Leben mit Aktien Die Tücken der Dividenden-Aristokraten

Fall eines Aristokraten: Nach 49 Jahren kürzt die US-Apothekenkette Walgreens die Dividende. Quelle: imago images

Historische Stärke bei Gewinnausschüttungen ist für Aktien ein Qualitätsmerkmal. Die Strategie hat aber mehrere Haken, besonders, wenn Anleger sie über Einzelwerte umsetzen.

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Die Welt der Dividenden zahlenden Aktienunternehmen kennt mehrere Prädikate. Besonders beachtet: die Krönung zum sogenannten Dividenden-Aristokraten. Dieses inoffizielle Siegel gibt es nach 25 Jahren stetig steigender Ausschüttung. Wer 50 Jahre schafft, wird sogar Dividendenkönig. Viele Anleger lieben Dividendenstrategien. Kein Wunder. Schließlich ist die Definition einer Top-Dividendenaktie schön eindeutig. Auch die Historie ist auf der Seite von Dividendenjägern: Über die vergangenen Jahrzehnte hinweg haben Dividenden-Aristokraten den Markt deutlich geschlagen.

Dass hohe, solide, bestenfalls stetig steigende Dividenden ein Merkmal für Qualität sind, scheint auf den ersten Blick völlig klar. Wer genug Geld für Ausschüttungen übrig hat, ist schon einmal gut positioniert. Wer es jedes Jahr übrig hat, ist noch besser dran. Und wer Jahr für Jahr spendabler werden kann, macht meist sehr viel richtig. Aber Achtung: Anleger sollten das Aristokratensiegel nicht als Garant für hohe Renditen verstehen. Immer wieder wirft es einzelne Dividendenaktien aus der Bahn.

Hohe Dividendenrenditen sind für sich genommen oft ein Warnsignal. Die Dividendenrendite setzt die Ausschüttung in Relation zum Aktienkurs. Ist sie sehr hoch, kann das also auch heißen: Eine Aktie ist (bei gleichbleibender oder leicht gesunkener Ausschüttung) stark gefallen. Oft steht dann auch eine Dividendenkürzung vor der Tür. Gerade erst hat es die alteingesessene amerikanische Apothekenkette Walgreens erwischt. Dort litten zuletzt die Gewinne. Die Folge: Nur ein Jahr vor der Krönung zum Dividendenkönig kürzt das Unternehmen die Ausschüttung empfindlich, fast um die Hälfte. Investor Christian W. Röhl nimmt den Fall Walgreens im Podcast „Leben mit Aktien“ genauer unter die Lupe.

Auch VF Corporation fliegt dieses Jahr aus der illustren Aristokratenliste. Die Dividende des amerikanischen Sportwarenspezialisten muss um 70 Prozent gekürzt werden. Und das, obwohl die Winterjacken der VF-Marke The North Face auf der Straße omnipräsent sind und mit Neupreisen von bis zu 800 Euro nicht billig. Das zeigt einmal mehr: Stabilitätsgarantien gibt es bei Aktien nicht. Auch nicht im Dividendenadel.

Horst von Buttlar und Christian W. Röhl sprechen im Podcast über den ruckeligen Start ins neue Börsenjahr und die Herausforderungen für das Brillenimperium nach dem Tode des Gründers Günther Fielmann.
von Horst von Buttlar, Christian W. Röhl

Die Probleme mit Dividenden-ETFs

Ausschüttungshungrige Anleger müssen diversifizieren. Also in der Breite auf Dividendenwerte setzen und dabei nicht nur nach Höhe der Dividendenrendite auswählen. Eigentlich bietet sich hier die Anlage via ETF an. Bloß lässt die Auswahl an Dividenden-ETFs zu wünschen übrig. Für den Index-Klassiker S&P 500 Dividend Aristocrats etwa gibt es gar keinen passenden ETF. Der SPDR S&P US Dividend Aristocrats ETF (ISIN: IE00B6YX5D40) bildet nicht das Original ab, sondern den Hochrendite-Index S&P High Yield Dividend Aristocrats. Ebendieser Fokus auf besonders üppige Ausschüttungen könnte Kursplus gekostet haben: Der Index hinkte in den vergangenen zehn Jahren der klassischen Variante deutlich hinterher. 

Eine Alternative ist der SPDR S&P Global Dividend Aristocrats (ISIN: IE00B9CQXS71). Allerdings hat der globale Index eine kürzere Historie und sich über die lange Frist durchwachsen entwickelt. Die adeligen Dividendenstrategien gingen generell in den vergangenen zehn Jahren nicht auf. Standardindizes lieferten die höheren Renditen.

Auch bei Gebühren und Steuern gibt es Wermutstropfen. Die relevanten Dividenden-ETFs legen Ausschüttungen nicht automatisch wieder an. Bei Einzelaktien geschieht das ohnehin nicht. Wer also die Dividenden für den Renditeturbo reinvestieren will, muss Handelsgebühren zahlen. Und die Kapitalertragsteuer mindert den Zinseszinseffekt: Nur die durch die Steuer gekürzten Beträge können erneut Rendite erwirtschaften. Bei reinen Kursgewinnen wird der Zinseszinseffekt nicht durch diesen Steuereffekt unterbrochen. (Hier wird freilich bei Veräußerung Abgeltungsteuer fällig.)

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Die Dividenden-Aristokraten-Strategie muss trotzdem nicht eingemottet werden. Als einer von mehreren Portfoliobausteinen hat sie durchaus ihre Berechtigung. Über die ganz lange Frist, seit 1990, haben Dividenden-Aristokraten den US-Leitindex um fast das Doppelte geschlagen. Besonders Anleger, die regelmäßig einen Teil ihres Kapitals aufbrauchen wollen, kommen hier auf ihre Kosten. Sie können ihren Depots bequem die angesammelten Dividenden entnehmen. Bloß sollten sie gut diversifizieren und sich nicht nur von hohen Dividenden locken lassen.

Mehr über Dividenden-Aristokraten, den ruckeligen Start ins Börsenjahr 2024 und das Lebenswerk des kürzlich verstorbenen Brillenkönigs Günther Fielmann hören Sie in der neuen Ausgabe unseres Podcasts „Leben mit Aktien“.

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