Die Kryptowelt erlebt eine der wohl spannendsten Wochen in ihrer noch jungen Historie. Heute muss die US-Börsenaufsicht SEC entscheiden, ob sie spezielle Bitcoin-ETFs zulässt oder nicht. Wer mit Bitcoin und Co. handelt, muss sich auf noch stärkere Kursbewegungen einstellen als ohnehin schon. Wie angespannt die Situation ist, zeigte sich in der Nacht zum Mittwoch.
Eine Falschmeldung hatte die Branche in Aufruhr gesetzt. In einer Mitteilung auf der Plattform X (früher Twitter) hieß es zunächst, dass sich die US-Börsenaufsicht SEC für eine Zulassung von börsengehandelten Bitcoin-Fonds (ETF) entschieden habe. Wenig später stellte jedoch ein Sprecher der Behörde klar, dass die Meldung nicht richtig sei. Hacker hätten sich Zugriff auf das SEC-Nutzerkonto beschafft und die Nachricht dort platziert. Der Bitcoin rutschte nach der Falschmeldung von gut 48.000 Dollar auf zuletzt etwa 45.000 Dollar.
„Das jüngste Wirrwarr um die vermeintliche Zulassung eines Bitcoin-Spot-ETFs in den USA dürfte einen faden Beigeschmack in Anlegerkreisen hinterlassen,“ kommentiert Timo Emden vom gleichnamigen Analysehaus Emden Research. „Abzuwarten gilt, ob die Anleger trotz der Verwirrungen zum aktuellen Zeitpunkt optimistisch bleiben. Die jüngste Kursreaktion zeigt, wie sensibel Anleger auf entsprechende ETF-Nachrichten reagieren und wie groß das Interesse an einer Lancierung ist.“
Die WirtschaftsWoche erklärt, warum diese ETFs für Bitcoin und Co. so wichtig sind und was eine Zulassung oder Ablehnung für Anleger bedeutet.
Welche Vorteile hätte ein Bitcoin-ETF?
Schon seit ihrer Erschaffung haftet an Kryptowährungen ein Schmuddelimage. Weil Transaktionen schwerer nachzuvollziehen sind, nutzen auch Kriminelle die Cyberdevisen beispielsweise für Geldwäsche oder Terrorfinanzierung. Lange haben Anleger und institutionelle Investoren die Finger von ihnen gelassen. Nun aber befinden sich Bitcoin und Co. auf dem Weg in den Investmentmainstream. Ein Bitcoin-ETF dürfte diese Entwicklung beschleunigen, weil er zusätzliches Vertrauen schafft. „Eine Lancierung eines Bitcoin-ETFs auf US-amerikanischen Grund und Boden hätte Signalwirkung für den ganzen Globus. Dies wäre der Dosenöffner für die Mainstream-Akzeptanz. Bitcoin und Co wären dann schwarz auf weiß salonfähig“, sagt Analyst Emden.
Entsprechende Anträge kamen nämlich von erfahrenen und etablierten Wall-Street-Häusern wie BlackRock, dem weltgrößten Vermögensverwalter. Außerdem werden die ETFs nur zugelassen, wenn es keine regulatorischen Einwände seitens der US-Börsenaufsicht SEC gibt. Das würde die neuen Produkte von den bisherigen Angeboten vieler Kryptobörsen unterscheiden, die nicht durch eine Aufsichtsbehörde lizensiert sind.
Experten glauben, dass nach einer Genehmigung viel frisches Geld in den Kryptomarkt fließen wird. Das liegt nicht nur an dem Vertrauensbonus, sondern vor allem daran, dass sich die Käuferschicht für Bitcoin und Co. auf einen Schlag stark vergrößern würden. Denn mit solchen ETFs könnten nun auch institutionelle Investoren in Bitcoin investieren. Bislang ist haben sie kaum Zugang zum Kryptomarkt.
Es gibt bereits Bitcoin-ETFs. Warum sind die neuen Indexfonds nun so wichtig?
