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Kapitalmarktausblick 2024: In Europa bleiben die Risiken der Inflation hoch

2024 sollte ein weiteres Jahr werden, in dem die Nachbeben von 2022 aufgearbeitet werden. Ich erwarte eine sanfte Landung, das heißt, eine Abkühlung der globalen Wirtschaft, ohne dass diese in eine Rezession fällt.

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Das Jahr 2023 war kein historisch herausstechendes Jahr, nicht vergleichbar mit 2022. Insofern traf es auch grob die Erwartungen. Es verarbeitete die politischen Erdbeben von 2022, die Nachbeben sorgten dafür, dass es insgesamt ein unruhiges Jahr blieb. Dennoch, kurz vor Weihnachten sieht es so aus, als ob das Jahr insgesamt versöhnlich schließen würde und zwar mit positiven Returns für die meisten Aktienmärkte, wie auch für viele Rentenmärkte. Das liegt aber im Wesentlichen an zwei Phasen. Zum einen, an einem sehr guten Start in das Jahr. Zum anderen, an einem fulminanten Jahresende, da die Märkte seit Anfang November nicht nur das Ende der Erhöhungszyklen von EZB und FED einpreisen, sondern auch bereits eine starke Überzeugung mit Blick auf frühzeitige Zinssenkungen im neuen Jahr zeigen.

Geopolitisch war das Jahr 2023 weitgehend „more of the same“, ohne große zusätzliche Schocks. Der fürchterliche Krieg in der Ukraine geht unvermittelt weiter, die Sanktionszyklen der G7+ gegen Russland und derjenige der USA gegen China hielten an. Der Terrorangriff auf Israel und der folgende Krieg in Gaza zeigt zusätzliche Risiken auf, falls der Konflikt sich zu einem regionalen Krieg weiterentwickeln sollte. Er ist ein Alptraum für die betroffenen Menschen, aber nicht von Bedeutung für die weltweiten Kapitalmärkte.

Was erwarte ich nun für das Jahr 2024? Aus meiner Einschätzung wird es das zweite Jahr der Aftershocks nach dem historisch schlechten Jahr 2022. Institutionen und der Wirtschaft sollte es gelingen, diese Periode der Aftershocks mit einer „sanften Landung“ zu beenden. „Soft Landing“, wie die Angelsachsen sagen, steht dabei für eine Abkühlung der globalen Wirtschaft, ohne, dass diese in die Rezession fällt, verbunden mit einem Nachlassen der Inflationsdynamik, dies öffnet die Tür für Leitzinssenkungen.

In einzelnen wirtschaftlich bedeutsamen Ländern kann es durchaus eine Rezession geben. Dies dürfte insbesondere für einige europäischen Länder gelten, zuvorderst Deutschland. Hierzulande ist eine weitaus geringere Erholung der Industrie festzustellen. Gleichzeitig, was sicherlich kein Zufall ist, bleiben die Energiepreise relativ zum 5-Jahres Durchschnitt bis zum Jahr 2022 signifikant erhöht, genauso wie die generelle Unsicherheit in der Energieversorgung. Die kontroverse Diskussion um Schuldengrenzen und den Bundeshaushalt verdeutlicht zudem die eingegrenzten Optionen der fiskalischen Unterstützung.

Was führt nun zu der Erwartung eines Soft-Landing, was sind die Argumente für diese Erwartung? Zum einen sollte mit dem Höhepunkt der Notenbankzinsen auch der der Renditen bei langlaufenden Staatsanleihen überschritten sein. Damit besteht Potential für eine Beruhigung der Zinslandschaft, Potential für positive Returns in der Nähe der Kupons. Vor drei oder vier Wochen hätte ich noch von deutlichen Zinsrückgängen gesprochen, aber besonders am langen Ende der Kurve hat der Rentenmarkt durch die Rallye der vergangenen Wochen mit den niedrigeren Renditen schon sehr vieles vorweggenommen. Diese Beruhigung der Zinslandschaft entlastet gerade die zinsabhängigen Investitionsausgaben, z.B. im Immobilien- und Baubereich. Zum zweiten sollte die Inflationsdynamik nachlassen, stetig in Richtung der Zielraten der Notenbanken fallen, wobei die Inflationsziele der Notenbanken 2024 noch nicht im Jahresdurchschnitt erreicht werden dürften. Aber die Verankerung der Inflationserwartungen auf ein Vertrauen in eine wieder kontrollierte Inflation wäre ein zweiter unterstützender Faktor für ein „Soft Landing“. Global kommt dann noch dazu, dass ich in China mit weiterem fiskalischen und geldpolitischen Stimuli rechne, auch wenn Spill-Over Effekte nicht in dem Ausmaß wie in der Vergangenheit zu erwarten sind. Und letztlich wird es aber am Konsumenten hängen, der bei steigenden Löhnen und sinkender Inflation wieder zuversichtlicher in die Zukunft blicken sollte – dem US Konsumenten kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.

