Das ist passiert
Die Staatsanwältin Anne Brorhilker hat um ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gebeten. Seit elf Jahren hat sie in den Cum-Ex-Fällen, dem größten Steuerskandals der Bundesrepublik, ermittelt. Etwa 120 Ermittlungsverfahren gegen 1700 Beschuldigte hatte sie eingeleitet. Zuletzt fehlte ihr dabei aber zunehmend die Unterstützung: So wollte Benjamin Limbach, grüner Justizminister von Nordrhein-Westfalen, das Team der Staatsanwältin halbieren und einen weiteren Cum-Ex-Verfolger neben ihr installieren. Anne Brorhilker begründete ihren Wechsel zu der Bürgerbewegung Finanzwende auch damit, dass die Politik ihr bei der Aufklärung des Cum-Ex-Skandals nicht den Rücken gestärkt habe.
Das können Sie daraus lernen
1. Die Witterung der Vorgesetzten aufnehmen
Wenn Chefs die Kompetenzen oder das Personal untergeordneter Führungskräfte beschneiden, deutet sich das meist früh an, sagt Hanns-Ferdinand Müller, der Topmanager coacht. Er rät ihnen, die Nähe zu den Entscheidern im Unternehmen zu suchen, um rechtzeitig mitzubekommen, wenn sich der Wind dreht. „Sie sollten auf Zwischentöne achten“, sagt Müller. Auch bei den Managern derselben Ebene und deren Vorgesetzten.
Ein erstes Anzeichen: Die Leute reden um den heißen Brei herum. „Man muss es spüren, wenn der Chef plötzlich etwas Neues will – und sollte dies auch mit Nachfragen versuchen auszuloten“, rät Müller.
Ähnlich wie in der Politik gibt es auch in Unternehmen nicht nur Sachebenen, es gehe auch dort emotional zu.
Schneller schlau: Cum-ex-Geschäfte
Bei den auch „Dividendenstripping“ genannten Geschäften geht es um den raschen Kauf und Verkauf von Aktien rund um den Dividendenstichtag, um Kapitalertragssteuern mehrfach vom Fiskus erstattet zu bekommen. Am Tag vor der Dividendenzahlung ist diese im Aktienkurs mit eingepreist. An der Börse spricht man von einem Kurs „cum Dividende“.
Am Tag nach der Ausschüttung, in der Regel einen Tag nach Hauptversammlung, die die Dividendenzahlung beschließt, ziehen die Börsenbetreiber die Dividende vom Kurs ab, das heißt die Aktie wird „ex Dividende“ gehandelt. Von Banken bekamen die Aktienkäufer und -verkäufer eine Bestätigung, die Kapitalertragsteuer abgeführt zu haben, was sie beim Fiskus mehrfach steuerlich geltend machten - obwohl sie so nicht gezahlt hatten.
Ein Beispiel: Die Banken verkaufen die Aktien leer an einem „cum“-Tag, müssen sie aber wegen der Börsenregelungen erst nach zwei Tagen an den Käufer liefern. Sie beschaffen sich die Papiere also nach dem Dividendenstichtag zum „ex“-Preis – also ohne Dividende – von einem Dritten und liefern diese Aktien an den Käufer. Dabei parallel abgeschlossene Kurssicherungsgeschäfte, die Risiken ausschließen, sichern den Gewinn aus der Transaktion.
Papiere werden rund um den Dividendenstichtag – meist der Tag der Hauptversammlung – schnell hintereinander ge- und wieder verkauft. Leerverkäufer verdienen, wenn der Aktienkurs bis zum Liefertermin gefallen ist und sie so die Aktien billiger kaufen können, als sie sie verkauft haben.
Generell wird auf die gezahlte Dividende Kapitalertragssteuer fällig. Im geschilderten Konstrukt ließen sich sowohl der Käufer als auch der jeweilige Dritte, von dem sich die Banken die Aktien beschafft hatten, die Kapitalertragsteuer vom Finanzamt erstatten. Die Finanzämter zahlten so mehr Steuern zurück, als sie zuvor eingenommen hatten.
Im Wesentlichen nutzten Banken und Profianleger wie Fonds oder Börsenhändler den Steuertrick mittels Dividendenstripping.
Für Privatanleger sind Cum-ex-Geschäfte zu aufwendig, zumal es sich bei kleinen Anlagesummen kaum rechnet. Sie hätten nur geringe bis keine Chancen gehabt, an solchen Deals zu verdienen.
Banken und Investoren nutzten bestimmte Eigenheiten der Abwicklungssysteme an den Börsen, aber auch steuerrechtliche Besonderheiten – und das offensichtlich über Jahre hinweg und mit Wissen von Bund, Ländern und Finanzbehörden. So erklärte der Bundesfinanzhof das Dividendenstripping bereits in einem Urteil aus dem Jahr 1999 für grundsätzlich rechtens. Geschlossen wurde das Schlupfloch aber erst 2012 durch eine Neuregelung der Nachweispflichten.
2. Taktisch kündigen
Wer die Rückendeckung des Vorgesetzten verloren hat, kann gerade einen heiklen Job wie ihn Brorhilker hatte, nicht mehr gut machen. Arbeitsrechtler Sebastian Frahm von der Kanzlei Frahm Kuckuk rät in solchen Fällen, dass Manager daraus Konsequenzen ziehen – und kündigen. Allerdings mit einer langen Kündigungsfrist. Jeder – auch Manager – können diese frei wählen – und dann auch zwei Jahre oder sogar fünf Jahre ansetzen, jedenfalls wenn sie keinen befristeten Vertrag haben. „Man zeigt damit, dass in der Zeit auch nicht mehr mit einem zu rechnen ist“, erläutert Frahm. Und kalkuliert, dass der Arbeitgeber einen daraufhin freistellt.
3. Den Exit geschickt verhandeln – und auf die Suche gehen
Anders als Brorhilker, die Beamtin auf Lebenszeit war, können Manager beim Austritt aus dem Unternehmen eine Abfindung aushandeln. Der Rechtsanwalt eines deutlich gedemütigten und freigestellten Managers habe gute Argumente gegenüber dem Unternehmen, um eine Abfindung von zwei Jahresgehältern oder gar mehr durchzusetzen, so Frahms Erfahrung: etwa, dass das Unternehmen selbst die Ursache für die Kündigung geschaffen hat – und sein Mandant sich nichts hat zuschulden kommen lassen.
Sobald die Freistellung des Managers erfolgt ist, kann er sich auf allen Kanälen überall bewerben, betont Frahm. Zuvor sollte er sich lieber nur auf „kleiner Flamme“ bei Unternehmen bewerben, seine Netzwerke in Anspruch nehmen oder Headhunter ansprechen.
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