Riedls Dax-Radar
17.000 Punkt im Dax ist nicht das Ende. Quelle: Getty Images

17.000 Punkte ist nicht das Ende für den Dax

Mit SAP, Siemens und Airbus ziehen die wichtigsten Dax-Aktien nach oben, der Turnaround der Deutschen Bank läuft. Selbst Zweifel an der Zinsentspannung bremsen den deutschen Aktienmarkt nur vorübergehend. Eine Kolumne.

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Mit kräftigen Turbulenzen reagieren die Aktienbörsen auf die jüngsten Statements der amerikanischen Notenbank. Deutlicher als in den vergangenen Wochen hat Fed-Chef Jerome Powell dabei eine erste Zinssenkung im März ausgeschlossen. Zudem gebe es derzeit auch keine Verlangsamung beim Abbau der Notenbankbilanz. Beides ist für diejenigen, die auf ein schnelles Umsteuern der Fed gesetzt haben, eine Enttäuschung. 

Indes, einen Zeitpunkt für die erste Zinssenkung hat Powell auch bisher noch nicht genannt. Zudem hat er stets, wie auch jetzt wieder, die Lockerung der Geldpolitik von laufenden Wirtschaftsdaten abhängig gemacht. Und hier erkennt die Fed nach wie vor substanzielle Fortschritte im Kampf gegen die Inflation. Die Aussicht auf Zinssenkungen sind also weiterhin die zentrale Perspektive für die Märkte. 

Dazu kommt im Schatten zuletzt starker Wirtschaftszahlen ein weiteres Problem, das auch die Zinspolitik beeinflusst: Die brisante Lage der Regionalbanken. So musste gerade die New York Community Bank wegen Wertverlusten bei Gewerbeimmobilien mehr als eine halbe Milliarde Dollar abschreiben. Zudem laufen im März staatliche Stützungsmaßnahmen ab, die in der Bankenkrise im vergangenen Frühjahr eingeleitet wurden. 

Märkte und Politik hoffen, dass die Notenbanken 2024 die Zinsen senken und so die Wirtschaft beleben. Das Risiko dabei: Die Inflation ist noch nicht besiegt.
von Bert Losse, Malte Fischer, Silke Wettach

Sollte sich in den USA die Lage bei den kleinen und regionalen Banken wieder zuspitzen, dürfte dies den Druck auf die Notenbanken erhöhen und Zinssenkungen wahrscheinlicher machen. Denn während gut kapitalisierte Geschäftsbanken mit klassischem Einlagen- und Kreditaktivitäten von steigenden Zinsen profitieren, sind zahlreiche amerikanische Spezialbanken schwach kapitalisiert und über umfangreiche Finanzierungen von Gewerbeimmobilien anfällig gegen hohe Zinsen. 

Für die Aktienmärkte ist es entscheidend, dass die große Perspektive der Geldpolitik erhalten bleibt: Das aktuelle Zinsplateau ist hoch genug, um gegen Inflation zu wirken; zugleich besteht die begründete Aussicht, dass es womöglich zur Mitte des Jahres zu einer ersten Zinssenkung kommen kann. Diese Perspektive hat die Fed in keiner Weise zurückgenommen, sondern nur für die nächsten Wochen präzisiert. Die US-Börsen dürften damit eine gute Chance haben, ihre jüngsten Abschläge bald wieder ausgleichen. 

SAP und Siemens: Hightech-Power an der Spitze des Marktes

Der Dax ist durch die vorübergehenden Turbulenzen an den US-Börsen bei 17.000 Punkten gestoppt worden. Schon dreimal – Mitte Dezember, Anfang Januar sowie vergangene Woche – ist er bis zu diesem Niveau vorgedrungen, dann aber nicht mehr weiter gekommen. Eine Schwäche des Marktes besteht darin aber nicht, im Gegenteil: Je öfter eine Aktie oder ein Index ein bestimmtes Niveau anläuft, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Hindernis überwunden wird – weil die Verkäufer bei jedem Mal etwas schwächer werden. So schaffte der Dax am Freitag schon zumindest kurzzeitig den Sprung über die Marke von 17.000 Punkten.

Dazu hat der Dax derzeit mächtige Stützen. Die wichtigste Aktie im Index, das in den vergangenen Wochen hier mehrmals hervorgehobene Softwarepapier SAP, ist nach zuletzt guten Zahlen und Perspektiven eindrucksvoll in neue Höhen vorgedrungen. Mit einem absoluten Börsengewinn von 100 Milliarden Euro seit Herbst 2022 läuft hier das größte Comeback des deutschen Kurszettels. 

Die Transformation in Richtung Cloud und Künstliche Intelligenz ist gelungen, bewertungstechnisch dürfte SAP zunehmend Anschluss an die großen internationalen Hightech-Konzerne finden. Kurzfristig könnten SAP-Aktien nach dem jüngsten Anstieg eine Pause vertragen, im Bereich 140 bis 150 Euro dürften dann wieder Käufer kommen. 

