Riedls Dax-Radar
Heißes Spiel um noch höhere Kurse Quelle: Getty Images

Heißes Spiel um noch höhere Kurse

Die Inflation verliert ihren Schrecken, viele Dax-Unternehmen verdienen gut, die Stimmung an den Börsen steigt. Die Hausse läuft – eine Abkühlung täte den Aktienmärkten jedoch durchaus gut. Eine Kolumne.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Mit kräftigen Kursaufschlägen honorieren die Börsen die jüngsten Inflationszahlen aus den USA. Nachdem es zuletzt mehrere Hinweise auf hartnäckige Preissteigerungen gegeben hatte, fielen dann die von der amerikanischen Notenbank Fed besonders beachteten Verbraucherpreise wie erwartet aus. In Deutschland ist die Inflationsrate im Februar auf den niedrigsten Stand seit Juni 2021 gefallen.

An den US-Börsen erreicht der marktbreite S&P 500 mit mehr als 5100 Punkten einen neuen Höchststand. Das Technologiebarometer Nasdaq 100 dringt über die Marke von 18.000 Punkten vor, der Dax erklimmt mit zwischenzeitlich 17.800 Punkten ein weiteres Hoch. Offensichtlich hat die Inflation als alles überschattendes Risiko für die Aktienbörsen ihren Schrecken verloren. 

An den Bondmärkten ist die Reaktion ebenfalls positiv, allerdings bei weitem nicht so euphorisch. Die Rendite zehnjähriger US-Anleihen ging von gut 4,30 auf 4,25 Prozent zurück. Das ist keine Neueinschätzung der Zinslage, sondern passt zur verhaltenen Aufwärtsbewegung der Renditen, die sich seit Ende vergangenen Jahres abspielt. 

Die Aufwärtsbewegung der vergangenen zwei Monate vollzieht sich dabei wesentlich moderater als die vorangegangene Abwärtsbewegung von Oktober bis Dezember. Hier war es von 5,0 Prozent auf bis zu 3,8 Prozent zu einem massiven Rückgang der Renditen gekommen. Das bedeutet: Das Momentum der Renditen an den Anleihemärkten zeigt schon seit Herbst nach unten. 

Sollten die Inflationszahlen in den nächsten Monaten nicht wider Erwarten dazwischenfunken, könnte es nach dem jüngsten moderaten Anstieg der Renditen dann noch einmal zu einer zweiten dynamischen Abwärtsbewegung kommen. Das Ziel dieses Renditerückgangs könnte dann der Tiefststand vom Frühjahr 2023 werden, der bei 3,30 Prozent lag. Auch wenn ein so positives Szenario noch ziemlich vage ist, würde es gut zu den derzeit robusten Aktienmärkten passen.

Münchener Rück: Kapitalstarker Favorit für schwache Tage

Ein weiterer, entscheidender Treibsatz für die Börsen ist die stabile Geschäftsentwicklung führender Unternehmen. Im Dax gehören dazu seit Monaten die Versicherungen, ganz vorne die Münchener Rück. Sie konnte dank steigender Nachfrage nach Absicherung und stabilem Prämienvolumen ihren Nettogewinn im vergangenen Jahr mit 4,6 Milliarden Euro deutlicher als erwartet erhöhen

Eine Zahl, die dabei eine besondere Bedeutung hat, ist die Kapitalanlagerendite. Hier zeigt sich, was die Versicherungen aus ihren umfangreichen Assetbeständen an Erträgen holen. Im Jahr 2022 erzielten die Münchener hier 1,3 Prozent. 2023 kam es fast zu einer Verdopplung auf 2,5 Prozent. Dabei ist die Dynamik, die hinter diesen Zahlen steht, im Grunde noch ausgeprägter: Im vierten Quartal 2023 erzielten die Münchener hier sogar 4,4 Prozent.

Als Folge davon kletterte das Ergebnis aus Kapitalanlagen in der Rückversicherung im vergangenen Jahr um 86 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro. In der Erstversicherung des Ablegers Ergo ging es um 76 Prozent auf 2,9 Milliarden hoch. Das bedeutet: Wenn die Zinsen auch nur ungefähr auf dem erhöhten Niveau der vergangenen Monate bleiben, dürfte es für die komplette Saison 2024 hier weiter hohe Einnahmen geben. Kein Wunder, dass die Münchener jetzt schon einen Anstieg ihres Nettogewinns auf fünf Milliarden Euro ins Auge fassen. 

