Riedls Dax-Radar
Quelle: Getty Images

Aktienhausse vor heißer Phase

Schwache Konjunkturprognosen und zähe Inflationsdaten können den Dax nicht bremsen, starke Unternehmenszahlen beflügeln weiter. Doch könnte nach einem weiteren Hoch wieder ein Rückschlag in der Luft liegen. Eine Kolumne.

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Der Schock über zuletzt unerwartet hartnäckige Inflationszahlen aus den USA währte nur kurz. An einem einzigen Tag vollzog der Dax seine erwartete Korrektur von gut 17.000 Punkten auf bis zu 16.780 Zählern – und danach ging es wieder in einem Zug nach oben. Offensichtlich, der deutsche Aktienmarkt kann nicht nur Irritationen aus den USA gut wegstecken, er ist auch noch stark genug für neue Höchstkurse. 

Dabei ist die Wirtschaft hierzulande alles andere als stark. Nach neuesten Verlautbarungen der Regierung ist die Konjunktur nicht nur im vierten Quartal um 0,3 Prozent geschrumpft, die Aussichten für 2024 sind trübe. Dass der Dax dennoch auf Rekordniveau notiert, hat zwei entscheidende Gründe: Zum einen tragen gerade die gedrückten Konjunkturerwartungen dazu bei, dass die Notenbank EZB mittelfristig wahrscheinlich dann doch den Hebel in der Geldpolitik wieder umlegt; immerhin rechnet sie ja auch bis 2025 mit einem Rückgang der Inflation in den verträglichen Bereich um zwei Prozent. Die Hoffnung auf mehr Liquidität im Markt ist ein klassischer Treibsatz für Aktien. 

Commerzbank: Einer der größten Zinsgewinner Europas

Zum anderen sind die Ergebnisse und Aussichten zahlreicher Unternehmen gut bis rekordverdächtig. Die Commerzbank etwa erhöhte ihren Nettogewinn im vergangenen Jahr um 55 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro. Wichtigste Triebkraft des Geschäfts ist der Zinsüberschuss, der sich um 30 Prozent auf 8,4 Milliarden Euro erhöhte. Mehr als drei Viertel der Gesamterträge stammen aus dieser Quelle. Das macht die Commerzbank zu einem der großen Zinsgewinner in Europa. 

Wenn man bedenkt, wo die Commerzbank noch vor einigen Jahren stand, ist das durchaus eine beachtliche Leistung. Ein höheres Zinsniveau ist natürlich für ein klassisch ausgerichtetes Institut generell ein Vorteil, weil sich damit fast automatisch die Zinsmarge ausbauen lässt. Doch der nur leichte Anstieg der Verwaltungsaufwendungen und die auf 61,4 Prozent zurückgegangene Aufwandsquote sprechen auch für operative Fortschritte; und mit 14,7 Prozent ist die harte Kernkapitalquote der Cobank mittlerweile sogar reichlich. 

Dank kontrollierter Kosten und einer Risikovorsorge im bisher absehbaren Bereich peilt die Commerzbank 2024 einen noch höheren Gewinn an. Offene Flanke sind immer noch Probleme der polnischen Tochtergesellschaft mBank mit Belastungen aus Schweizer-Franken-Krediten. Dieses Thema könnte aber 2024 abgehakt werden. Von ungewöhnlichen Gefahren durch Turbulenzen am Markt für Gewerbeimmobilien, die ein darauf spezialisiertes Haus wie die Deutsche Pfandbriefbank derzeit unter Druck bringen, sprechen die Commerzbanker nicht. Dass die Aktie infolge der jüngsten Zahlen und Prognosen gleich um fünf Prozent zulegte, kann durchaus als Vertrauensbeweis der Börse gewertet werden. 

Sollte die Commerzbank 2024 ihren Nettogewinn tatsächlich noch einmal ein Stück erhöhen und dann vielleicht 2,3 Milliarden Euro erzielen, ergäbe dies bei einer Marktkapitalisierung von 14 Milliarden ein sechsfaches KGV. Diese günstige Gewinnbewertung dürfte der Cobank-Aktie helfen, ihren seit 2020 eingeschlagenen Aufwärtstrend fortzusetzen. Kurzfristig wäre es gut, wenn die Notierungen bei allgemeinen Korrekturen des Marktes das Niveau um zehn Euro verteidigen. Ein neues Kaufsignal, das den seit 2020 anhaltenden Trend bestätigen würde, gäbe es dann bei einem Anstieg über 12 Euro. 

Rekordaufträge polstern Airbus-Kurse 

Im Gegensatz zur Commerzbank konnte die Aktie des Flugzeugbauers Airbus zuletzt nicht mehr weiter von ihren Geschäftszahlen profitieren. Dabei ist das 2023er Umsatzplus mit elf Prozent durchaus ansehnlich; vier Prozent plus im Rüstungsgeschäft (das fast ein Fünftel zum Umsatz beträgt) sind angesichts des weltweiten Booms dieser Branche allerdings eher mager. 