Tatsächlich sind schon vor gut zwei Jahren, auf dem Höhepunkt des Kryptobooms, Bitcoin-ETFs an den Start gegangen. Deren Struktur unterscheidet sich aber von den nun geplanten. Bislang sind in den USA nur sogenannte Bitcoin-Future-ETFs zugelassen. Diese bilden Derivate ab, mit denen Investoren auf die künftige Wertentwicklung des Bitcoins spekulieren können. Mit diesen Termingeschäften können Anleger also nur an möglichen Kursgewinnen partizipieren, ohne echte Kryptowährungen zu halten.
Krypto-ABC: Die wichtigsten Begriffe verständlich erklärt
Der Fokus am Kryptomarkt liegt klar auf dem Bitcoin. Unter Altcoins versteht man Kryptowährungen, die nach der ältesten Digitalwährung erfunden wurden und eine Alternative zum Bitcoin darstellen. Beispiele dafür sind Ethereum, Cardano oder Solana.
Der Bitcoin ist nicht nur die dem Volumen nach größte, sondern auch die älteste Kryptowährung der Welt. Schon im Oktober 2008 skizzierte Satoshi Nakamoto, das Pseudonym des Bitcoin-Erfinders, in einem Whitepaper mit dem Titel „A Peer-to-Peer Electronic Cash System“, wie so eine virtuelle Währung aussehen könnte. Kurz darauf, im Januar 2009, wurden die ersten Bitcoin geschürft. Weil Nakamoto unter einem Pseudonym agierte, ist bis heute unklar, wer genau den Bitcoin ins Leben gerufen hat.
Transaktionen von Kryptowährungen werden auf der Blockchain dokumentiert. Die Blockchain ist eine öffentliche, dezentrale Datenbank. Die Informationen werden nicht auf einem einzelnen Server, sondern auf vielen tausenden Rechnern gespeichert. „Chain“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Kette“.
Jede Transaktion wird in einem Block gespeichert und an eine Kette der bereits vorhandenen Datensätze angehängt. Deshalb wird die Blockchain auch digitales Kassenbuch genannt. Die gespeicherten Daten können im Nachgang nicht mehr oder nur mit Zustimmung des Netzwerkes geändert werden. So soll ein fälschungssicheres Protokoll entstehen.
Ether ist hinter dem Bitcoin die zweitgrößte Kryptowährung und basiert auf der Ethereum-Blockchain. Im Vergleich zur Bitcoin-Blockchain gilt diese als moderner und leistungsfähiger und soll in Kürze auf das energiesparendere Proof-of-Stake-Verfahren umgestellt werden. Auch Smart Contracts können über Ethereum gehandelt werden. Beliebt ist die Kryptowährung auch, weil NFTs (non fungible Token) oft auf Ethereum basieren und deshalb mit Ether bezahlt werden.
Mining ist das Erzeugen (Schürfen) neuer Coins. Bei diesem Prozess stellen Miner im Fall des Bitcoin die Rechenleistung ihrer Computer zur Verfügung, um komplexe mathematische Aufgaben zu lösen. So werden Transaktionen verifiziert und auf der Blockchain gespeichert. Die Miner werden fürs Bereitstellen der Rechenleistung mit neu generierten Bitcoin belohnt.
Bei einigen anderen Kryptowährungen basiert das Mining dagegen nicht auf Rechenleistung, sondern auf den Anteilen der Netzwerk-Teilnehmer an der jeweiligen Kryptowährung (siehe Proof of Stake). In diesem Fall wird das Mining deshalb auch oft als Staking bezeichnet. Auch dafür bekommen Teilnehmer eine Prämie, also quasi eine Art Verzinsung für ihren Anteil.
Minten bezeichnet das Erstellen eines NFTs (non fungible Token). Mit dem „Prägen“ des Bildes ist in diesem Fall das Hochladen in die Blockchain gemeint.
