Leben mit Aktien Die unerhörten Prognosen der Saxo Bank

Vorhersagen an der Börse: Und dann kommt es doch anders als gedacht. Quelle: Getty Images

Banken sagen in ihren Jahresausblicken steigende Kurse vorher. Die Prognosekraft solcher Einschätzungen ist umstritten. Ein Broker schießt konsequent übers Ziel hinaus – und bietet deshalb interessante Denkanstöße.

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Advent ist Prognosezeit. Immer zum Jahresende veröffentlichen Banken und Analysten ihre Ausblicke und Einschätzungen, die dann zu Kurszielen verdichtet werden. Wo stehen Dax, S&P 500 und Gold am Jahresende? „Letztendlich ist das pure Raterei, denn niemand weiß, was in der Zukunft passieren wird. Trotzdem geht der Zirkus jedes Jahr von vorne los“; sagt Investor Christian W. Röhl im Podcast Leben mit Aktien.

Seine These: Die meisten Analysten haben vor allem Angst, weit danebenzuliegen. Weil die Aktienmärkte statistisch betrachtet tendenziell steigen, implizieren viele Prognosen Aufschläge zwischen fünf und zehn Prozent, garniert mit Aussagen wie „Ich bin relativ optimistisch, aber nicht überschwänglich“ (Ulrich Stephan, Deutsche Bank). „Die Aussagekraft ist gleich null und dennoch werden die Kursziele von vielen Medien ganz ernsthaft zitiert und erörtert – statt einfach mal zu sagen: Ihr wisst es doch auch nicht“, kritisiert Röhl.

Nur wenige stechen mit ihrer Prognose heraus, im vergangenen Jahr etwa die Helaba, die mit ihrer DAX-Prognose von 16.000 am offensivsten – und am nächsten dran – war. Noch auffälliger ist der dänische Broker Saxo mit seinen „outreageous predictions“: Empörende Prognosen, die man so gar nicht auf dem Zettel hat und deren Eintrittswahrscheinlichkeit zumeist im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegt.

Horst von Buttlar und Christian W. Röhl sprechen im Podcast darüber, wie Anleger die unvermeidlichen Jahresendprognosen nutzen können und welche „goldenen“ Wertpapiere einen Steuerbonus bieten.
von Horst von Buttlar, Christian W. Röhl

Für 2023 hatte die Saxo Bank einen Goldpreis von 3000 Dollar in den Raum gestellt, dazu etwa ein Referendum über den Wiedereintritt Großbritanniens in die EU erwartet oder die radikale Monetarisierung der japanischen Staatsschulden prognostiziert. Wenig überraschend ist nichts davon passiert. Natürlich kann man diese „outrageous predictions“ als Marketing- und Reichweiten-Gag abtun. Das räumt auch Investor Röhl im Podcast Leben mit Aktien ein.

Aber er lese diese Vorhersagen trotzdem gerne, „weil sie den Blick weiten für höchst unwahrscheinliche Szenarien, die aber gravierende Auswirkungen haben können“. Zwar sei die Saxo Bank auch 2023 weit über das Ziel hinausgeschossen, doch immerhin sei der Goldpreis ordentlich gestiegen und die dramatische Abwertung des japanischen Yen ein großes Thema gewesen. „Insofern kann man die ,outrageous predictions‘ durchaus mal als Gedankenexperiment nutzen für das, was alles passieren kann – auch wenn es nicht unbedingt 2024 sein muss“, sagt Röhl.

Extremszenarien für das kommende Jahr

Auch im aktuellen Ausblick der Saxo Bank klingt einiges weit hergeholt: etwa dass Robert F. Kennedy Jr., Neffe von John F. Kennedy und Verschwörungstheoretiker, nicht nur zur US-Präsidentschaftswahl antritt, sondern sogar gewinnt. Allerdings: Die US-Wahlen im November 2024 dürften disruptiven Charakter haben.

Ebenfalls schwer vorstellbar ist, dass der Ölpreis in den nächsten zwölf Monaten auf 150 Dollar klettert, woraufhin Saudi-Arabien die UEFA Champions League kauft. „Aber warum sollte Öl im Fall einer globalen Konjunkturerholung, die auch China einschließt, kein dreistelliges Niveau erreichen?“, meint Röhl. „Und die Ambitionen der Araber, ihre Petrodollars in Premium-Sportveranstaltungen zu stecken, sind nicht von der Hand zu weisen.“

Spannend ist auch eine Vorhersage zu amerikanischen Staatsanleihen: Die US-Regierung sei gezwungen, die Steuerausgaben vor den Wahlen 2024 exponentiell zu erhöhen, um die Wirtschaft in Gang zu halten und soziale Unruhen zu vermeiden, prognostiziert die Saxo Bank. Und weiter: „Aufgrund des anhaltenden Inflationsdrucks und der Rückführung von Kapital durch ausländische Anleger bleibt die Nachfrage nach US-Staatsanleihen gering, was zu einem Anstieg der Renditen von US-Staatsanleihen führt. In einem verzweifelten Versuch, die Kreditkosten zu normalisieren, macht die US-Regierung die Erträge aus Staatsanleihen steuerfrei.“

Klingt extrem unwahrscheinlich, hat laut Christian W. Röhl aber einen wahren Kern: „Es scheint weit hergeholt, aber dass Staaten ihre Schuldtitel aggressiver vermarkten und damit gerade mit Blick auf die Einlagen privater Haushalte in stärkere Konkurrenz zu Banken und Unternehmen treten, sehen wir ja beispielsweise schon in Italien, wo das Finanzministerium letztes Jahr schon eine Treueprämie von einem Prozent ausgelobt hat, wenn Privatanleger eine neu begebene Staatsanleihe die volle Laufzeit von acht Jahren halten.“

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Insofern: Die „outrageous predictions“ der Saxo Bank mögen stark überzeichnet sein, doch sie geben spannende Denkanstöße. Und anders als die standardisierten Kursziele der Analysten motivieren sie, in Szenarien zu denken.

Horst von Buttlar und Christian W. Röhl sprechen im Podcast „Leben mit Aktien“ darüber, wie Anleger die unvermeidlichen Jahresendprognosen nutzen können und welche „goldenen“ Wertpapiere einen Steuerbonus bieten. Jetzt anhören.

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