Familienunternehmen „Es gibt immer noch Geschäftsführungen, in denen zehn Männer sitzen“

Männer dominieren die Chefetagen von Familienunternehmen Quelle: imago images

Männer rekrutieren gerne andere Männer mit demselben Hintergrund – unter anderem deshalb sind die Chefetagen in Familienunternehmen immer noch wenig divers. Schafft der anstehende Generationenwechsel Abhilfe?

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Sind Sie ein Mann, heißen Sie Stefan und sind 1969 geboren? Herzlichen Glückwunsch, dann haben Sie sehr hohe Chancen, bald in der Geschäftsführung eines der hundert größten Familienunternehmen Deutschlands zu sitzen. Das könnte man zumindest meinen, wenn man sich die Merkmale eines durchschnittlichen Geschäftsführungsmitglieds anschaut.

Denn noch immer sind die Chefetagen der deutschen Familienunternehmen alles andere als divers, wie die Stiftung AllBright in ihrem Frühjahrsbericht auswertet. Am 1. März 2024 arbeiteten in den Geschäftsführungen der 100 größten deutschen Familienunternehmen 397 Männer und nur 57 Frauen.

Zwar ist der Frauenanteil in Familienunternehmen in den vergangenen zwei Jahren um vier Prozent gestiegen, trotzdem liegt er aktuell bei lediglich 12,4 Prozent und ist damit immer noch deutlich geringer als bei den 160 Börsenunternehmen, die auf 19 Prozent kommen. Bei den 40 großen Dax-Konzernen ist der Frauenanteil in den Vorständen mit 23,7 Prozent sogar nahezu doppelt so hoch wie in den Familienunternehmen.



Unternehmen wie Fressnapf und der drittgrößte deutsche Arbeitgeber Schwarz Gruppe, zu dem Supermärkte wie Lidl und Kaufland gehören, versammeln seit Jahrzehnten neun bis zehn Männer in ihren Geschäftsführungsteams. Bei den 100 größten Familienunternehmen gibt es insgesamt noch zehn Geschäftsführungen mit mindestens sechs Personen ohne eine einzige Frau.



Während die 160 an der Frankfurter Börse notierten Unternehmen schon seit einigen Jahren deutlich mehr Frauen in ihre Vorstände berufen, ist bei den Familienunternehmen erst in den vergangenen zwei Jahren etwas Bewegung in die Rekrutierung von Frauen gekommen. Außerdem steht fast die Hälfte der großen deutschen Familienunternehmen vor einem Generationenwechsel. Die Babyboomer gehen in Rente und übergeben die Führung – und haben nun die Chance, für mehr Diversität in ihren Unternehmen zu sorgen. „Es entsteht der Eindruck, die Familienunternehmen erwachen langsam aus einem kollektiven Dornröschenschlaf. Bei unserer Untersuchung vor zwei Jahren hatte sich wirklich gar nichts getan, jetzt sind wir immerhin weg vom Stillstand“, sagt Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der AllBright-Stiftung. „Familienunternehmen müssen sich wegen des Generationswechsels jetzt nach neuen Verantwortlichen umsehen und eine zukunftsfähige, moderne Führung etablieren – so eine Führung ist 2024 ohne Frauen nicht mehr vorstellbar.“

Fast die Hälfte der 100 größten Familienunternehmen hat nun mindestens eine Frau in der Geschäftsführung, im Jahr 2022 waren es noch 32. Von diesen 47 Unternehmen haben sechs auch noch eine zweite Frau in der Geschäftsführung. Das Pharmaunternehmen B. Braun Melsungen und das für seine Motorsägen bekannte Unternehmen Stihl waren am 1. März 2024 die einzigen Unternehmen mit je drei Frauen in der Chefetage.

Woher kommen die Männerclubs in Familienunternehmen?

Anders als in Börsenunternehmen geben in den Familien oft über eine ganze Generation hinweg dieselben Personen den strategischen Ton an. „Familienunternehmen denken in Generationen, nicht in Quartalen“, sagt Ankersen. In den typischen Börsenunternehmen ist es selten, dass Personen das Unternehmen über einen so langen Zeitraum prägen.

Außerdem stehen Familienunternehmen weniger im Licht der Öffentlichkeit, die börsennotierten Unternehmen hingegen unterliegen einer ziemlich strengen Transparenzpflicht und müssen ihre strategischen Entscheidungen gut begründen. „Bei Familienunternehmen reden keine anderen Stakeholder mit, die strategischen Entscheidungen beruhen ganz und gar auf den Werten und Prioritäten der Familie“, erklärt Ankersen, „und wenn die Gesellschafterfamilie Chancengleichheit und Vielfalt in der Führung nicht als Wert für das Unternehmen erkennt, dann gibt es eben auch kein Korrektiv und keinen, der den Patriarchen beiseitenimmt und sagt, ihr müsst hier aktiv werden“.

Stefan rekrutiert Stefan

Ein weiteres Problem ist, dass der typische CEO dazu neigt, Personen zu fördern, die ihm sehr ähnlich sind. Das bedeutet, dass bestehende Muster weiter reproduziert werden. Familienunternehmen finden die meisten neu berufenen männlichen Geschäftsführungsmitglieder im eigenen Unternehmen. In diesem Kreislauf setzen Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzende bevorzugt auf jüngere Kopien ihrer selbst: überwiegend in Westdeutschland sozialisierte Männer. Denn es mangelt nicht nur an geschlechtlicher Diversität. Nur ein Prozent der neuen Geschäftsführungsmitglieder wurden in Ostdeutschland ausgebildet, in den Börsenunternehmen sind es immerhin sechs Prozent.



Wiebke Ankersen befürwortet eine interne Frauenquote in Familienunternehmen, um sich diesem Problem zu stellen. „Familienunternehmen sollten sich selbst ambitionierte Ziele setzen, um schnell voranzukommen“, sagt die AllBright-Geschäftsführerin. Es gibt sogar schon Vorbilder: Henkel und der Duisburger Traditionskonzern Haniel haben sich beispielsweise vorgenommen, bis 2025 50 Prozent Frauen in Führungspositionen zu haben. Nur so verlieren Familienunternehmen nicht das Wettrennen um geeignetes Personal. „Familienunternehmen sind attraktive Arbeitgebende, die mit den börsennotierten Unternehmen konkurrieren – auch um Führungspersonal.“

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