Größte Belastung für den Rückgang des Nettogewinns um 13 Prozent auf 1,46 Milliarden Euro sind Währungseffekte und Verschiebungen bei den Auslieferungen der Flugzeuge; größte Stärke von Airbus ist hingegen das auf 554 Milliarden Euro um 23 Prozent angeschwollene Auftragspolster. Mit elf Prozent plus wuchs immerhin auch der Auftragsbestand im Rüstungsgeschäft.

Nachdem Airbus-Aktien zu Jahresanfang ihren 2020er-Höchstkurs bei knapp 140 Euro überwunden haben, könnte den Notierungen nun ein Verschnaufpause gut tun. Die starke Marktposition von Airbus, die durch die Probleme des Konkurrenten Boeing zusätzlich befördert wird, die von 735 auf rund 800 Maschinen anziehenden Auslieferungen und letztlich das enorme Auftragspolster sollten die Aktie dann spätestens im Bereich 135 bis 140 Euro für Käufer wieder interessant machen. 

Continental: Turnaround trotz zähem Automarkt

Schritt für Schritt kommt Autozulieferer Continental aus dem Tief. Das Reifengeschäft, wichtigster Gewinnbringer der Hannoveraner, liefert stabile und hohe Margen. In der Autozuliefersparte, die von der steigenden Nachfrage nach Sicherheitstechnik, Komfort- und Digitalfeatures profitiert, ziehen die Gewinne nach langer Durststrecke wieder an. Das Industriegeschäft (Bänder, Treibriemen, Spezialdichtungen) ist stabil. 

Insgesamt dürfte Continental im vergangenen Jahr (die genauen Zahlen werden am 7. März vorgestellt) die Gewinnwende geschafft haben. Nach schwachen Abschlüssen in der Coronakrise 2020 (962 Millionen Euro Verlust) und im schwierigen Jahr 2022 (67 Millionen Euro Nettogewinn) dürfte 2023 unterm Strich erstmals wieder deutlich mehr als eine Milliarde Euro geblieben sein. 

Mit einem Börsenwert von nur einem Drittel des Jahresumsatz sind Conti-Aktien ein günstiges Angebot. Der geplante Stellenabbau dürfte vor allem im Autozuliefergeschäft die bisher schwachen Margen liften. Für die Aktie ist das umso wichtiger, da Börsenspekulationen um eine Aufspaltung des Konzerns bis auf weiteres wohl unrealistisch sind. Zudem ist es auch kein Nachteil, wenn Conti mit einem gesamten Geschäftsvolumen von rund 40 Milliarden Euro weltweit weiterhin in der Liga der größten Autozulieferer mitspielt.

Conti-Aktie sind aktuell in einer brisanten Situation. Ein nachhaltiger Anstieg über das aktuelle Niveau um 77 bis 78 Euro wäre ein starkes Kaufsignal. Im positiven Fall könnte dies sogar den gesamten Abwärtstrend seit 2018 beenden und eine neue längere Aufwärtsphase einleiten. Immerhin, nach einem Kursrückgang von 222 Euro auf bis zu 44 Euro hat die Aktie der Hannoveraner mit 80 Prozent Verlust eine dramatische Marktbereinigung hinter sich. Das gibt Spielraum für positive Überraschungen. 

Fazit für den Dax

Es ist ein Zeichen für eine robuste Verfassung, wenn der Aktienmarkt Irritationen bei der Entwicklung von Inflation und Konjunktur gut wegsteckt. Im wesentlichen verdankt der Dax dies der Stärke wichtiger Einzelwerte: Mit Softwareschmiede SAP, Technikkonzern Siemens (dessen Bonität gerade von Standard & Poor‘s mit AA- in die Spitzengruppe der weltweiten Top-Unternehmen hochgestuft wurde) und Flugzeugbauer Airbus sind die drei wichtigsten Aktien im Dax auf Rekordkurs. 

Das gilt ebenso für die Versicherer Allianz (Topkurs seit 2001) sowie Münchener und Hannover Rück. Bei den im Dax immer noch wichtigen Autoaktien (die fast ein Fünftel des Index ausmachen) deuten sich bei BMW, Volkswagen und Porsche (Holding und Hersteller) Kursstabilisierungen an. Und selbst Chemieklassiker BASF legt an der Börse seit einigen Monaten schrittweise zu, obwohl das Unternehmen zwischen Russland-Rückzug, China-Risiko und neuen US-Unwägbarkeiten durch einen möglichen Präsidenten Donald Trump wahrlich in einer schwierigen Lage steckt. 

Seit dem jüngsten mittelfristigem Tief im Dax vom 17. Januar sind 22 Börsentage vergangen. Der vorangegangene Anstieg von November bis Dezember dauerte 31 Börsentage, die Korrektur von Dezember bis Januar 27 Tage. Der Mittelwert von 29 Tagen entspricht dem typischen Ausmaß von rund sechs Wochen, das solche Phasen im Dax oft einnehmen. Nach vorne gezählt ergäbe dies theoretisch ein Hoch im Dax bis Ende Februar. 

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Auch wenn solche Rechenspiele nur Anhaltspunkte sind, so passen sie doch zum Bild eines starken Marktes, der immer noch etwas Luft nach oben hat – bevor es dann vielleicht im März wieder zu einer schwächeren Phase kommt. 

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