehrwegsystem?
Diebold: Es herrscht eine große Nachfrage von Endkundinnen und Endkunden nach nachhaltigen Lösungen. Sie beschäftigen sich intensiv mit Verpackungen und dessen Material. Viele Online-Händler haben schon mal einen kleinen Shitstorm abbekommen, weil da irgendwas nicht passte. Und zudem haben viele Händler eigene Nachhaltigkeitsziele formuliert, bei denen es um Reduktionen der Kohlendioxidemissionen oder eine Verringerung von Verpackungsmüll geht.
Kurz: Und dann ist da noch die Rechtslage: Auf EU-Ebene werden aktuell die Rahmenbedingungen einer neuen Verpackungsrichtlinie diskutiert – im kommenden Jahr könnte es dazu eine Einigung geben. In den aktuellen Entwürfen stehen Pläne, dass bereits bis 2030 zehn Prozent der Transportverpackungen im Online-Handel wiederverwendbar sein müssen, bis 2040 sogar 50 Prozent. Für größere Unternehmen, die viele Prozesse umstellen müssen, ist das eine sehr kurze Zeitspanne. Daher bekommen wir gerade viele Anfragen.

Und wie lange dauert es dann, bis Ihre Boxen auf die Reise gehen?
Diebold: Einige unserer Kunden verwenden die Mehrwegversandverpackungen in der Intralogistik zwischen ihren Standorten. Da können Taschen und Boxen quasi nach dem ersten Verkaufsgespräch rausgehen. Viele Händler wollen sich jedoch erst einmal an das Thema herantasten. Sie fangen beispielsweise damit an, zunächst ihre Filialen mit den Verpackungen zu beliefern, um erste Erfahrungen zu sammeln. Dann weiten sie das auf den Versand an ihre Kunden aus. So können die Anlaufzeiten zwischen wenigen Wochen und einem Jahr variieren.

Das Paket kommt – und die Verpackung muss zurückgeschickt werden. Ist das nicht zu viel Aufwand für die Empfänger der Boxen?
Diebold: Für viele Verbraucherinnen und Verbraucher ist die Handhabung in der Praxis kein so großer Unterschied, man kennt das Zurückschicken etwa von Retoursendungen. Zudem haben sich die Nutzer ja bewusst im Webshop für diese Methode entschieden. Und die kleinsten unserer Modelle lassen sich sogar einfach über den Einwurf in einen Briefkasten zurückschicken.

Und das ist bequem genug für Verbraucher?
Kurz: Wir wollen die Rückgabe im Handel ermöglichen und dafür das Retourennetzwerk ausbauen. Wir sind mit Partnern im Gespräch, die Tausende von Filialen haben – in denen könnten Rücknahmestellen entstehen. Das wäre das Ziel, dass es an Orten umsetzbar ist, die man heute bereits für den täglichen Bedarf aufsucht. Mehrwegversandverpackungen sollen das werden, was heute das Flaschenpfand ist.

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Und wie soll Hey Circle weiterwachsen?
Diebold: Als wir bei der Aufzeichnung für die „Höhle der Löwen“ waren, waren wir eigentlich noch nicht dabei, uns um eine Finanzierungsrunde zu kümmern. Aber wir haben die Chance genutzt und begonnen, uns nach Investoren umzuschauen. Jetzt sind wir damit auf der Zielgeraden. Das Interesse vieler Geldgeber an dem Thema ist groß. Und die Gespräche mit namhaften Kunden sind so fortgeschritten, dass man hier auch auf die Erfolgsmeldungen warten kann. Die Bühne ist frei für Mehrwegversandverpackungen.


Lesen Sie auch das Interview zur vorigen Folge „Die Höhle der Löwen“: myMonsi-Gründer: „Ich will nicht irgendwann bereuen, es nie probiert zu haben“

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