Aktien der Münchener Rück haben sich seit Frühjahr 2022 verdoppelt und dabei das bisherige Allzeithoch aus dem Jahr 2000 übertroffen. Die Bewertung der Aktie ist angesichts deutlich steigender Unternehmensgewinne noch günstig, die Dividende hoch und sicher

Aktien der Münchener Rück sind weiterhin ein klarer Favorit im Dax. Ob auf dem erreichten Niveau Nachkäufe infrage kommen, ist jedoch eine andere Frage. Denn sollte es im Gesamtmarkt zu einer Konsolidierung oder einer Korrektur kommen, könnten auch die Anteile der Münchener Rück noch einmal unter die Marke von 400 Euro abdriften. 

Beiersdorf: Verschnaufpause nach zwei Jahren schneller Hausse

Zu den stabilsten Aktien im Dax gehört seit zwei Jahren der Hamburger Konsumchemiker Beiersdorf. Allerdings könnten die schwache Wirtschaft und zunehmend klamme Verbraucher auf dem erreichten Kursniveau zu einer Verschnaufpause führen. Seit dem vierten Quartal 2023 verlangsamt sich das Wachstum der Hanseaten. Für 2024 rechnet Beiersdorf nur noch mit einem Umsatzplus im mittleren einstelligen Bereich. 2023 erzielten sie noch 10,8 Prozent organisches Wachstum und 9,5 Milliarden Euro Geschäftsvolumen.

Der Nettogewinn von Beiersdorf ging im vergangenen Jahr um drei Prozent auf 749 Millionen Euro zurück. Grund dafür waren höhere Steuern und Sondereffekte im dreistelligen Millionenbereich, im wesentlichen Firmenwertabschreibungen auf die 2022 übernommene Edelkosmetikmarke Chantecaille. Für die Strategie von Beiersdorf ist das eine Enttäuschung, da sich die Hamburger gerade durch den Ausbau des Luxusgeschäfts neue Impulse erhofften.

Mit einem Kurs-Umsatzverhältnis von drei und einem Kurs-Gewinnverhältnis von über 30 (selbst wenn für 2024 ein deutlicher Gewinnanstieg durch den Wegfall der letztjährigen Sonderbelastungen angenommen wird) sind Beiersdorf-Aktien ziemlich teuer. Ein Novum ist das nicht – Beiersdorf ist seit Jahrzehnten wegen des stabilen Wachstums, der soliden Finanzkraft und der verlässlichen Aktionärsstruktur überdurchschnittlich hoch bewertet. Dennoch könnte die Aktie ähnlich wie nach der dynamischen, zweijährigen Aufwärtsphase der Jahre 2011 bis 2013 erst einmal eine mehrmonatige Pause einlegen. Die nächste Trendprobe steht womöglich dann auf dem Niveau 130 bis 125 Euro bevor. 

MTU Aero Engines: Neue Hoffnung nach Ausgleich des Triebwerks-Crashs 

Triebwerksbauer MTU setzt die seit Herbst vergangenen Jahres laufende Erholung fort. Im September 2023 hatte die Nachricht vom Rückruf tausender Triebwerke der Aktie einen hauseigenen Crash beschert. Zum ersten Mal in der 90-jährigen Geschichte von MTU kam es 2023 mit 97 Millionen Euro zu Nettoverlusten. Ohne die Sonderbelastung des Rückrufs, die von MTU durch eine milliardenhohe Rückstellung abgefangen werden musste, wäre im organischen Geschäft ein Rekordgewinn geblieben. 

An den Wachstumsplänen von MTU ändert sich nichts. Schon im laufenden Jahr soll der Umsatz von 6,3 Milliarden auf 7,3 bis 7,5 Milliarden klettern; 2025 könnten dann an die acht Milliarden erreicht werden. Angesichts des hohen Auftragsbestands, der um zwei Milliarden Euro auf 24,4 Milliarden gestiegen ist, dürfte dies eine realistische Prognose sein. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass MTU von seinem Geschäftspartner Pratt & Whitney wegen der Rückrufe einen finanziellen Ausgleich erhält.

