Müll, Fernwärme, Abwasser Die Kommunen kassieren ab wie nie – so können sich Verbraucher wehren

Die Müllgebühren der Kommunen weichen teilweise um ein Vielfaches voneinander. Das nährt den Verdacht, dass bei den Kosten getrickst wird.  Quelle: dpa

Einige Kommunen verlangen überhöhte Gebühren für Fernwärme, Müllabfuhr und Co. Diese vier Beispiele zeigen, wie sich Verbraucher dagegen wehren können.

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) fordert mehr Transparenz und faire Preise bei Fernwärme. Nur so sei die Akzeptanz beim Bürger gewährleistet. Die Fernwärmeanbieter selbst planen eine Vergleichsplattform für ihre Konditionen. Sie reagieren damit auf Gerichtsurteile und massive Kritik von Experten an den schwer zu durchschauenden Preisformeln der kommunalen und privaten Versorger. 

Allerdings steht diese Transparenzoffensive erst am Anfang. Und es steht noch nicht fest, ob sie mehr als nur Kosmetik ist. Denn das eigentliche Problem ist die Höhe der Kosten, die die kommunalen Betriebe für Fernwärme, Müllabfuhr oder Abwasser ansetzen. Sie entsprechen häufig nicht den tatsächlichen Ausgaben. So bleibt der Verdacht, dass Gewinne, etwa aus der Fernwärme, andere kommunale Einrichtungen wie beispielsweise Theater subventionieren. 

Bei kommunalen Dienstleistungen gibt es in der Regel keinen Wettbewerb. Öffentliche Betriebe haben ein Monopol. Das heißt, die privaten Haushalte müssen die in ihren Gemeinden geltenden Gebühren für Fernwärme, Abwasser oder Müllabfuhr zahlen. Allerdings sind sie nicht gezwungen, die Höhe der Entgelte klaglos zu akzeptieren. Denn die Gebühren der Kommunen dürfen nur die Kosten decken – nicht mehr.   

Als einzelner Kunde gegen vermeintlich zu hohe Kosten vorzugehen, beispielsweise zu klagen, ist mühsam und kann im Fall eines erfolglosen Gerichtsverfahrens teuer werden. Es gibt allerdings Alternativen wie Musterverfahren, die weniger kosten und das eigene Budget spürbar entlasten können. Die Kunden von Stadtwerken und anderen öffentlichen Betrieben haben dabei vier Optionen.  

Beschwerde

Die Landeskartellämter sind für die Aufsicht über einen möglichen Preismissbrauch bei Fernwärme zuständig. Wärmekunden können sich bei den Ämtern beschweren. Diese prüfen allerdings nur die Höhe des Fernwärmepreises, nicht die Klauseln des Vertrags. Mitunter zieht das Bundeskartellamt Verdachtsfälle für Preismissbrauch an sich. So hat das Amt zwischen 2013 und 2015 Preiserhöhungen für Fernwärme untersucht. Ergebnis: Einige der geprüften Fernwärmeanbieter mussten zu viel gezahlte Gebühren erstatten. 

Alternativ können beispielsweise Fernwärmekunden die unabhängige Schlichtungsstelle Energie einschalten. Im Jahr 2023 gingen dort 25.000 Anträge von Verbrauchern ein. Das waren fast doppelt so viele wie im Vorjahr (13.700 Anträge). Für einen Antrag bei der Schlichtungsstelle muss sich der Fernwärmekunde zuvor erfolglos bei seinem Versorger beschwert haben. Das Schlichtungsverfahren ist für private Haushalte kostenlos. Ziel ist eine einvernehmliche Einigung zwischen dem Versorger und dem Fernwärmekunden. Allerdings sind beide Seiten nicht zu einem Kompromiss verpflichtet. 

Widerspruch

In einigen Kommunen sind die Gebühren für Fernwärme, Abwasser oder Müllabfuhr im Vergleich zum Bundesdurchschnitt stark überhöht. Das kann ein Indiz dafür sein, dass die Kommune Gewinne abschöpft. Grundsätzlich können die Kunden von Stadtwerken die Gebühren dann nur noch unter Vorbehalt zahlen. Damit signalisieren sie dem Versorger, dass sie mit der Höhe der Gebühren nicht einverstanden sind. 

Da Preisunterschiede zwischen den Kommunen für bestimmte Dienstleistungen auch technische Gründe haben können, sollten sich Betroffene vor einem Widerspruch gegen die Abrechnung kommunaler Leistungen rechtlich beraten lassen. Ein Widerspruch schützt die Haushalte davor, dass ihre Rückzahlungsansprüche nach drei Jahren verjähren, bevor sie sie vor Gericht einklagen können. 

