Entscheidung bei umstrittener Regelung Verfassungsgericht kippt Berliner Mietendeckel

Der Berliner Mietendeckel war von Anfang an umstritten. Quelle: dpa

Der Berliner Mietendeckel sorgte für reichlich Wirbel in Deutschland. Viele Mieter konnten Geld sparen, die Immobilienwirtschaft sah eine Enteignung. Nun kippte das Bundesverfassungsgericht den Deckel.

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Aus für den Berliner Mietendeckel: Das Bundesverfassungsgericht hat das 2020 in zwei Stufen in Kraft getretene Landesgesetz für nichtig erklärt. Der Bundesgesetzgeber habe das Mietpreisrecht abschließend geregelt, teilte das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe am Donnerstag mit. Für eigene Gesetze der Länder sei deshalb kein Raum. (Az. 2 BvF 1/20 u.a.)

Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen war vor der Entscheidung davon ausgegangen, dass Mieter in diesem Fall wieder die eigentliche, höhere Miete zahlen müssen. Für den Fall, dass das rückwirkend gilt, hatte sie Mieterinnen und Mietern bereits empfohlen, das gesparte Geld vorerst zurückzulegen. Unter Umständen sei die Differenz für die gesamte Vertragslaufzeit nachzuzahlen.

Umstritten war das Mietendeckel-Gesetz in Berlin von Anfang an. Seit dem 23. Februar vergangenen Jahres ist es mit staatlich festgelegten Mietobergrenzen in Kraft. Weil Bundestagsabgeordnete der Union und der FDP eine sogenannte Normenkontrollklage eingereicht haben musste nun das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe entscheiden. Bei der Normenkontrolle prüfte das Verfassungsgericht, ob eine rechtliche Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Eine Normenkontrollklage können die Bundesregierung, Landesregierungen oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestages anstrengen. Auch zwei Berliner Gerichte hatten bereits Zweifel an den Vorschriften.

Im Kern ging es bei dem Urteil um die Frage, ob ein Bundesland – im konkreten Fall Berlin – überhaupt solche Gesetze erlassen darf oder ob das Mietrecht im föderalen System Deutschlands ausschließlich Sache des Bundes ist. Karlsruhe hat zwar schon Eilanträge gegen den Mietendeckel zurückgewiesen, sich in dieser grundsätzlichen Frage aber bisher noch nicht festgelegt. Umstritten war auch, wie weit Eingriffe in Eigentumsrechte, die vom Grundgesetz geschützt sind, gehen dürfen.

von Sonja Álvarez, Martin Gerth, Max Haerder, Niklas Hoyer

Aus Sicht der rot-rot-grünen Landesregierung sollte das Gesetz den Mieterinnen und Mietern in der Hauptstadt eine „Atempause“ verschaffen. Berlin gilt als Tummelplatz für Immobilieninvestoren, die auf hohe Renditen setzen. Die Mieten stiegen hier über viele Jahre überdurchschnittlich stark. Nach Berechnungen des Dachverbands Zentraler Immobilien-Ausschuss (ZIA) kletterten Neuvertragsmieten allein zwischen 2013 und 2019 um 27 Prozent.

Der Mietendeckel galt für die Mieten von rund 1,5 Millionen Wohnungen in Berlin. Sie waren auf dem Stand von Juni 2019 eingefroren. Sie dürften erst ab 2022 wieder zum Inflationsausgleich steigen, nach jetzigem Stand höchstens um 1,3 Prozent jährlich. Wird eine Wohnung wieder vermietet, muss sich der Vermieter an Obergrenzen halten, die sich an Alter, Ausstattung und Lage der Wohnung bemessen, sowie an die zuletzt verlangte Miete.

Bei einem solide ausgestatteten Altbau aus der Zeit vor 1918 ist selbst in guter Lage bei 7,19 Euro pro Quadratmeter und Monat Schluss. Zudem wurden alle Mieten, auch Bestandsmieten anfangs auf dem Niveau vom Juni 2019 eingefroren.  Im November mussten einige Vermieter dann sogar die Mieten in laufenden Verträgen absenken. Vom Mietendeckel ausgenommen sind seit 2014 gebaute Neubauten.

Befürworter sahen diese Regulierung als Erfolg: Die Angebotsmieten in Berlin sind laut Immobilienscout24 um 7,8 Prozent gesunken. So werden Bestandswohnungen, die vor 2014 fertig gestellt worden sind, im Januar 2021 im Schnitt zu 9,64 Euro je Quadratmeter Miete angeboten. Im Januar 2020 hatte der Wert noch bei 10,46 Euro gelegen. „Auf dem Papier können sich durch die Mietreduzierung tendenziell Menschen mit geringerem Einkommen wieder eher eine Wohnung in begehrten Lagen leisten, als dies vor dem Mietendeckel der Fall war“, sagt Thomas Schroeter, Geschäftsführer von Immobilienscout24. Genau das war das Ziel des Mietendeckels. Er solle „eine Atempause schaffen, die wir brauchen, um die Angebotslücke durch Neubau zu schließen“, hatte Berlins Bausenator Sebastian Scheel (Die Linke) der WirtschaftsWoche im August 2020 gesagt.

Gegner des Mietendeckels hingegen sehen ihre Befürchtungen komplett bestätigt. So ist das Angebot an neu inserierten Wohnungen, die unter den Mietendeckel fallen, um 30 Prozent eingebrochen. Das Angebot an Mietwohnungen insgesamt fiel innerhalb eines Jahres um 19 Prozent. In vielen anderen deutschen Metropolen hingegen stieg das Angebot im gleichen Zeitraum um 11 bis 66 Prozent; nur Hamburg verzeichnete einen minimalen Rückgang.

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