Auch die Nummer zwei im Index zeigt einen starken Verlauf: Siemens. Neben den soliden eigenen Aussichten und der Hoffnung auf eine Erholung beim Windkraftableger Siemens Energy beflügelt derzeit die positive Entwicklung von Siemens Healthineers. Die Zahlen zum ersten Quartal der laufenden Saison (bis Ende September 2024) sind gut, vor allem die Krebsmedizin um den Ableger Varian erzielt zweistellige Zuwachsraten bei Umsatz und Gewinn. Nachholbedarf hat die zentrale Sparte Bildgebung und das Geschäft in China. 

Mit einem kräftigen Kurssprung sind Aktien von Siemens Healthineers dabei, sich aus der Konsolidierung der vergangenen zwei Monate zu lösen. Nächstes Ziel könnte das Niveau um 56 Euro sein. Mittelfristig sind dann wieder die alten Spitzen um 67 Euro möglich. Insgesamt gehört Healthineers zu den weltweit führenden Aktie im Bereich Medizintechnik, allerdings schon mit erhöhter Bewertung. 

Airbus: Stiller Star mit Schubkraft für neue Höhen 

Kräftig im Aufwind ist auch die drittschwerste Aktie im Dax, Flugzeugbauer Airbus. Das deutsch-französische Unternehmen hat mit 8600 Maschinen einen Rekordauftragsbestand. Airbus profitiert gleich von mehreren Entwicklungen. Im Kerngeschäft zivile Flugzeuge vollzieht sich das Comeback nach der Coronakrise; das sorgt weltweit für einen hohen Bestellungsdruck. Dazu kommen technischen Probleme beim Rivalen Boeing, der Kunden an Airbus verliert. 

Zudem ist Airbus, was oft übersehen wird, der größte Hersteller von Waffen in diesem Land, noch vor Rheinmetall. Ein Fünftel seines Umsatzes erzielt Airbus etwa mit Kampfhubschraubern, der Mitarbeit an Kampfjets oder militärischen Tankflugzeugen. Bei insgesamt gut 70 Milliarden Euro Jahresumsatz, die Airbus 2024 erzielen könnte, wären das an die 14 Milliarden Euro Rüstungsgeschäft. Da die Aufträge hier sehr langfristig angelegt sind, ist dies zugleich eine Stabilisierung der Zahlen. Airbus-Aktien kommen bei Rückschlägen als Nachkauf infrage. 

Deutsche Bank: Turnaround nach 95 Prozent Kursverlust

Mit Kursverlusten von bis zu 95 Prozent in 13 Jahren gehörte die Aktie der Deutschen Bank mehr als ein Jahrzehnt zu den großen Enttäuschungen des heimischen Aktienmarkts. Doch der Wind hat gedreht – und die Zahlen für 2023 zeigen, dass der Turnaround der Deutschen Bank voran kommt. Mit fünf Prozent ist das Wachstum des Geschäftsvolumens in Ordnung. Vor allem die Unternehmerbank und die Privatbank legen derzeit stark zu, sie profitieren von steigenden Zinsen. Die Investmentbank hängt noch hinterher, könnte aber in diesem Jahr Dank Entspannung an den Bondmärkten – hier ist die Deutsche Bank traditionell stark – wieder aufholen. 

Dabei ist der Vorsteuergewinn 2023 schon so hoch ausgefallen wie seit eineinhalb Jahrzehnten nicht mehr. Netto ging es wegen einer einmaligen Steuergutschrift im Vorjahr leicht zurück. Absolut gesehen hat aber der Gewinn von 4,2 Milliarden Euro mittlerweile ein substanzielles Niveau erreicht. Die harte Kernkapitalquote ist mit 13,7 Prozent stabil, angekündigte Aktienrückkäufe und Dividendenerhöhungen sind gut möglich. Für 2025 setzt die Bank ihre Wachstumsziele nach oben.

Das Entscheidende am jüngsten Abschluss der Deutschen Bank ist die Konstanz der Aufwärtsentwicklung. Seit dem Tiefpunkt 2019, als das Geldhaus mit mehr als fünf Milliarden Euro in die roten Zahlen gerutscht ist, geht es nun Jahr für Jahr nach oben – trotz Corona, Krieg und wackliger Konjunktur hierzulande. 

Diese wiedergewonnene Stabilität dürfte sich zunehmend im Börsenkurs ausdrücken; die extrem günstige Bewertung der Bank gibt dafür Spielraum. Nach der Überwindung des Kursbereichs um 12,50 Euro dürfte das nächste mittelfristige Ziel das Topniveau von 2017 sein, das um 17,50 Euro liegt. Und selbst dann wären weder die Gewinnbewertung überzogen noch die Dividendenrendite mager. 

Fazit für den Dax: Die Aussicht auf mittelfristige Zinssenkungen durch die Notenbanken, eine in vielen Industrieländern widerstandsfähige Wirtschaft und stabile Geschäfte großer Indexunternehmen sind für die Börsen ein gutes Umfeld. An den US-Märkten ist die Aufwärtstendenz im Dow Jones, im S&P 500 und an der Nasdaq-Börse intakt. 

Dem Dax gelang durch den Anstieg über 16.700 Punkte ein Kaufsignal. Kurzfristig wäre es vorteilhaft, wenn er dieses Niveau bei einer eventuellen Rückreaktion nicht mehr unterschreitet. Wenn das gelingt, könnte noch im Februar ein Anstieg in den Bereich um 17.400 Punkte möglich sein. 

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