Musterklage

Neben Einzelklagen gegen Kommunen gibt es auch Musterverfahren. Bei solchen Musterklagen können auch Verbände gegen zu teure Fernwärme und Abfallentsorgung vorgehen. Derzeit führt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zwei solcher Klagen: gegen die Fernwärmeanbieter E.On und Hansewerk Natur.

Nach Einschätzung des vzbv sind die Preiserhöhungen von E.On und Hansewerk unwirksam, weil die dazugehörigen Klauseln den rechtlichen Vorschriften nicht genügten. E.On hatte beispielsweise in Erkrath-Hochdahl 2022 den Fernwärmepreis von 6,18 Cent pro Kilowattstunde auf 23,24 Cent erhöht.

Für eine Musterklage müssen sich betroffene Kunden für Abwasser, Müllabfuhr oder Fernwärme grundsätzlich bei einem Klageregister des Bundesamts für Justiz anmelden. Im Fall des vzbv ist es das Register für Verbandsklagen. Auf der Internetseite des vzbv können Betroffene überprüfen, ob sie sich an der Musterklage beteiligen können.

Musterverfahren beschränken sich in der Regel auf einen beklagten Versorger und einen bestimmten Teil der Preiskalkulation. Solche Musterklagen hat der Bund der Steuerzahler gegen Abwassergebühren in Nordrhein-Westfalen geführt. Anders als bei Sammelklagen in den USA wird im Musterverfahren nicht über konkrete Entschädigungen entschieden, sondern darüber, ob der Klagegrund zulässig ist.

In einem Musterverfahren nach deutschem Recht wird zunächst gerichtlich geprüft, ob etwa wegen einer fehlerhaften Preisanpassungsklausel Anspruch gegen den Fernwärmeanbieter besteht. Das soll den Klägern Zeit und Kosten ersparen. Bestätigt das Gericht einen Rückzahlungsanspruch gegen den Versorger, muss jeder einzelne Fernwärmekunde in einem zweiten Verfahren seinen individuellen Anspruch vor Gericht durchsetzen. 

Bei den Musterverfahren des vzbv gegen E.On und Hansewerk Natur geht es um Preiserhöhungen von mehreren Hundert Prozent. Kunden dieser Versorger können sich an den Musterklagen beteiligen, wenn bei ihnen der gleiche Sachverhalt zu mutmaßlich überhöhten Fernwärmepreisen geführt hat. Die Kunden anderer Fernwärmeanbieter können sich nicht an den Musterverfahren beteiligen. 

Befreiungsantrag

Derzeit bauen viele Kommunen ihr Fernwärmenetz aus. Dieser Ausbau ist Teil der von der Ampelkoalition angestoßenen Wärmewende für Gebäude. Der Städte- und Gemeindebund fordert von den Ländern in der Regel, einen Anschluss- und Benutzungszwang für Fernwärme zuzulassen. Nur so ließen sich Fernwärmenetze wirtschaftlich betreiben.

In Stadtgebieten, wo ein Hausanschluss möglich ist, sind die Bewohner in der Regel zum Fernwärmeanschluss verpflichtet. Zwar sieht das bundesweit geltende Wärmeplanungsgesetz keinen Anschlusszwang vor, die Kommunen können ihn jedoch per Satzung festlegen. Unter welchen Bedingungen ein Anschlusszwang möglich ist, regeln die Länder.

Wer Fernwärme bezieht, ist der Preispolitik des Anbieters ausgeliefert. Hauseigentümer, die nicht angeschlossen werden wollen, können bei ihrer Gemeinde einen Befreiungsantrag stellen. In den Fernwärmesatzungen der Kommunen sind die Bedingungen festgelegt, unter denen es möglich ist, seine eigene Heizungsanlage weiter zu betreiben. In Hannover zum Beispiel können sich Hauseigentümer befreien, wenn ihre Heizung weniger CO2 erzeugt als die Fernwärme

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Neben der Anschlusspflicht gibt es auch subtilere Methoden, Verbrauchern Fernwärme anzudienen. Die Stadtwerke Cottbus beispielsweise haben angekündigt, dass dort, wo Fernwärme im Stadtgebiet zur Verfügung steht, das Gasnetz auf lange Sicht nicht mehr modernisiert wird. Perspektivisch solle das Netz stillgelegt werden. 

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