Wohnen Steigende Mieten: Warum die Mietpreisbremse nicht hilft

Wohnhaus in Berlin Charlottenburg Quelle: imago images

Die Ampelregierung hat sich auf eine Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029 geeinigt. Sie gilt seit neun Jahren und soll zu stark steigende Mietpreise verhindern. Das gelingt ihr kaum.

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Die Mietpreisbremse bleibt. Am vergangenen Mittwoch haben sich die Regierungsparteien darauf geeinigt, die Regulierungsmaßnahme weiterlaufen zu lassen. Die seit 2015 geltende Regelung wäre im kommenden Jahr nach zehn Jahren ausgelaufen. Nun aber bleibt sie bis 2029 in Kraft.

Dass die Verlängerung erst jetzt kommt, dürfte an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gelegen haben. Dieser wollte dem Beschluss nur zustimmen, sofern sich die Koalition parallel über den Umgang mit Kommunikationsdaten für Ermittlungszwecke einigt.

SPD und Grüne sind trotz der Einigung unzufrieden. Ihnen geht der neue Beschluss nicht weit genug. Um die Mietpreisentwicklung weiter zu deckeln, fordern sie eine Erhöhung der Kappungsgrenze von 15 auf künftig elf Prozent in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt. Sie legt fest, um wie viel Prozent der Vermieter die Mietkosten innerhalb von drei Jahren anheben darf.



Während die Ampelparteien also weiter streiten, setzt sich die angespannte Lage am Mietmarkt fort. Die wichtigste Frage ist dabei gar nicht abschließend geklärt: Funktioniert die Mietpreisbremse überhaupt?

Das Grundprinzip der Mietpreisbremse

In der Theorie ist das Prinzip der Mietpreisbremse aus Mieterperspektive attraktiv: Um zu verhindern, dass die Mietpreise in dicht besiedelten Städten überdurchschnittlich stark ansteigen, dürfen Vermieter dort den Preis ihrer Wohnungen bei einer Neuvermietung um nicht mehr als zehn Prozent anheben. Als Richtwert gilt hier die ortsübliche Vergleichsmiete. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Wohnraum für alle Menschen bezahlbar bleibt.

Für viele Bürgerinnen und Bürger klingt das erstmal nach einer guten Sache. Ihre Miet- und Lebenshaltungskosten stiegen im Vergleich zu 2020 um 18,6 Prozent. Dass die Politik handelt und preisdämpfende Maßnahmen umsetzt, begrüßen darum viele.

Doch Ökonomen sind der Meinung, dass eine Mietpreisregulierung wie die Mietpreisbremse auf Dauer mehr Schaden anrichtet, als dass sie hilft. Michael Voigtländer vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) hält die Mietpreisbremse zum Beispiel für kein kluges Instrument: „Wir sehen sehr starke Mietsteigerungen bei den Neuvermietungen und ein zunehmendes Auseinanderlaufen zu den Bestandsmieten.“ Laut dem Wirtschaftswissenschaftler dürfe das nach Logik der Mietpreisbremse gar nicht passieren.

Tatsächlich zeigt der im Februar veröffentlichte IW-Mietpreisindex zum Ende des vergangenen Jahres eine durchschnittliche Erhöhung der Neuvermietungspreise um 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Insgesamt stiegen die Mieten zwischen seit 2022 bis heute um 8,7 Prozent.

Ist die Mietpreisbremse Schuld an steigenden Preisen?

Der Mangel an Wohnraum und die ungebrochen hohe Nachfrage in den Großstädten treiben die Kosten fürs Wohnen trotz Mietpreisbremse weiter in die Höhe. Das untermauern auch aktuelle Zahlen des Berliner Mieterbundes. Ihnen zufolge lag der Mietpreis in 98 Prozent der ihnen gemeldeten Überprüfungsfälle über der gesetzlich festgelegten Grenze. Zwar handelt es sich insgesamt um lediglich 912 gemeldete Fälle, aber in der Tendenz könnten sie trotzdem ein Hinweis auf die Ursache der weiter stark ansteigenden Mieten sein.

Die für Berlin vergleichsweise niedrige Zahl an gemeldeten Fällen bei weiter steigenden Mietpreisen legt den Verdacht nahe, dass eine Vielzahl der Mieterinnen und Mieter die Preiserhöhungen akzeptieren, um überhaupt an Wohnraum zu gelangen. 2019 hatte Vonovia-Chef Rolf Buch bei der Debatte um den Berliner Mietendeckel vor der Bildung eines Schwarzmarktes gewarnt. Auch die Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sehen diese Gefahr. Finanziell bessergestellte Wohnungssuchende könnten mit Hilfe von Sonderzahlungen oder überhöhten Abschlagszahlungen versuchen, die Gunst der Makler und Vermieter für sich gewinnen. Das würde die Chance auf bezahlbaren Wohnraum für alle anderen schmälern.

