Ökonom Peter Bofinger „Das Halving dürfte für den Bitcoin-Kurs keine größere Rolle spielen“

Ökonom Peter Bofinger ist einer der schärfsten Bitcoin-Kritiker. Quelle: imago images

Die Bitcoin-Szene zelebriert das Halving als kurstreibendes Event. Peter Bofinger bremst den Optimismus. Die Kryptowährung hat für ihn keinen echten Wert – auch einen Kollaps des Bitcoin-Systems schließt er nicht aus.

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Der Bitcoin führt ein Eigenleben. Mal schnellt der Kurs in die Höhe, mal rauscht er ab. Nicht immer sind die Gründe direkt erkenntlich. Beim Bitcoin ist eben nichts kalkulierbar, mit Ausnahme eines Events, das sich Samstagnacht wiederholt hat: das Halving. Damit sinkt das Angebot neuer Coins. Bleibt die Nachfrage gleich oder zieht sie an, wird der Kurs steigen, so die Idee. Markbeobachter erwarten langfristig steigende Kurse. Peter Bofinger hingegen, Ökonom und Seniorprofessor an der Universität Würzburg, hält von dem Hype um Kryptowährungen nichts. Im Interview erklärt er, warum.

WirtschaftsWoche: Herr Bofinger, Sie gelten als scharfer Kritiker des Bitcoins. Wer im Oktober in die Kryptowährung investiert hat, stünde jetzt gut 140 Prozent im Plus. Nicht schlecht, oder?
Peter Bofinger: Naja, man muss ja schon weiter zurückblicken. Der Bitcoin hat in Dollar gerechnet erst jetzt seinen alten Höhepunkt von 2021 wieder zurückerobert. Zuvor war er dramatisch um bis zu 70 Prozent abgestürzt. Bitcoin-Anleger müssen sich der Tatsache bewusst sein, dass sie mit einem Investment in eine unkalkulierbare Achterbahn einsteigen.

Um in dem Bild zu bleiben: Viele Marktbeobachter gehen davon aus, dass der Bitcoin auf lange Sicht sowas wie eine Achterbahnfahrt ohne Scheitelpunkt ist. Haben sie Unrecht, wenn sie weiter steigende Kurse antizipieren?
Natürlich kann es sein, dass der Kurs weiter steigt. Man muss aber die Logik spekulativer Märkte erkennen. Der Markt lebt von Erwartungen über Erwartungen über Erwartungen. Der Ökonom John Maynard Keynes bezeichnete dies einmal als ‚Spekulation dritten Geldes‘. In spekulativen Märkten gibt es keine realwirtschaftliche Verankerung, sondern es kommt einzig darauf an, die Erwartungen von anderen einzuschätzen, die wiederum eine Erwartung über das Verhalten anderer haben. Beim Bitcoin gibt es nichts Fundamentales, anhand dessen man einen Wert ableiten könnte. Er ist völlig losgelöst von allem. Wie ein Luftballon kann er schnell nach oben gehen – oder platzen.

Zur Person

Bitcoin-Anleger machen nur Gewinn, wenn jemand anders mehr für die Kryptowährung zu zahlen bereit ist. Der Bitcoin wirft keine laufenden Erträge wie Zinsen oder Dividenden ab – genau so wie Gold. Das Edelmetall verteufeln Sie aber nicht.
Beim Gold gibt es einen wesentlichen Unterschied: Gold ist ein chemisches Element und es gibt kein anderes, das die Qualität des Edelmetalls hat. Und es wird auch keines dazukommen. Gold hat keine Konkurrenz, Bitcoin schon. Es gibt Hunderte, Tausende Kryptowährungen. Der Kryptomarkt hat durchaus wettbewerbliche Züge. Das heißt: Es kann irgendwann mal einen neuen Bitcoin geben, der dessen aktuelle Vormachtstellung infrage stellt.

