Riedls Dax-Radar
Die Krisenwährung Gold ist auf Rekordhoch. Was bedeutet das für die Börsen? Quelle: Getty Images

Gold sendet Warnsignale für die Börsen

An den Aktienmärkten mehren sich die Anzeichen für eine mehrwöchige Zitterpartie. Welche Rollen Gold, Silber und starke Einzelwerte wie BMW, Deutsche Bank und Commerzbank dabei spielen. Eine Kolumne.

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Die Edelmetallmärkte bieten derzeit glänzende Gewinnaussichten. Damit geben sie den Aktienbörsen wichtige Signale: Der Goldpreis hat nach dreieinhalb Jahren richtungsloser Schwankungen bei 2100 Dollar je Unze seine Bandbreite nach oben verlassen und damit womöglich eine längere Aufwärtsphase eingeleitet.

Silber notiert zwar noch weit unter seinen Höchstpreisen aus den Jahren 2011 und 2020/21, hat aber bei 26 Dollar nun eine wichtige Hürde genommen. Und selbst Kupfer, das führende und besonders konjunktursensible Industriemetall, hat mit einem schnellen Anstieg auf 9250 Dollar je Tonne fast wieder das Hoch von Anfang 2023 erreicht und könnte von da aus die Rekorde bei 10.700 Dollar ansteuern.

Wenn Gold plötzlich teurer wird, stehen dahinter vielfältige Erwartungen: Dass die Inflation möglicherweise wieder anzieht und die Realzinsen sinken (weil Gold keine Rendite abwirft und deshalb dann wertvoller wird). Vor allem aber steht dahinter ein genereller Vertrauensverlust in Assets, die sich im Gegensatz zu Gold, Silber oder Kupfer beliebig vermehren lassen – was natürlich besonders für Papierwährungen gilt.

Rückkehr der Inflation, Politik des leichten Geldes und dazu eine Konjunktur, die sich angesichts lebhafter Nachfrage nach Silber und Kupfer – Schlüsselrohstoffe für Digitalisierung, E-Mobilität, Energiewende und Wiederaufrüstung – womöglich schneller erholt als bisher erwartet? Für die Aktienmärkte wäre dies ein heißer Mix, der ein Schlaglicht auf die laufende Hausse wirft, die von vielen angesichts Rezessionsgefahren, geopolitischer Krisen und klammer Verbraucher ungläubig bestaunt wird.

Als der Goldpreis von August 1976 bis Januar 1980 in seiner Jahrhunderthausse von 104 auf 850 Dollar kletterte, kam es am deutschen Aktienmarkt zu einer mehrjährigen Schwankungsphase. Bei der nächsten Goldrally von August 2001 bis März 2008 spielte sich an den Börsen zunächst noch das Ende der 2003er-Hightech-Baisse ab, bevor es dann fünf Jahre steil nach oben ging – bis zur großen Finanzkrise 2008. Beim Gold-Bullenmarkt von Sommer 2018 bis Sommer 2020 ging es an den Aktienmärkten richtungslos nach unten und nach oben, besonders heftig in der Zeit der Coronaturbulenzen.

Aus dem Zusammenspiel von Goldpreis und Aktienmärkten im vergangenen halben Jahrhundert lässt sich keine eindimensionale Korrelation ableiten. Symptomatisch allerdings war während jeder Gold-Hausse eine Orientierungslosigkeit an den Aktienmärkten, die sich zum Teil in heftigen Kursbewegungen niederschlug – in beide Richtungen.

Für den aktuellen Dax bedeutet dies: Schon jetzt passen die heftigen und vielfach unerwarteten Kursanstiege an den Aktienbörsen durchaus zu einem Goldmarkt, der womöglich längere Zeit nach oben tendiert. Zugleich aber sendet ein steigender Goldpreis Warnsignale an die Aktienmärkte, sich nicht einfach auf den bisher vorherrschenden Aufwärtstrend zu verlassen. Mit einem steigenden Goldpreis können ausgeprägte Kletterphasen im Dax einhergehen, aber es besteht zugleich ein erhöhtes Risiko deutlicher Kursrückschläge.

Für Aktieninvestoren heißt das: Lieber halbe Kraft statt volle Kraft fahren, genug Reserven und womöglich Absicherungen einplanen und bei Aktien sorgfältig zwischen starken und schwachen Einzeltiteln unterscheiden.

Rückenwind für Commerzbank und Deutsche Bank 

Zu den Gewinnern im Dax gehören seit längerer Zeit die Finanzwerte, vor allem die beiden Geldhäuser Deutsche Bank und Commerzbank. Dahinter stehen zwei Entwicklungen: Zum einen ist den Dax-Instituten nach langen Jahren des Niedergangs die strategische und operative Wende gelungen: Beide Banken haben ihre Geschäftsstrukturen geschärft, ihre Rentabilität wiedergewonnen und ausgebaut, die Kapitalausstattung auf ein gutes Niveau gebracht.

