Das war doch mal kein schlechtes Jahr, für die Börse. DAX, Dow Jones und Co. haben 2023 ordentlich zugelegt. Der DAX immerhin zweistellig, dass ist wirklich beachtlich. Übertroffen wird die gute Performance des Gesamtmarktes nur noch durch einige Branchen, wie etwa durch Technologieaktien. Der Nasdaq 100 zum Beispiel konnte seit Anfang 2023 um rund 50 zulegen. Dass dabei ein großer Teil des Zuwachses auf einige wenige Titel zurückzuführen ist, mag Markttechniker stören, wir freuen uns über ein gelungenes Tech-Jahr.
Doch es stellt sich natürlich schon die Frage, wie nachhaltig der Aufschwung ist – und damit verbunden natürlich auch die Frage, ob es 2024 mit der guten Entwicklung weitergehen kann? Meine Antwort fällt hier eindeutig aus: Ja, wir haben auch 2024 die große Chance auf ein wirklich gutes Börsenjahr; und das auch gerade bei den Technologieaktien. Warum? Es gibt einen wesentlichen Treiber, der die Kurse nach oben ziehen könnte: die fallenden Zinsen.
Wachstumsmaschine Silicon Valley stottert
Fallen die Zinsen, freut sich die Börse – eine Einschätzung, die mit Einschränkungen versehen werden muss, die aber grundsätzlich richtig ist. Das hat auch etwas mit der zukünftigen Gewinnentwicklung der Unternehmen zu tun. Je niedriger der Zins ist, mit dem zukünftige Gewinne eines Unternehmens verrechnet beziehungsweise diskontiert werden müssen, desto höher ist der sogenannte heutige Barwert einer Aktie. Rechnet ein Unternehmen beispielsweise damit, in zehn Jahren einen Gewinn von 1000 Euro zu erzielen, beträgt der Barwert des Unternehmens bei einem Zinssatz von fünf Prozent knapp 614 Euro. Liegt der Zins aber bei null Prozent, beträgt der Barwert 1000 Euro.
Zudem: Ein niedrigeres Zinsniveau erlaubt es gerade den Technologieunternehmen, sich zu besseren Konditionen Geld zu besorgen. Und das brauchen sie. Forschung und Entwicklung, die Lancierung von Produkten, Werbung etc. – all das kostet Geld, viel Geld. Und je „teurer“ das ist, um es sich zu leihen, umso schwieriger wird es, gerade auch für die kleinen bis mittelgroßen Tech-Konzerne, deren Liquiditätsdecke ohnehin oft angespannt ist.
In diesem Zusammenhang verweise ich als Beispiel auf die Venture-Capital-Szene im Silicon Valley. Die hat ihre Investitionen im laufenden Jahr im Vergleich zu 2022 mehr als halbiert. Warum Geld in riskante Start-ups investieren, wenn man es auch zu halbwegs vernünftigen Konditionen am Zinsmarkt anlegen kann? Doch damit wurde ein wesentlicher Faktor der Wachstumsmaschine Silicon Valley unterbrochen. Wenn von „unten“ kein Geld mehr nachgeschoben wird, kommt „oben“ weniger raus. Im dritten Quartal ist die Anzahl der Unicorns, der Einhörner, auf den niedrigsten Stand seit 2016 gefallen. Unicorns, das sind junge Unternehmen, die noch vor Börsengang mit mindestens einer Milliarde US-Dollar bewertet sind.
Schneller schlau: Diese Bilanzbegriffe sollten Sie kennen
HGB steht für Handelsgesetzbuch. Nach dessen Vorschriften müssen Unternehmen in Deutschland ihren Jahresabschluss vorlegen. Der Abschluss nach HGB ist für die auszuschüttenden Dividenden und die Steuerrechnung maßgeblich.
Die internationalen Rechnungslegungsstandards nach IFRS, nach denen große Kapitalgesellschaften ihre Konzernbilanz aufstellen müssen, orientieren sich eher an den amerikanischen Rechnungslegungsvorschriften nach US-GAAP. Die internationalen Regeln machen Konzernabschlüsse grundsätzlich besser vergleichbar, folgen aber anderen Grundsätzen, zum Beispiel bei der Bewertung von Unternehmenskäufen oder anderen Vermögenswerten.