Der Bitcoin kommt gerade auf eine Marktkapitalisierung von 1,4 Billionen Dollar. Dass eine andere Digitalwährung ihn einholen könnte, klingt nach einem sehr theoretischen Risiko.
Die Dominanz des Bitcoins ist keinesfalls natürlich. Die Kryptowährung beruht auf einer Technologie, die nun auch schon einige Jahre alt ist. Und wer kann ausschließen, dass im Jahr 2025 nicht eine viel genialere Kryptowährung erfunden wird, die grundlegende technologische Vorteile gegenüber dem Bitcoin hat? Es wäre eher ein Wunder, wenn in den nächsten Jahren nichts käme, was spannender ist als der Bitcoin.

Diese Gefahr sehen Anleger gerade wohl nicht. Erleben wir angesichts der neuen Rekordstände eine neue FOMO-Stufe, also dass Anleger in der Sorge, etwas zu verpassen, noch größere Risiken eingehen?
Solche Phasen haben wir beim Bitcoin schon mehrmals erlebt. Es ist natürlich vollkommen in Ordnung, in Kryptowährungen zu investieren. Aber es nicht viel anders, als wenn ich mein Erspartes am Wochenende im Casino einsetzen, um damit reicher zu werden.

Trotzdem zeigen Berechnungen, dass Anleger mit einer kleinen Bitcoin-Position im Portfolio bislang eine Überrendite erwirtschaftet haben. Warum sollten sich Anleger diese Chance entgehen lassen?
Das Entscheidende beim Bitcoin wie bei anderen Kryptowährung ist: Sie haben schlicht keinen inneren Wert. Als Anleger habe ich keinen Anspruch auf irgendwas. Bei anderen Anlageklassen wie Aktien, Anleihen oder auch Derivaten ist das anders. Ich habe dort immer einen Counterpart, gegenüber dem ich einen Anspruch habe und von dem ich was einfordern kann. Beim Bitcoin gibt es keinen Counterpart. Der Bitcoin ist im wahrsten Sinne ein Anspruch auf rein gar nichts.

Um den Bitcoin ist ein gigantischer Hype entfacht. Anleger haben am Wochenende gespannt das Halving mitverfolgt – und hoffen nun auf neue Höchststände. Ist das möglich?
von Philipp Frohn

Nun fand ein Ereignis statt, von dem Anleger den Startschuss für eine neue Rally erwarten: das Halving. Dabei wird das Angebot neuer Bitcoins halbiert. Wenn die Nachfrage gleichbleibt, müsste doch der Kurs steigen, oder?
Das sehe ich anders. Jeder weiß, dass das Halving stattfinden wird. Dieses Ereignis sollte schon im Kurs eingepreist sein. Ohnehin sind bereits 93 Prozent der Bitcoins, die es insgesamt geben wird, schon im Umlauf. Dass nun etwas weniger neu auf den Markt kommen, dürfte für den Bitcoin-Kurs keine größere Rolle spielen.

In der Vergangenheit schoss der Bitcoin-Kurs nach dem Halving aber immer deutlich nach oben. Zum letzten Halving vor vier Jahren notierte er noch bei unter 10.000 Dollar.
Das lag aber nicht am Halving. Es gut ein halbes Jahr gedauert, bis der Kurs merklich gestiegen ist.



Im Januar sind in den USA die neuen Bitcoin-ETFs gestartet. Sind in Kombination mit dem Halving nicht doch weiter steigende Kurse wahrscheinlich?
Wie gesagt: Das ist alles bekannt, jeder Anleger hat das mitbekommen. Ich will nicht ausschließen, dass der Bitcoin weiteres Aufwärtspotenzial hat, aber nicht weil nun weniger Bitcoins auf den Markt kommen. Aber es ist eben auch nicht auszuschließen, dass der Bitcoin irgendwann mal implodieren könnte.

Der Bitcoin wurde schon zigmal für tot erklärt. Welches Szenario könnte denn dazu führen?
Letztlich beruht beim Bitcoin alles auf einer digitalen Infrastruktur, der Blockchain. Theoretisch könnten Hacker diese angreifen und durch Attacken das System zum Zusammenbruch bringen. Dann ist fraglich, was aus dem vielen Geld wird, das Anleger in die Kryptowährung gesteckt haben.

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Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst am 20. April. Wir haben ihn aktualisiert und zeigen ihn erneut.

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