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Aber was auch klar sein muss: „Soft Landing“ bedeutet ein global nur leicht positives Wachstum, keinesfalls aber einen Boom. Das Wachstum wird sich nach unserer Erwartung eher in der Nähe einer Stagnation befinden, aber nach den schwierigen Herausforderungen, Zinsanstiegen und Energiepreisunsicherheiten ist das ein Erfolg. Zudem ist hinzuzufügen: Alle diese Argumente haben nur einen schmalen Grat, auf dem sie laufen, das Kippen in die eine oder andere negative Richtung ist leicht möglich. Gerade in Europa bleiben die Risiken der Inflation hoch, nicht nur mit Blick auf höhere Energiepreise sondern insbesondere auch auf das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale. Auf der anderen Seite könnte ein Teil der Folgewirkungen des Zinsanstieges auf die reale Ökonomie noch ausstehen – Milton Friedman sprach ja davon, dass eine monetäre Transmission gut 12 bis 18 Monate dauern könnte, manchmal, in Sonderfällen, sogar länger. Es ist damit ein schmaler Grat für ein „Soft Landing“, ökonomisch sozusagen eine Landebahn, die rechts und links neben der Ideallinie keine Auslaufzonen sondern tiefe Gräben aufweist.

Was bedeutet das für die Kapitalmärkte? Im Jahresverlauf sollte ein sich verbesserndes ökonomisches Momentum unterstützen, sobald die Gewissheit, dass das „Soft Landing“ gelingt, sich weiter manifestiert. Die erste Jahreshälfte, besonders das erste Quartal, sollten von der Anspannung, ob und wie das gelingt, beeinflusst werden. Und dann bleibt die Frage, wie gehen die Märkte damit um, dass die Niedrigzinsphase im Westen vorbei ist: „TINA“ ( „There Is No Alternative“) gilt nicht mehr, Renditen am Geld- und Rentenmarkt sind wieder eine Alternative, ja sogar eine Herausforderung für risikoreichere Assets.

Damit schlussfolgere ich: Staatsanleihen sind zurück im Spiel – nach einem schwierigen 2021, einem desaströsen 2022 und einem erst zum Schluss positiven 2023. Die Wachstums- und die Inflationserwartungen schaffen ein günstiges Umfeld und das aktuell hohe Niveau der Renditen stellt eine beachtliche Benchmark für Risky Assets dar. Aber diesem eher vorteilhaften Makro-Umfeld stehen Bewertungsaspekte entgegen. Die Bewertungen von Risky Assets können nicht als besonders niedrig angesehen werden: Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen sind bereits stark zusammengelaufen, Aktien sind vom Kurs-Gewinn-Verhältnis durchschnittlich, von der relativen Bewertung eher hoch bewertet, um nur einige Beispiele zu nennen.

Leider ist festzustellen, dass der Schatten der Geopolitik auch 2024 über den Märkten liegen wird. Das Szenario eines „Soft Landing“ dürfte sich nur realisieren lassen, wenn zusätzlich nichts „anbrennt“. Da darf es nicht zu einem Konflikt zwischen China und den USA wegen Taiwan kommen, nicht zu einer Erweiterung des Krieges in der Ukraine oder im Mittleren Osten. Und natürlich werden alle Augen im November auf die US-Präsidentschaftswahlen gerichtet sein, dem Land des größten Kapitalmarktes der Welt. Ich will nicht klüger als die Meinungsforschungsinstitute sein, aber die Prognosen sprechen derzeit für eine zweite Amtszeit von Donald Trump - wenn er denn antreten darf.

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Nimmt man das Makrobild, die Bewertungen und die geopolitischen Risiken, dann dürfte 2024 von Makrofaktoren getrieben werden und sollte per Saldo für die meisten Assetklassen mit positiven Erträgen enden. Die bereits hohen Bewertungen und geopolitische Risiken sollten aber dafür sorgen, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Die Rallye der vergangenen Wochen hat schon einiges vorweggenommen. Wie üblich bleiben Risikomanagement und Diversifikation obligatorisch, die Herausforderungen von der Inflations- wie der Konjunkturseite werden gerade im ersten Quartal sehr hoch sein. Die Risiken bei der Konjunktur sind nach unten gerichtet, die der Inflation nach oben. Insofern dürften sich aus meiner Sicht die Märkte gerade im ersten Halbjahr besonders volatil zeigen.

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