Es dauerte nur wenige Minuten, und die Aktie hatte fast die Hälfte ihres Werts verloren. Direkt nach Handelsstart in New York crashte die Aktie der US-Bank Silvergate Capital um 48 Prozent auf zuletzt 11,89 Dollar. Auf Jahressicht notiert das Papier gar 90 Prozent im Minus.
Mit einer Marktkapitalisierung von nur noch 545 Millionen Dollar kann sie mit den Wall-Street-Größen nicht mithalten. Doch in einem Bereich ist Silvergate ein Star: der Kryptobranche. Silvergate hat sich auf Bankdienstleistungen für Krypto-Kunden spezialisiert.
Nun aber bringt der Crash von FTX Silvergate in Bedrängnis. Die Bank hielt nämlich Einlagen mehrerer Gesellschaften der Kryptobörse und des ebenfalls kollabierten Hedgefonds Alameda Research, der ebenfalls zum Firmenimperium des FTX-Gründers Sam Bankman-Fried gehörte. Schon vor Monaten waren Sorgen über diesen Zusammenhang aufgekommen.
Offenbar sorgen sich auch diverse Kunden darum, dass die Insolvenz von FTX die Liquidität von Silvergate beeinträchtigen könnte. Nachdem das Unternehmen sich am Donnerstag mit einer Meldung über die jüngsten Abflüsse an die Öffentlichkeit wandte, kam es zum Bank Run.
Im vierten Quartal 2022 zogen Kunden rund 8,1 Milliarden Dollar ab. Die Kundeneinlagen im Bereich digitale Vermögenswerte belaufen sich nun nur noch auf 3,8 Milliarden Dollar. Eigenangaben zufolge stammen 150 Millionen Dollar von Kunden, die Konkurs angemeldet haben. „Das Worst-Case-Szenario scheint für Silvergate eingetreten zu sein“, kommentiert Jared Shaw, Analyst bei Großbank Wells Fargo, der Nachrichtenagentur Bloomberg.
Eiliger Verkauf von Schuldverschreibungen
Silvergate versucht nun gegenzusteuern. Vorstandsvorsitzender Alan Lane sagte, man habe „angemessene Schritte unternommen, um sicherzustellen, dass wir die Barliquidität aufrechterhalten, um potenzielle Einlagenabflüsse zu befriedigen“. Unter anderem, so steht es in dem vorläufigen Bericht, habe das Unternehmen Schuldverschreibungen im Wert von 5,2 Milliarden Dollar verkauft.
Schneller schlau: Kryptowährungen
Dezentrale Datenbanken, auf denen Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether basieren. Das öffentliche Register enthält alle Transaktionen.
Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Bergbau und beschreibt das Schürfen, also die Produktion neuer Coins. Das geschieht, indem zahlreiche Hochleistungsrechner (Miner) im Wettstreit miteinander komplexe Rechenaufgaben lösen. Entschlüsseln sie die Rechnung, können sie der Blockchain neue Blöcke, also zum Beispiel neue Bitcoin, hinzufügen und bekommen dafür wiederum neues Kryptogeld als Belohnung.
Jeder Block und jede Transaktion in der Blockchain wird mit einem sogenannten Hash versehen, einer Art Prüfwert. Dieser sorgt dafür, dass niemand die Daten in der Blockchain manipulieren und jeder Coin einem Nutzer zugeordnet werden kann. Die Entschlüsselung des Prüfwerts verlangt den Minern eine enorme Rechenleistung ab. Deshalb wird die Hashrate gemessen, das ist die Menge an Berechnungen, die zum Beispiel das Bitcoin-Netzwerk pro Sekunde durchführen kann.
Weil die erforderlichen Rechenkapazitäten für das Schürfen neuer Bitcoin so groß geworden sind, haben sich viele Miner zusammengetan und bündeln ihre Kräfte in einem Pool. Die Belohnung teilen sie dann untereinander auf. Je höher die Hashrate des Pools, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er eine der komplexen Aufgaben am schnellsten löst.
Dabei wurde ein Verlust von 718 Millionen Dollar realisiert. Der eilige Verkauf deutet darauf hin, dass die Situation durchaus angespannt war. Das Silvergate-Vermögen ist unter anderem in Staatsanleihen angelegt. Hiervon soll in diesem Jahr ebenfalls ein Teil verkauft werden. Darüber hinaus verkündete Silvergate einen Stellenabbau von 40 Prozent. Insgesamt müssen 200 Mitarbeiter das Unternehmen verlassen.
Nun beschwichtigt das Unternehmen, dass die Kundengelder sicher seien. Die eigenen Barmittel und Vermögensbestände überstiegen die verbliebenen Einlagen um gut 1,2 Milliarden Dollar. Im vergangenen Jahr habe die Kryptobranche eine „beträchtliche Überschuldung erlebt, die sich allmählich auflöst“, sagte Lane und verwies auf Unternehmen wie Celsius, Voyager und Three Arrows Capital. Allesamt waren im Zuge des Kryptocrashs pleite gegangen. Mit dem Zusammenbruch von FTX sieht er einen Höhepunkt erreicht.
Silvergate muss nun darum bangen, dass weitere Anleger und Kunden ihre Gelder abziehen. Mehr über die aktuelle Situation bei Silvergate dürften diese am 17. Januar erfahren. Dann will das Unternehmen den vollständigen Quartals- und Jahresbericht vorlegen.
Derweil befindet sich Silvergate auch in juristischen Schwierigkeiten. Im Dezember wurde bei einem kalifornischen Gericht eine Sammelklage wegen der Rolle der Bank im FTX-Kontext eingereicht. Die Kläger werfen der Bank vor, durch Verleihen und Mischen von Kundengeldern die Geschäfte von FTX begünstigt zu haben.
Experten halten es für unwahrscheinlich, dass der Crash der einst drittgrößten Kryptobörse der Welt Auswirkungen auf den klassischen Bankensektor hat. Das Krypto-Engagement der meisten Banken ist sehr klein. In der Bankenwelt ist Silvergate eine Ausnahme. „Die Volatilität der Kryptowährungen, die sich in der Performance von Silvergate widerspiegelt, wird die übrigen Banken dazu veranlassen, vorsichtiger zu sein, um Klarheit von den Regulierungsbehörden zu erhalten“, sagte Wells-Fargo-Analyst Shaw.
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