Die Abkürzung NFT steht für non-fungible Token, also nicht austauschbare Wertmarken. NFTs sind virtuelle Güter, die über die Blockchain gehandelt werden. Oft sind es etwa digitale Bilder oder Sammelkarten. Jeder NFT ist einzigartig. Wer einen kauft, wird in der Blockchain als Eigentümer registriert und kann so beispielsweise ein Echtheitszertifikat für ein virtuelles Bild oder ein digitales Kunstwerk vorweisen.
Mit dem Proof-of-Work-Verfahren werden neue Münzen einiger Kryptowährungen wie dem Bitcoin geschaffen. Dafür stellen die Miner die Rechenleistung des Systems zur Verfügung, um komplexe Aufgaben zu lösen. Wer es zuerst schafft, die Aufgabe zu lösen, darf den Block an die Blockchain anhängen und erhält eine Belohnung in Form digitaler Münzen. Der Proof-of-Work-Ansatz gilt als besonders energieintensiv.
Einige Blockchains basieren auf dem Proof of Stake-Verfahren. Anders als bei Proof of Work werden dabei fürs Mining keine umfangreiche Hardware und große Mengen an Rechenleistung benötigt. Proof of Stake gilt daher als wesentlich energieschonender.
Statt dessen dürfen diejenigen Transaktionen und neue Coins freigeben, die einen besonders hohen Anteil an einer Kryptowährung halten. Sie werden dann Validatoren genannt. Der Prozess beruht auf einem Konsensmechanismus. Je höher der Preis, desto höher die Anzahl der Coins, um am Prozess teilzunehmen.
Smart Contracts sind virtuelle Verträge, die über die Blockchain getauscht werden. Diese treten unter bestimmten zuvor festgelegten Bedingungen selbstständig in Kraft. Insbesondere Banken und andere Finanzinstitute sehen in Smart Contracts einen großen Nutzen. Sie könnten zum Beispiel beim Börsenhandel Intermediäre – also zwischengeschaltete Stellen wie Wertpapierbroker– überflüssig machen.
Die Wallet ist eine Art digitale Geldbörse für Kryptowährungen. Sie ermöglicht es Nutzern, Kryptoguthaben zu kaufen und zu verschicken. Es gibt mehrere Arten von Wallets. Die Hardware-Wallet ist quasi ein USB-Stick, auf dem das Kryptovermögen und die Zugänge eines Nutzers gespeichert sind. Eine Paper-Wallet wird auf Papier ausgedruckt.
Dafür wird ein QR-Code generiert, den man einscannen muss, um Transaktionen zu tätigen. Eine Software-Wallet kommt ohne externe Geräte oder Papierausdrucke aus. Hier werden die Daten in einem Computerprogramm gespeichert. Nutzer dürfen ihre Zugangsdaten nicht vergessen: Sonst bliebe ihnen der Zugriff auf ihr Kryptovermögen verwehrt.
Dieses Krypto-ABC entstammt dem großen Krypto-1x1 der WirtschaftsWoche: Das vollständige Dossier finden Sie hier zum Download
Letzteres ist allerdings aus regulatorischen Gründen für institutionelle Investoren wie Pensionsfonds und Family Offices wichtig – und wäre mit den nun geplanten ETFs möglich. Dabei handelt es sich nämlich um sogenannte Spot-ETFs. Sie basieren auf dem sekundenaktuellen Marktpreis und, noch wichtiger, beinhalten physische Bitcoins.
Wann ist mit einer Entscheidung zum Bitcoin-ETF zu rechnen?
Die Entscheidungsfrist der US-Börsenaufsicht SEC endet an diesem Mittwoch, den 10. Januar. Bis dahin muss die Behörde über eine Zulassung entscheiden haben.
Wie würde sich der Bitcoin-Kurs entwickeln, wenn der ETF zugelassen wird?
