Der britische Konsumgüterkonzern Unilever verordnet sich eine Diät. Das Unternehmen enttäuscht seine Anleger seit zwei Jahren mit stagnierenden Umsätzen und rückläufigen Margen. Den Befreiungsschlag soll die Trennung von der Eissparte bringen. Mitte März wurde bekannt, dass das Geschäft mit Speiseeis als separates Unternehmen an die Börse gebracht werden soll.
Künftig will sich Unilever so auf seine besonders ertragreichen Geschäftsbereiche konzentrieren. Mit Drogerieartikeln von Axe, Dove und Rexona sind die Briten weltweit erfolgreich. Die Eissparte, die aktuell 13 Prozent zum Umsatz beiträgt, gilt hingegen als schwierig. Sie ist saisonal und logistisch anspruchsvoll, das wirkt sich negativ auf die Gewinnspannen aus.
Nach der Abspaltung wird der Großkonzern übersichtlicher sein und verlässlichere Gewinne einfahren. Gleichzeitig verliert er Bedeutung und Historie. Denn Unilever ist nicht irgendwer im Eisgeschäft. Das Unternehmen gilt als globaler Marktführer. Die Großbank Barclays schätzt seinen Marktanteil auf 20 Prozent, doppelt so hoch wie der nächste Wettbewerber. Bevor Unilever sein Speiseeisgeschäft abgibt, verdient die Sparte einen nostalgischen Blick.
Unilever unterscheidet bei seinem Eisgeschäft zwischen drei Kernmarken. Für die meisten Kindheitserinnerungen sorgt Wall’s. Das Herz mit dem weißen Kringel firmiert in Deutschland als „Langnese“. Calippo, Capri, Cornetto und Mini Milk sind Kultsorten. Dabei sind die Anfänge von Wall’s viel älter als die Erfindung des Gefrierschranks, den Carl von Linde im Jahr 1876 erfand.
Gegründet wurde Wall’s 1786 von Richard Wall, zunächst in Form eines Metzgerstandes auf dem Londoner St. James’s-Markt. Da jeden Sommer die Nachfrage nach deftigen und leicht verderblichen Fleischwaren zurückging, sollte ein saisonaler Ersatz her. 1922 begann Wall’s mit Produktion und Verkauf von Eiscreme. Die wurde über Nacht zum Verkaufsschlager.
Premiummarke Magnum
An eine ganz andere Zielgruppe richtet sich die Marke Magnum. Sie wurde von Unilever 1989 ins Leben gerufen, als Premiummarke für Erwachsene. Das war damals ein Novum. In Belgien holte man sich die Schokoladenexpertise, um dem Stieleis sein bekanntes Knacken zu geben. Im Jahr 1992 kamen die bis heute beliebten Geschmacksrichtungen Weiße Schokolade und Mandel auf den Markt. Die Marke ist ein globales Phänomen: Seit 2011 ist Magnum auch auf dem amerikanischen Markt erhältlich.
Ben & Jerry’s große Träume
Die amerikanische Eiscreme-Marke Ben & Jerry’s will mehr sein als ein Verkäufer gefrorener Zuckermilch. In unternehmenseigenen Worten heißt es: „Neben der Herstellung von unglaublichen Geschmackserlebnissen, setzt sich Ben & Jerry's dafür ein, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“
Der Eishersteller mit dem Hippie-Image wurde 1978 von Ben Cohen und Jerry Greenfield in Vermont gegründet. Cohen leidet an einer Geschmacks- und Geruchsstörung, sodass für ihn die Konsistenz von Essen eine besondere Bedeutung bekam. Durch die Beimischung von Keksteig, Karamell oder Spekulatius konnte sich das Eis von der Masse abheben.
2000 wurde Ben & Jerry’s für 326 Millionen Dollar von Unilever übernommen. Die Freiheit, sein gesellschaftliches Engagement voranzutreiben, hat sich Ben & Jerry’s durch umfangreiche Autonomie und Zugeständnisse vonseiten Unilevers gesichert. Bis heute bleibt das Unternehmen politisch. Deutschland wirft es in der Asylpolitik „strukturellen Rassismus“ vor, im Konflikt zwischen Israel und Palästina ergreift es für die Palästinenser Partei. Immer wieder entsteht dadurch Zwist mit der Unilever-Zentrale in London.
Unilever – schlanker ohne Eis
Unilever trennt sich nicht nur von einer Geschäftssparte, sondern auch von jeder Menge Geschichte. Das Eisportfolio ist einzigartig auf der Welt. Zu ihm gehören fünf der zehn weltweit meistverkauften Eismarken. Die meisten davon sind Jahrzehnte alt.
Für Nostalgie ist aber kein Platz im neuen Unilever. Investoren erwarten höhere Gewinnspannen und mehr Vorhersehbarkeit bei den Finanzen. Das kann die Abspaltung liefern. Wie Investor Christian W. Röhl in der neuen Folge unseres Podcasts „Leben mit Aktien“ erklärt, sollten Anleger aber nicht zu viel von der Initiative erwarten. Sicher ist nur, dass Unilever einige historische Marken verliert. Vielleicht bekommt es im Gegenzug geschäftlich Schwung – aber eben nur vielleicht.
Mehr zum Thema Unilever, der Abspaltung bei 3M und der Umsatzwarnung beim Luxuskonzern Kering hören Sie in der neuen Ausgabe unseres Podcasts „Leben mit Aktien“.