Influencer vor Gericht Kann man Ron Bielecki Werbung für illegales Glücksspiel nachweisen?

Ron Bielecki muss sich wegen fragwürdiger Werbedeals vor Gericht verantworten. Quelle: Imago

Ein umstrittener YouTuber soll in Videostreams illegales Glücksspiel betrieben und dafür geworben haben. Der erste Verhandlungstermin vor Gericht platzte. Jetzt will die Staatsanwaltschaft neue Beweise vorlegen.

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20 Minuten dauerte der Auftritt vor Gericht. Ron Bielecki, 25-jähriger Influencer, soll zwischen Oktober 2021 und Mai 2022 in seinen Streams auf der Plattform Twitch, auf der ihm 145.000 Menschen folgen, für illegales Glücksspiel geworben und daran teilgenommen haben. Am ersten Prozesstag im vergangenen Herbst überrumpelte sein Verteidiger die Staatsanwaltschaft: Bielecki sei nicht der Betreiber der Plattformen, auf denen die Aufzeichnungen der Streams hochgeladen worden seien; die Werbung sei nachträglich in die Videos hineinmanipuliert worden, ohne Wissen seines Mandanten.

Die Staatsanwaltschaft sah sich gezwungen, erneut in die Beweisaufnahme zu gehen. Bieleckis Verteidiger sah dafür keinen Grund: Die Staatsanwältin könne „die halbe Welt“ befragen – „die können nur sagen, dass sie ihn gesehen haben, aber nicht, wer die Videos hochgeladen hat“.

Das Gericht vertagte trotzdem. Noch ist unklar, was aus dem Strafbefehl gegen Bielecki wird, über den die „WirtschaftsWoche“ vor gut einem Jahr exklusiv berichtet hatte. Der hätte es in sich: Die Staatsanwaltschaft fordert 480.000 Euro von Bielecki. Weil dieser Einspruch einlegte, kam es zur mündlichen Verhandlung.

Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte 2022 Ermittlungen gegen den „YouTuber und Entertainer“ aufgenommen. So bezeichnete Bielecki vor Gericht seinen Beruf. In den sozialen Medien wurde er mit einem Ritual bekannt, das er „den Tornado zünden“ nennt. Dabei dreht er eine Flasche mehrfach im Kreis und trinkt sie anschließend in einem Schluck aus.

Nur ein Prozent der Glücksspielanbieter legal

Sein Geld verdient der 25-Jährige mit Klamotten, Werbung und Streams, in denen er sich beim Online-Glücksspiel filmt. Er veröffentlichte mehrere Beiträge, wie er in dem virtuellen Casino Stake teilweise Tausende Euro verspielt. Mehrere dieser Clips sind mit Hinweisen wie „Anzeige“ oder „Werbung“ gekennzeichnet. Stake hatte jedoch keine Erlaubnis, in Deutschland Glücksspiel anzubieten, wie die „WirtschaftsWoche“ berichtete. Eine solche Genehmigung können Firmen mit Sitz außerhalb Europas nicht bekommen. Das Unternehmen hinter Stake hat seinen Sitz auf der Karibikinsel Curacao.

Der Essener Strafverteidiger Sinan Akcakaya, der auch Influencer vertritt und sich mit Glücksspiel beschäftigt, geht davon aus, dass 99 Prozent der Glücksspielanbieter in Deutschland illegal sind. Das müssten die Streamer berücksichtigen. Zwischen 6 und 21 Uhr ist auch Werbung für legale Anbieter verboten. „Als Influencer muss ich genau aufpassen, für wen ich wie und wann werbe.“

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Verstöße gibt es immer wieder. „Da wird auf dem Rücken von Minderjährigen und Spielsüchtigen viel Geld gemacht“, sagt Akcakaya. Oft bekommen die Streamer einen Anteil an den Einnahmen der Glücksspielanbieter.

Bielecki soll laut Staatsanwaltschaft „von Oktober 2021 bis Mai 2022 51 Mal an illegalen Glücksspielen bei Online-Casinos“ teilgenommen und „jedenfalls 37 Mal auf den von ihm betriebenen Kanälen auch Werbung für diese“ gemacht haben. Bieleckis Anwalt sagt, auf den Sequenzen, die Bielecki live auf Twitch streamte, seien „keine Links zu Casino-Seiten vorhanden“ gewesen. Mitschnitte der Streams seien später von Bielecki unbekannten Personen „mit einem Wasserzeichen mit Links zu Glücksspielseiten“ versehen worden, „um den Eindruck zu erwecken, Bielecki werbe dafür“. Die so manipulierten Videos seien auf YouTube-Kanälen hochgeladen worden, mit denen Bielecki in keinerlei Verbindung stehe.

IT-Forensiker ans Werk

An der Argumentation von Bieleckis Anwalt, die Videos seien manipuliert worden, hat Strafverteidiger Akcakaya Zweifel. „Die abgebildete Werbung passt genau zu den Spielzügen von ihm, die er selbst kommentiert.“ Akcakaya weist darauf hin, dass eine detaillierte Einschätzung ohne Akteneinsicht schwierig sei und er sich an den hochgeladenen YouTube-Videos orientiere. „Bei diesen Videos sieht man eine sogenannte Slot Machine, die Herr Bielecki jeweils kommentiert.“ Eine nachträgliche Bearbeitung sei eher unwahrscheinlich.

Trotzdem: Die Staatsanwaltschaft muss Bieleckis Schuld zweifellos beweisen. Und dazu dürfte sie in diesem Fall auf ein Gutachten von IT-Experten zurückgreifen müssen. Diese könnten nachvollziehen, ob jemand Videos nachträglich bearbeitet hat. „Das sind IT-Forensiker, die das in seitenlangen Gutachten bewerten, eine rein technische Frage“, sagt Akcakaya.

Hätte Bielecki den Strafbefehl akzeptiert, wäre er vorbestraft gewesen. Das Amtsgericht Tiergarten folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und setzte die Geldstrafe auf 120 Tagessätze zu je 4000 Euro fest. Ab 91 Tagessätzen gilt man als vorbestraft.

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Grundlage für die Höhe des Strafbefehls sind laut Staatsanwaltschaft „die Bekundungen des Angeschuldigten, der 2022 auch als Markenbotschafter einer Erotikmesse fungierte, zur Höhe seiner Einnahmen in sozialen Medien, bei denen zu seinen Gunsten noch ein Abschlag vorgenommen wurde“, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Mit dieser Erotikmesse Venus ist Bielecki nach wie vor verbunden. Nach dem ersten Prozesstag rief er einem offenbar Bekannten zu: „Wir sehen uns auf der Venus.“

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Transparenzhinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass eine Entscheidung in der glücksspielstrafrechtlichen Angelegenheit am 11. April bevorstehe. Diesen Termin hatte die Staatsanwaltschaft der Redaktion mitgeteilt. Tatsächlich wurde an diesem Tag in einem anderen Verfahren gegen Ron Bielecki verhandelt. In einer früheren Version des Artikels hieß es außerdem, Werbung für Glücksspiel im Internet sei zwischen 6 und 22 Uhr verboten. Tatsächlich ist sie nur bis 21 Uhr nicht erlaubt. Wir bitten darum, die Fehler zu entschuldigen.

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