Erwin Müller So stehen die Erfolgschancen der drei Adoptiv-„Kinder“ aufs Drogerie-Erbe

Ulm: Die Unternehmergattin Anita Müller sitzt im Landgericht. Drei erwachsene Adoptivkinder des Unternehmers Erwin Müller klagen auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Pflichtteilsverzichtvertrages in Bezug auf ein mögliches Erbe. Quelle: Stefan Puchner dpa

Wie die Chancen der gekränkten Adoptivkinder bei ihrem Gerichtsstreit um das Millionenerbe des Drogeriemarktgründers Erwin Müller stehen, loten Erbrechtler aus. Bislang hatten solche Klagen nur selten Erfolg.

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„Eine Adoption von drei erwachsenen Personen gleichzeitig ist ein seltenes Unterfangen“, sagt Klaus-Dieter Rose, Erbrechtler bei Menold Bezler. Und dass diese im Nachhinein die hierbei getroffenen Vereinbarungen wieder anfechten, auch. Im Fall von Erwin Müller, dem Gründer der gleichnamigen Drogeriemarktkette mit einem geschätzten Vermögen von 2,5 Milliarden Euro, geschah genau das. Der 91-Jährige beantragte vor knapp acht Jahren beim Amtsgericht Ulm die Adoption von drei Jagdfreunden: Andreas J., 64, seiner Frau Stefanie, 41, und dessen Bruder Albin, 58.

Die Situation mutet skurril an. Zumal: „Manchmal lassen die Gerichte Adoptionen von Erwachsenen gar nicht zu, wenn sie andere Gründe als eine Familienzusammenführung wittern“, erzählt Rose. So erging es nämlich Kaffeekönig Albert Darboven, als er vor sechs Jahren den Mitbewerber Andreas Jacobs adoptieren wollte – und beim Amtsgericht damit abblitzte. Auch er lag im Clinch mit seinem leiblichen Sohn. 

Adoptionen von Erwachsenen sollen nicht für Steuersparmodelle missbraucht werden oder um ein Bleiberecht für Ausländer zu erreichen, sagt Jurist Rose. Ebenso wenig, um sich der Pflegeverpflichtung gegenüber seinen Eltern zu entziehen, zählt der Erbrechtsexperte auf. Ganz abgesehen davon, dass bei Erwachsenenadoptionen die Verwandtschaft zu den eigenen leiblichen Eltern weiterhin bestehen bleibt – neben den neuen Adoptiveltern.

Vor fast zehn Jahren hat der Ulmer Unternehmer Erwin Müller drei Jagdfreunde adoptiert. Sie hatten ursprünglich auf ihren Pflichtteil beim Erbe verzichtet – jetzt ziehen sie dagegen vor Gericht. 
von Henryk Hielscher

Erwachsenenadoptionen sind gar nicht so selten

Viele Erwachsenenadoptionen geschehen zwischen Verwandten wie Onkel und Neffe – so erging es auch Albert Darboven selbst mit seinem Onkel – oder dann, wenn jemand kinderlos ist. „Aber dass jemand, der ein eigenes Kind hat, drei familienfremde, erwachsene Menschen adoptiert, habe ich in 30 Jahren als Anwalt noch nicht erlebt,“ sagt Christoph Meyer, Erbrechtsanwalt bei SKW Schwarz. „Dass Erwachsene adoptiert werden, geschieht oft, um einerseits eines Tages Erbschaftsteuern zu sparen und die Freibeträge innerhalb der neuen Familienbande zu nutzen.“

So eine Adoption von Erwachsenen kann aber eben auch eine Strategie von Menschen sein, um eigene, leibliche Kinder abzustrafen, ordnet Rose ein. Sehr häufig ist der Fall nicht, aber eine Taktik, die Erbrechtler gleich erkennen. Die geschieht, „um die Pflichtteilsansprüche ihrer leiblichen Kinder zu verringern, wenn die bei ihnen in Ungnade gefallen sind“, erklärt Meyer die Gefechtslage.

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Als Erstes enterben sie diese, sodass ihnen nur ihr Pflichtteilsanspruch bleibt. Der beträgt die Hälfte von ihrem gesetzlichen Erbteil – mit der Besonderheit, dass sie den Betrag dann sofort von den anderen Erben verlangen können. Das kann ein Familienunternehmen gefährden, wenn das Erbe dafür nicht genug andere liquide Mittel zur Verfügung hat. „Zumal Banken den Erben Zahlungen wegen solcher Forderungen üblicherweise nicht finanzieren“, weiß Erbrechtler Meyer.

Nach der zweiten Hochzeit setzte Vater Müller den Sohn ab

Im Fall von Erwin Müller könnte dieser Pflichtteilsanspruch immer noch mehrere hundert Millionen Euro betragen, schätzt Erbrechtsexperte Rose. „Doch verkleinert sich der Pflichtteilsanspruch von einem Viertel auf nur noch ein Sechszehntel, macht das viel aus“, vergleicht der Anwalt.

