Influencer und Indexfonds In Taiwan pushen Finfluencer die Aktienkultur – bei uns zweifelhafte Finanzprodukte

Bei Twitter und in anderen sozialen Medien finden Interessierte gute Investmenttipps – und viel Quatsch. Quelle: dpa

Internet-Promis führen die taiwanesische Jugend an ETFs heran. Wer in Deutschland auf Finanz-Influencer hört, hat danach drei bizarre Kryptowährungen und ein teures Trading-Seminar im Einkaufskorb. Ein Kommentar.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Wenn Taiwan dieser Tage in den Schlagzeilen ist, dann meist wegen der Bedrohung durch China. Umso herzerwärmender, jedenfalls aus Anlegersicht, ist eine Meldung der „Financial Times“, die gerade die Runde macht: Immer mehr Taiwanerinnen und Taiwaner zwischen 25 und 34 Jahren interessieren sich für börsengehandelte Indexfonds (ETFs). Im vergangenen Jahr hatte fast die Hälfte von ihnen ETFs im Depot. Ein Plus von zehn Prozent gegenüber den Vorjahren.

Das wachsende Interesse an Indexfonds liegt wohl zu einem guten Teil daran, dass Finanz-Influencer („Finfluencer“) die Produkte in sozialen Medien empfehlen. Ihre Argumentation: ETF-Anleger müssten nicht ständig die Börsen im Blick behalten und könnten über regelmäßiges Investieren langsam, aber stetig Vermögen aufbauen.

So viel Wahres. Von Finfluencern!

Zwar greifen auch in Deutschland immer mehr Menschen, vor allem junge, zu günstigen ETFs. Aber eher trotz als wegen Empfehlungen diverser Internet-Promis. Deutsche Finfluencer sind oft Team Krypto. Da wird nicht nur Bitcoin empfohlen, sondern auch gern irgendeine abseitige alternative Kryptowährung. Dass Anleger damit hohe Verluste erleiden können? Geschenkt.

Ebenfalls beliebt bei hiesigen Finfluencern: Die wunderbare Welt des Daytradings. Langsam und stetig Vermögen aufbauen – ha! Das reicht vielleicht für taiwanesische Anleger. Deutsche analysieren nach einem kleinen Onlinekurs Chartmuster und traden Einzelaktien. Damit werden sie dann reich. Oder auch nicht.

Manche Finfluencer gehen noch einen Schritt weiter und empfehlen Optionen, relativ komplexe Finanzinstrumente. Kostprobe? Eine Frau mit knapp 20.000 Followern wirbt auf Instagram: „Mit Optionen bei fallenden Märkten überdurchschnittliche Renditen erzielen.“ Anleger sollten so „langfristig ein sicheres Vermögen aufbauen“. Quasi wie mit ETFs. Bloß mit Optionen. In fallenden Märkten. Alles klar.

Ja: Es gibt auch in Deutschland Influencer, die Indexfonds empfehlen. Zum Beispiel Camilla Sohn. Als „Caminvesta“ erklärt sie auf Instagram und TikTok Zehntausenden Followern die Welt der Geldanlage, oft am Beispiel ihres eigenen ETF-Depots – und will dabei außer ein paar Büchern erstaunlicherweise gar nichts verkaufen.

Lesen Sie auch: Angeblicher Steuerguru: „Schauen Sie mal, ich weiß genauso wenig wie Sie“

Andere Finfluencer dagegen machen aus dem recht einfachen ETF-Investment eine Wissenschaft. Subtext: Kauft meine Onlineseminare/Gruppencoachings/Mindset-Meditationen für ein paar Tausend Euro. Damit fühlt ihr euch anschließend sicher genug, um 50 Euro pro Monat in einen MSCI-World-ETF zu stecken.

Erstaunlicherweise findet man im deutschsprachigen Raum ausgerechnet im Aktienbereich besonders viel Wissen in sozialen Medien. Erstaunlich ist das deshalb, weil es immer wieder heißt, dass es in Deutschland keine Aktienkultur gebe. Vielleicht nicht auf breiter Front. In den Nischen des Internets aber blüht und gedeiht das Aktienwissen. Da geben viele Männer und einige Frauen fundierte Empfehlungen zu Einzelwerten, schreiben Aktienanalysen, die Investmentbanken zur Ehre gereichen würden, und fachsimpeln über ihre Dividendenportfolios.

Altersvorsorge Drohender Renten-Schock: Die hochriskanten Investments der Versorgungswerke

Berufsständische Versorgungswerke erwirtschaften Renten für Ärzte, Anwälte und Mediziner. Doch sie haben Geld überaus riskant angelegt – mit potenziell dramatischen Folgen.

Beitragsfremde Leistungen Wie der Staat die Rentenversicherung ausplündert

Ein Haufen Geld weckt Begehrlichkeiten, auch wenn er der Rentenversicherung gehört. Der deutsche Staat hat diesem Drang in den vergangenen Jahren immer wieder nachgegeben – in Milliardenhöhe.

Selbstversuch Der Weg zum eigenen Wald – für kleines Geld

Unser Autor träumt von einem Wald. Er bekommt ihn bei einer Zwangsversteigerung – für 1550 Euro.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Aktieninvestments machen Spaß und können sehr einträglich sein, eignen sich aber nicht für jeden. Klare Sache also: Deutschland braucht mehr ETF-Influencer. Vielleicht kann Taiwan ja ein paar entbehren.

Lesen Sie auch: Was sind ETFs? Exchange-Traded Funds einfach erklärt

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%