Leider werden die IFRS-Regeln deutlich häufiger vom International Accounting Standards Board (IASB) geändert, als dies bei den HGB-Vorschriften im deutschen Rechtssystem der Fall ist.
Die in eine Unternehmung eingebrachten (investierten), auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesenen Vermögenswerte, vor allem Grundstücke, Gebäude, Maschinen und maschinelle Anlagen, Beteiligungen, Vorräte, Forderungen etc. Grundsätzlich sind die Unternehmen verpflichtet, entgeltlich erworbene Vermögenswerte zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren. Der Wertminderung unterliegende Vermögensteile müssen während ihrer Nutzungsdauer abgeschrieben werden. Die Aktivseite informiert über die Mittelverwendung, also in welchen Werten das beschaffte Kapital investiert ist. Aus der Zusammensetzung der Aktivseite können – begrenzt – Schlüsse auf die Leistungsfähigkeit der Unternehmung gezogen werden, bei Gegenüberstellung zur Passivseite gegebenenfalls auch auf die Zahlungsbereitschaft.
Die auf der rechten Seite der Bilanz stehenden Bilanzpositionen, im Wesentlichen Eigenkapital und Verbindlichkeiten. Die Passivseite der Bilanz zeigt die Quellen, aus denen ein Unternehmen finanziert wird.
Die Umsatzrendite beschreibt das Verhältnis von Gewinn und Umsatz eines Unternehmens. Sie beschreibt, welchen Teil des Umsatzes das Unternehmen als Gewinn verbuchen kann. Der Gewinn eines Unternehmens ist jedoch Schwankungen unterworfen (z.B. Branchenabhängigkeit, Produktabhängigkeit), die eine genaue Bestimmung der Rentabilität erschweren können. Die Umsatzrendite eignet sich vor allem für unternehmensinterne Vergleiche. Sie gibt Aufschluss darüber, welche Rendite die verschiedenen Geschäftsbereiche eines Konzerns erwirtschaftet haben.
Der Bestand an Kapital einer Unternehmung kann aus zwei Quellen zugeführt worden sein: Vermögen der Eigentümer durch: Einzahlung der Unternehmer, Einbehaltung angefallener Gewinne, also Selbstfinanzierung; Vermögen Dritter. Eigenkapital in weitester Deutung sind sämtliche den Gläubigern einer Unternehmung haftenden Mittel, also auch z.B. das Privatvermögen eines voll haftenden Gesellschafters. In engerer Fassung wird unter Eigenkapital das bilanzielle Eigenkapital verstanden, das als Residualgröße aus den übrigen Positionen der Bilanz ermittelt werden kann, wodurch sich die Abhängigkeit des Kapitalausweises von den Bewertungen der Bilanzposten erklärt. Rechnerisch ergibt sich seine Höhe aus der Gleichung: Eigenkapital = Vermögen (Aktivseite der Bilanz) – Schulden – Einlageneinbehaltene Gewinne – Entnahmen – eingetretene Verluste
Die Eigenkapitalquote beschreibt die Beziehung zwischen Eigen- und Gesamtkapital. Dazu wird das auf der Passiva-Seite einer Bilanz ausgewiesene Kapital ins Verhältnis zur Bilanzsumme gesetzt. Je mehr Eigenkapital ein Unternehmen zur Verfügung hat, desto besser ist in der Regel die Bonität eines Unternehmens, desto höher ist die finanzielle Stabilität und desto unabhängiger ist das Unternehmen von Fremdkapitalgebern. Da Eigenkapital jedoch teurer ist als Fremdkapital belastet eine hohe Eigenkapitalquote die Rendite auf das eingesetzte Kapital.
Als Dividende bezeichnet man den Anteil am Gewinn, der je Aktie vom Unternehmen ausgeschüttet wird. Die Hauptversammlung beschließt nach dem Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat über die Höhe. Die Dividende ist immer vom Bilanzgewinn abhängig und kann daher schwanken oder auch ganz ausfallen, etwa wenn die Ertragslage schlecht ist. Sie kann sogar aus den Rücklagen finanziert werden, wenn die Unternehmensgewinne nicht ausreichen.