Während die Deutsche Bank sich neben Unternehmensgeschäft und Privatkundensparte nach wie vor auf das große Wertpapiergeschäft konzentriert (dazu wurde die Bank schließlich einst 1870 gegründet), positioniert sich die Commerzbank als Spezialist für den Mittelstand und internationale Transaktionen deutscher Unternehmen.

Dass die Commerzbank dabei nun vermehrt auch das Anlagegeschäft wieder ausbaut und im Geschäft mit Fusionen und Übernahmen aktiver wird, zeigt ihre erwachten Wachstumsambitionen. Schließlich will die Bank ihren letztjährigen, guten Nettogewinn von 2,2 Milliarden Euro bis 2027 in Richtung 3,4 Milliarden Euro erhöhen.

Die zweite Triebkraft, die derzeit den meisten Banken zugutekommt, ist das erhöhte Zinsniveau. In fast allen Bankbilanzen ist deshalb derzeit der Zinsüberschuss die mit Abstand wichtigste Zahl, wenn es um die Gewinnentwicklung geht. Den Banken aus diesem allgemeinen Vorteil aber einen Vorwurf zu machen, geht am Sinn erfolgreichen Wirtschaftens vorbei: Gerade bei gutem Wind gilt es, kräftig Segel zu setzen. Dass beide Dax-Banken nun auch bei Gratifikationen für Anleger in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen nachhaltig zulegen, passt zu ihrem Comeback. Die Aktien der Deutschen Bank und der Commerzbank verlaufen stabil in einer mehrjährigen Aufwärtsbewegung, die durchaus weiteres Potenzial verspricht.

BMW als heimlicher Gewinner der Antriebsrevolution

Während Elektroautopionier Tesla erstmals seit Corona Auslieferungsrückschläge hinnehmen muss und dem Aktienkurs langsam der Strom ausgeht, drängen BMW und Mercedes-Benz an der Börse nach oben. Vor allem BMW erweist sich mit seiner Technologieoffenheit zunehmend als Gewinner im Rennen um neue Antriebstechniken. Zum einen bieten die Bayerischen Motorenwerke im Bereich Verbrenner nach wie vor hochkarätige Aggregate, zum anderen verkaufen sie anteilig deutlich mehr reine Elektroautos als Volkswagen oder Mercedes-Benz.

Im nächsten Jahr bringt BMW eine komplett neue Klasse elektrischer Fahrzeuge auf den Markt, bis 2030 soll jeder zweite neue BMW mit Strom betrieben werden. Teure Investitionen in Entwicklung sind dank hoher Einnahmen aus dem laufenden Geschäft gut zu verkraften. Dass Elektroautos zunehmend auf den gleichen Produktionsstraßen wie Verbrenner entstehen, macht aus dem Wettlauf der Antriebe ein Zusammenspiel, das Neuentwicklungen vereinfacht und Kosten im Zaum hält. Nach neun Jahren ausgeprägter Kursschwankungen könnten BMW-Aktien ihr bisheriges Hoch aus dem Jahr 2015 bald wieder erreichen und dann nachhaltig übertreffen.

Fazit für den Dax: Nach einem dynamischen Kursanstieg im November und Dezember und einer ähnlichen Anstiegsphase von Mitte Januar bis Anfang April täte dem Dax eine Verschnaufpause gut. Die starken Signale von den Edelmetallmärkten, vor allem der Rekordlauf des Goldpreises, sprechen für ein erhöhtes Risikobewusstsein.

Anleger sollten deshalb ein waches Auge auf das Angstbarometer V-Dax haben, das im Zuge einer möglichen Börsenkorrektur vom niedrigen Bereich um zwölf Prozent schnell in Richtung 20 Prozent ausschlagen könnte.

Immerhin sprechen im Dax starke Einzelwerte wie BMW, die Deutsche Bank oder die Commerzbank insgesamt für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends. Großchemiker BASF kämpft mittlerweile um die wichtige Kurszone bei 54 bis 55 Euro – ein Zeichen für eine fortgeschrittene Bodenbildung. Und selbst bei Krisenkonzern Bayer gibt es nach Meldungen über Kostensenkungen im Management und guten Perspektiven des neuen Krebsmedikaments Nubeqa zwischen 25 und 29 Euro den Versuch einer Stabilisierung.

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Der Dax hat durch den dynamischen Anstieg der vergangenen Monate ein Sicherheitspolster aufgebaut. Bei gut 18.000 Punkten verläuft der seit Herbst bestehende Aufwärtstrend, zwischen 17.000 bis 16.500 gibt es breite Unterstützungen durch die vorangegangene Konsolidierung und die ansteigende 200-Tagelinie. Selbst nach einer mehrwöchigen Korrektur sollte der Dax dann danach seine Grundrichtung nach oben wieder fortsetzen.

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