So lief es wohl auch bei Drogeriemarktgründer Müller. Sein Sohn Reinhard arbeitete mehrere Jahre bis Juli 2006 in seinem Unternehmen als zweiter Geschäftsführer. Doch der Vater setzte den Sohn nach einem Zerwürfnis gerade mal einen Monat nach seiner Hochzeit mit seiner zweiten Ehefrau ab, der 25 Jahre jüngeren Anita. Der Sohn besaß jedoch noch immer 35 Prozent der Unternehmensanteile – bis zur Adoption der drei Jagdfreunde. Als die geschah, ließ er sich laut „Lebensmittelzeitung“ gegen eine dreistellige Millionenzahlung aus dem Konzern drängen. Wohl, um nicht weiter zusehen zu müssen, wie der Vater seinen Pflichtteil schmälere.

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Doch bei solchen Gemengelagen kommt es immer wieder auf allen Seiten zu enttäuschten Hoffnungen und Erwartungen, beobachtet Rose. Seit knapp zwei Jahren sollen sich die Adoptivkinder nach vielen gemeinsamen Jagdurlauben abserviert fühlen. Ihr Indiz: Die Tischordnung an Müllers 90. Geburtstag verwies sie vom Familientisch weg – weshalb sie sich nunmehr ausgenutzt vorkommen sollen. Quasi von Erwin Müller nur als Mittel zum Zweck eingesetzt, um dessen leiblichen Sohn Reinhard abzudrängen. Denn zwar hatten die drei adoptierten Jagdfreunde auf ihren gesetzlichen Pflichtteil an Müllers Erbe verzichtet und sollten stattdessen wohl eine Summe von 500 Millionen Euro bekommen – doch ob die gezahlt wurden oder doch nur Darlehen waren, all das soll der nun beginnende Prozess um den angefochtenen Erbverzicht der drei nun ans Tageslicht bringen. Jede Partei soll bereits Schriftsätze mit über 100 Seiten eingereicht haben.

Pflichtteilsverzichtsverträge sind gang und gäbe

Solche Pflichtteilsverzichtsverträge sind gang und gäbe, erklärt Rose: Üblich seien die in Eheverträgen von Unternehmerkindern gleich aus mehreren Gründen: Damit die Firma einerseits in der Kernfamilie bleiben soll. Damit Erbschaftssteuervorteile erhalten bleiben. Und damit die Firma an die nächste Familiengeneration übergeht, beschreibt der Stuttgarter die übliche Interessenlage.

Obendrein sollen die anderen Erben nicht in die Situation geraten, dass sie die Firma oder Teile davon verkaufen müssen, weil ein angeheirateter Ehepartner eines Kindes plötzlich sein Erbteil ausbezahlt verlangt. „Dann verzichtet der Einheiratende auf seinen Pflichtteil – mal mit, mal ohne einen Ausgleich“, sagt Rose. Im Alltag kämen alle möglichen Spielarten vor. Ein Verzicht ist auch auf das gesamte Vermögen möglich, stattdessen machten insbesondere Unternehmer ihren Kindern dann oft ersatzweise Geldvermächtnisse.

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Ob die Klage der drei Adoptierten in Ulm Aussicht auf Erfolg hat, da sind Erbrechtler skeptisch. Auch die Richter ließen das gleich am ersten Tag durchblicken. „Tendenziell klappen Anfechtungsklagen nur selten“, weiß Anwalt Meyer. Möglich sind sie bei Irrtümern, arglistiger Täuschung oder einem Wegfall der Geschäftsgrundlage, zählt Rose auf. Oft sei die Anfechtungsfrist von höchstens zehn Jahren dann, wenn alle enttäuscht sind über Erwartungen, die nicht eintraten, aber ohnehin bereits abgelaufen.

Solche Pannen sind in Bayern nicht zu erwarten

Der Anwalt der Jagdfreunde, Maximilian Ott aus München, beruft sich einerseits auf Formfehler. Doch daran mag Erbrechtler Meyer kaum glauben. Verzichtsvereinbarungen müssen von einem Notar beglaubigt werden, um wirksam zu sein. Dass aber bayerischen Notaren Formfehler unterlaufen, die eine solche Vereinbarung kippen könnten, hält er für unwahrscheinlich. Anders als in manch anderem Bundesland – wo Notare gleichzeitig als Anwälte ihr Brot verdienen und deshalb unter Insidern als weniger versiert gelten – sind solche Pannen in Bayern nicht zu erwarten, glaubt Meyer.

Branchenbeobachter gehen davon aus, dass die Jagdfreunde vor dem Ulmer Gericht wenig Aussicht auf Erfolg haben dürften. Die Verträge sollten bei solchen Dimensionen, wenn es um dreistellige Millionenbeträge und mehr geht, hochspezialisierte Experten, die ihr Handwerk verstehen, verfasst haben – und zwar wasserdicht.

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Beruft sich Ott für die Jagdfreunde bei seiner Anfechtung dagegen auf Sittenwidrigkeit, können sie zumindest nicht wegen Verjährung abblitzen: „Bei Sittenwidrigkeit gibt es gar keine Frist, denn der Vertrag ist juristisch gesehen von Anfang an nichtig und bleibt es auch,“ ordnet Meyer ein. Viele Anwälte würden da ihre Mandanten in Prozesse hetzen, die keine Aussicht auf Erfolg hätten. Sie probieren es deshalb einfach mal.

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