Aktien von MTU haben mit Kursen um 220 Euro den Triebwerks-Crash vom vergangenen Herbst mehr als ausgeglichen. Um von hier aus zum alten Hoch bei 287 Euro vorzudringen, wäre eine weitere Bestätigung des robusten Tagesgeschäfts nicht schlecht, also vor allem ein stabiler Verlauf des ersten Quartals. Die Bewertung der Aktie ist moderat, bei Notierungen zwischen 220 und 200 Euro könnte sie wieder vermehrt ins Visier der Käufer rücken.

Daimler Truck: Schwer in Fahrt und stark gegen Schwankungen

Obwohl die Konjunktur in zahlreichen Ländern wacklig ist, legt Lastwagenhersteller Daimler Truck kräftig zu: Der Umsatz klettert 2023 um ein Zehntel auf 55,9 Milliarden Euro, der Nettogewinn erhöhte sich um 44 Prozent auf knapp vier Milliarden. Die damit erzielte Nettorendite von mehr als sieben Prozent ist ein guter Wert. Obwohl die Bestellungen weiter unter den starken Vorgaben des Vorjahres liegen und auch die kommenden Absatzzahlen etwas schwächer ausfallen sollen, kalkuliert Daimler 2024 mit stabilen Umsätzen von 55 bis 57 Milliarden Euro. Das ist ein klares Zeichen für die Preissetzungs- und Marktmacht, die Daimler Truck hier hat.

Mit 34 Milliarden Euro Börsenwert und einer Gewinnbewertung im einstelligen Bereich sind Aktien von Daimler Truck nicht überteuert. Dank der guten Dividende und der fortgeschrittenen Resilienz gegenüber Konjunkturschwankungen dürfte sich die seit Anfang 2022 bestehende Aufwärtsentwicklung fortsetzen. Nach den jüngsten, schnellen Kursgewinnen wäre es allerdings nicht verwunderlich, wenn die Aktie bei einer allgemeinen Korrektur noch einmal in den Bereich der gerade überwundenen Hochspitzen zurückkäme, die bei 34 bis 35 Euro lagen.

Fazit für den Dax: Die heiße Phase der Hausse, die vor knapp zwei Wochen begonnen hat, zeigt noch keine Ermüdungserscheinungen. Zwar deuten die meisten Stimmungsindikatoren und kurzfristigen Marktbarometer ebenso wie die niedrige Volatilität (die erwarteten Kursschwankungen) auf großen Optimismus; automatisch zurückfallen müssen die Kurse deshalb aber nicht. Bei drei Viertel der 40 Dax-Aktien verlaufen die aktuellen Notierungen oberhalb der 200-Tagelinie. Das ist weiterhin eine stabile und breite Hausse-Verfassung – und es ist wenig sinnvoll, sich als Investor gegen dieses Momentum zu stellen.

Rezept zum Reichwerden? Das steckt hinter dem System von Deven Schuller

Ein selbsternannter Finanzexperte will seinen Kunden laut eigener Aussage dabei helfen, finanzielle Freiheit zu erreichen, und pflastert das Internet mit Werbung. Was steckt dahinter? Ein Selbstversuch.

Gesetzliche Rente Kann ich Renten mehrerer Länder zusammenlegen?

Unser Leser arbeitet projektbezogen in anderen EU-Ländern, bei dortigen Arbeitgebern. Kann er die Rentenansprüche übertragen lassen?

Frauenförderung à la Siemens Siemens-Managerin klagt an: Nutzt der Konzern Compliance als Mitarbeiter-Entsorgungstool?

Der Fall einer Siemens-Managerin, die schwanger wurde und nun um ihren Job kämpfen muss, erschüttert den Dax-Konzern. Nun droht der mit ihr verheiratete Personalchef in Mitleidenschaft gezogen zu werden.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Dennoch wächst seit nunmehr gut sechs Wochen kurzfristigem Aufwärtstrend (seit dem jüngsten Tief vom 17. Januar) die Wahrscheinlichkeit einer zumindest vorübergehenden Korrektur. Damit dürfte es wenig angebracht sein, zuletzt gut gestiegenen Aktien jetzt noch hinterherzulaufen. Wer im Markt ist, kann kurzfristige Positionen eventuell mit knappen Stoppkursen absichern. Am langfristig stabilen Trend sollte sich bis auf Weiteres nichts ändern – selbst wenn der Dax in einer Korrektur im Frühjahr noch einmal in den Bereich 17.000 bis 16.500 Punkte abtauchen sollte.

Lesen Sie auch: Was die besten Geldmanager jetzt empfehlen

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%