Vorbei an der Mietpreisbremse: Wie Vermieter die Regulierung umgehen

Schon jetzt nutzen Vermieter Ausnahmeregelungen, um die Mietgesetze auszuhebeln. Wer seine Wohnung beispielsweise möbliert vermietet, ist von der Mietpreisbremse unter Umständen ausgenommen. Einer Auswertung der Immobilienbörse ImmoScout24 zufolge lagen die Preise für möblierte Wohnungen in Deutschlands Metropolen zuletzt im Schnitt 53 Prozent über den unmöblierten. In Berlin macht das einen durchschnittlicher Quadratmeterpreis von 36,82 Euro für ein möbliertes Apartment.

Auch Indexmieten sind unter Vermietern ein beliebtes Mittel, um einer Regulierung durch die Mietpreisbremse zu entgehen. Bei Indexmietverträgen wird die Miete an die Entwicklung des amtlichen Verbraucherpreisindexes angepasst. Steigt dieser wie in den letzten Jahren an, können Vermieter ihre Mieten entsprechend anheben. Durch die seit zwei Jahren stärker steigenden Teuerungsraten griffen zuletzt immer mehr von ihnen auf dieses Instrument zurück. Jedoch hat die Umstellung auch für die Vermieter einen Haken. Wer auf Indexmieten umsteigt, darf die Kosten für eine Modernisierung nicht mehr auf die Mieter umlegen.

Ein Umstand, der auch für Mieter, die nicht von Indexmieten betroffen sind, zum Nachteil werden kann: Zwar können Vermieter die Kosten der Modernisierungsarbeiten hier umlegen. Sie können dies jedoch nur im gesetzlichen Rahmen und bis zum Greifen der Mietpreisbremse tun. Das wiederum könnte die Bereitschaft der Eigentümer schmälern, überhaupt Investitionen vorzunehmen. Dadurch könnte mittel- und langfristig auch die Wohnqualität für die Mieter spürbar sinken.

Die Lage am Wohnungsmarkt ist also weiterhin angespannt. Zurückführen lässt sich die Situation auf das mangelnde Angebot an bezahlbarem Wohnraum. Daran kann, nach aktuellem Stand, auch die Mietpreisbremse nichts ändern. Was aber könnte die Situation beruhigen?

Neubau als wichtigster Hebel

Auch hier sind sich Ökonomen über die zentrale Maßnahme weitgehend einig: „Mehr Angebot schaffen ist das Einzige, was die Wohnungsnot moderiert“, sagt IW-Forscher Voigtländer. Doch die Hoffnungen, dass das bald passiert, sind gering. 400.000 neue Wohnungen versprach die Bundesregierung jährlich zu bauen. Nachdem sie dieses Ziel schon in den vergangenen Jahren verfehlte, droht sich dieser Trend weiter zu dramatisieren. Das kritisiert auch das Verbändebündnis Wohnungsbau, zu dem der Deutsche Mieterbund, die IG Bauen-Agrar-Umwelt, die Wohnungswirtschaft und die Verbände der Bauindustrie gehören. Laut dem Verbändebündnis fehlen in Deutschland derzeit 800.000 Wohnungen.

Eine weitere Möglichkeit, um die Wohnungsnot in deutschen Großstädten zu dämpfen, könnte die Stärkung der Umlandgemeinden sein. „Bessere Infrastruktur, schnellere Bahnverbindungen“, sagt Ökonom Voigtländer, „all das sind Dinge, die eben dazu führen, dass sich die Wohnraumnachfrage besser verteilt.“

Aber taugt die Mietpreisbremse denn gar nichts?

2018 hatte das Bundesjustizministerium das DIW mit einer Evaluation der Mietpreisbremse beauftragt. Darin attestierte das Institut der regulatorischen Maßnahme noch einen verlangsamenden Effekt auf die Mietpreisdynamik. Eine spätere Studie des RWI-Leibniz Instituts aus dem Jahr 2020 bescheinigte der Mietpreisbremse, dass sie im Ergebnis durchaus zu niedrigeren Mieten führe, um durchschnittlich 2,5 Prozent.

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Jedoch sei ihre Wirkung nach spätestens eineinhalb Jahren bereits aufgehoben. Als Ursache machten die Forschenden die fehlende Meldung und Sanktionierung von Verstößen aus.

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