Kursprognosen zum Bitcoin sind kaum möglich. Es gibt keine realwirtschaftlichen Fundamentaldaten, anhand derer man die Entwicklung der Kryptowährung bewerten könnte. Für einen Blick in die Glaskugel müssen sich Anleger auf die Charttechnik und makroökonomische Ereignisse beschränken. Dennoch: Auch wenn der Bitcoin schon in den vergangenen Monaten stark angestiegen ist, hat die Zulassung eines Spot-ETFs das Potenzial, den Kurs noch weiter steigen zu lassen.
Die Einschätzungen dazu, welches Niveau der Bitcoin nach einer möglichen Genehmigung erreichen könnte, gehen selbst unter Optimisten weit auseinander. Während manche das bisherige Rekordhoch von gut 69.000 Dollar als realistisches Szenario angeben, halten andere Kursziele von mehreren Hunderttausend Dollar für möglich.
Wie würde sich der Bitcoin-Kurs entwickeln, wenn der ETF abgelehnt wird?
Der starke Kursanstieg der vergangenen Monate beruht vor allem auf der Hoffnung, dass die SEC den Bitcoin-ETF zulässt. Zwar gehen die meisten Experten davon aus, dass die Börsenaufsicht grünes Licht gibt. Allerdings kursieren aktuell auch Medienberichte, laut denen die SEC die Entscheidung ins zweite Quartal vertagen könnte.
Sollte sie diese jedoch abweisen, drohen herbe Kursrückschläge. Richtig Fahrt aufgenommen hat die Bitcoin-Rally im Oktober: Seitdem stieg der Kurs der Kryptowährung um über 60 Prozent. Große Teile der Kursgewinne könnten dann dahinschmelzen, laut Experten könnte es zu Rücksetzern von rund 20 Prozent kommen. „Das Enttäuschungspotenzial ist in diesem Zusammenhang riesig. Die bereits verteilten Vorschusslorbeeren müssen sich am Ende des Tages auch bewahrheiten“, sagt Analyst Emden. Er verweist darauf, dass ähnliche Anträge zu Bitcoin-ETFs bislang abgelehnt wurden.
Jedoch gibt es auch stabilisierende Effekte: Die US-Notenbank Fed hat jüngst angekündigt, in diesem Jahr drei Leitzinssenkungen vorzunehmen. Mit dem abnehmenden Zinsdruck wird der Bitcoin für Anleger wieder interessanter. Außerdem steht im April das Halving an: Dabei handelt es sich um eine im Bitcoin-Algorithmus integrierte künstliche Verknappung des Angebots. Bei gleichbleibender oder steigender Nachfrage führt dies zu Wertsteigerungen.
Was würden die Bitcoin-ETFs für deutsche Anleger taugen?
Deutsche Anleger, die schon Bitcoin besitzen, würden von der Zulassung der Spot-ETFs vordergründig über steigende Bitcoin-Kurse profitieren. Als Investmentvehikel brächten ihnen die in den USA zugelassenen Indexfonds allerdings wenig. Zwar sind in Deutschland keine reinen Bitcoin-ETFs zugelassen, weil Anbieter aus regulatorischen Gründen keine Indexfonds mit nur einem Fondsbestandteil auflegen dürfen. Doch wer in Deutschland abseits von Kryptobörsen Bitcoin und Co. kaufen möchte, hat andere Möglichkeiten.
Einige Anbieter wie Van Eck oder WisdomTree bieten sogenannte ETNs an. Dabei handelt es sich um börsengehandelte Inhaberschuldverschreibungen (zum Beispiel ISIN DE000A28M8D0 und GB00BJYDH287). ETNs halten, ebenso wie die geplanten Spot-ETFs in den USA, die Bitcoins physisch. Für Anleger, deren Broker keine direkten Investments in Kryptowährungen ermöglicht, können diese Produkte eine Alternative sein. Das Problem: Oft sind die Gebühren mit einem bis zwei Prozent relativ hoch.
Mit Material von Reuters
Hinweis: Der Artikel wurde zuerst am 2. Januar 2024 veröffentlicht. Wir haben die Kursstände aktualisiert und den Text neu publiziert.
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