Die Equity-Methode kommt bei der Bilanzierung von Unternehmensbeteiligungen zum Einsatz, an denen der Konzern weniger als 50 Prozent der Anteile hält. Dabei wird der Umfang der Beteiligung am Eigenkapital der Beteiligungsgesellschaft als Grundlage genommen, um den bilanziellen Anteil an Vermögenswerten in der Konzernbilanz abzubilden. Die wesentliche Größe ist dabei der anteilige Anspruch auf den Gewinn, der dem Konzern aus der Beteiligung zusteht. 100-prozentige Tochterunternehmen sind in einer Konzernbilanz hingegen unsichtbar, weil sie in den regulären Bilanzposten enthalten sind.
Während nach HGB in vielen Fällen die Anschaffungskosten von Finanz- und Sachanlagen in die Bilanz einflossen, fordert die Bilanzierung nach IFRS vorrangig eine Bewertung, die sich an den Marktpreisen orientiert. Existiert für diese Vermögenswerte kein Markt, wird der Bar- oder Zeitwert einer Vermögensposition durch die abgezinsten, monetären Vorteile, die dem Konzern bis weit in die Zukunft daraus erwachsen, durch finanzmathematische Verfahren und aufgrund von Schätzungen im Finanzplan ermittelt. Diese Bewertung nach Fair Value soll ein realistischeres Bild von Vermögenswerten liefern, als die puren Anschaffungspreise.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Latente Steuern sind noch nicht entstandene Steuervor- und nachteile. Zumeist sind sie in nennenswerter Höhe unter den Aktiva einer Bilanz zu finden. Dabei handelt es sich überwiegend um sogenannte Verlustvorträge, die einer Steuerersparnis entsprechen. Macht ein Unternehmen Verlust, erwartet aber in Zukunft wieder Gewinne, können die bereits entstandenen Verluste die Steuerlast in den kommenden Jahren mindern. Die dann zu erwartende Steuerersparnis können Konzerne laut IFRS als Vermögenswert in der Bilanz ansetzen. Diese verbessern das Konzernergebnis, obwohl sie davon abhängen, dass ein Unternehmen den Weg in geplantem Umfang zurück in die Gewinnzone schafft. Passive latente Steuern sind entsprechend Steuerschulden, die erst in der Zukunft entstehen. Macht ein Konzern Verlust, bilanziert aber keine aktiven latenten Steuern, bedeutet das im Umkehrschluss, dass der Wirtschaftsprüfer nicht an einen Rückkehr in die Gewinnzone glaubt.
Im Zuge einer Unternehmenssanierung trennen sich Konzerne oftmals von ganzen Geschäftsbereichen. Um dem Leser einer Bilanz möglichst große Transparenz zu bieten, werden zum Verkauf stehende Geschäftsbereiche gesondert in der Bilanz aufgeführt. Damit wird die Bilanz um Unternehmensteile bereinigt, die in Zukunft wegfallen sollen. Gelingt der Verkauf jedoch nicht, kann das aber auch revidiert werden. Dann fließen die Bilanzgrößen der nicht fortgeführten Geschäftsbereiche zurück in die Bilanz.
Kapital- und Gewinnrücklage unterscheiden sich in der Art ihrer Entstehung. Die Gewinnrücklage speist sich aus den Jahresüberschüssen der Vorjahre und sind quasi das Sparschwein eines Unternehmens. Die Kapitalrücklage hingegen speist sich aus Einzahlungen der Gesellschafter. Insbesondere für Mittelständler sind Kapitalrücklagen ein Steuersparmodell für die Eigentümer. Wie eine Schenkung an das Unternehmen lassen sich Gelder in der Bilanz parken, auf Beschluss der Eigentümer und er Geschäftsführung jedoch auch wieder auflösen. Aktienrückkäufe, wie sie zur Kurspflege derzeit bei vielen Börsenunternehmen beliebt sind, speisen sich zumeist aus Gewinn- und Kapitalrücklagen. Werden sie aus dem Handel genommen, senken sie in Höhe ihres Nominalwertes das gezeichnete Kapital, dass unter den Passiva zum Eigenkapital des Konzerns zählt.
Hinter den sperrigen Begriffen verbirgt sich nichts anderes, als das flüssige Geld in der Unternehmenskasse. Hierzu zählen insbesondere die jederzeit verfügbaren liquiden Mittel auf Firmenkonten, aber auch andere Zahlungsmittel breiter Akzeptanz, zum Beispiel Goldmünzen, oder Wertpapiere.
Die Börse freut sich über fallende Zinsen
Vor diesem Hintergrund gewinnen die jüngsten Äußerungen von Fed-Chef Jerome Powell enorm an Bedeutung. Früher als gedacht hat er die Märkte auf Zinssenkungen im kommenden Jahr vorbereitet. Dass solche Zinssenkungen kommen, war angesichts rückläufiger Inflationszahlen und schwächelnder Konjunktur zu erwarten, doch es macht nun mal einen Unterschied, ob man etwas nur erwartet oder dann auch tatsächlich angekündigt bekommt.
Allerdings, und das sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, hat sich der Fed-Chef bei seiner Ankündigung gewohnt vorsichtig ausgedrückt. Er hat nicht gesagt: „So, nächstes Jahr werden die Zinsen gesenkt“, sondern er sprach auf einer im Anschluss einer Fed-Sitzung Mitte Dezember stattgefundenen Pressekonferenz davon, dass man über Zinssenkungen „nachdenkt“. Das sind die üblichen Verklausulierungen, mit denen etwas gesagt wird, ohne es direkt zu sagen, jeder aber weiß, was damit gemeint ist – in diesem Fall: „Wenn sich nichts mehr gravierend verändert, dann werden die Zinsen im kommenden Jahren fallen.“
Für den Markt war die Ankündigung ein Kursbeschleuniger. Der Dow Jones schoss auf ein Rekordhoch, über 37.000 Punkte ist der Index nun wert. Sensationell. Was wohl erst passiert, wenn die Zinsen dann wirklich gesenkt werden?
Erst ausatmen, dann einatmen
Doch Vorsicht: Noch ist es zu früh, um in Euphorie zu verfallen. Zinssenkungen brauchen nämlich Zeit. An der Börse war es in der Vergangenheit oft so, dass erst einige Zeit vergehen musste, bis sich Zinssenkungen auf dem Parkett bemerkbar machten. Denn fallende Zinsen sind ja auch das Ergebnis eines schlechteren Konjunkturverlaufs. Weil die Inflation zurückgekommen ist und die Wirtschaft schwächelt, senkt die Notenbank die Zinsen. Die Börse reagiert zuerst auf die schwächelnde Wirtschaft, die Kurse fallen – und sieht erst dann, dass die fallenden Zinsen die Aktivitäten der Unternehmen neu beleben. Nehmen wir zum Beispiel den Zeitraum Oktober 2008 bis Mai 2009. Damals wurden die Zinsen von der EZB in mehreren Schritten von 4,25 auf 1 Prozent gesenkt. Der DAX benötigte aber vom Moment der ersten Zinssenkung an bis zu seinem Tief noch rund fünf Monate – ging dann aber in einen Bullenmodus über und legte quasi in einem Zug von rund 4.000 auf 7.500 Punkte zu.
Wir wissen natürlich nicht, ob es diesmal auch so läuft. An der Börse gibt es kein Drehbuch. Dennoch: Der Kursanstieg in den zurückliegenden Wochen war schon gewaltig. Der Aktienmarkt könnte daher auch noch einmal ein wenig ausatmen, bevor er dann im Laufe des kommenden Jahres kräftig einatmet. Das gilt insbesondere für die Technologieaktien. Anleger, die sich jedoch nicht mit der Auswahl an Einzeltitel beschäftigen möchten, können in Sachen Technologie-Aktien stattdessen einen ETF auf den Nasdaq 100 wählen.
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