Strafprozess gestartet Cum-Ex-Richter: „Es war ein kollektiver Griff in die Staatskasse“

Cum-Ex-Geschäfte erfüllen den Tatbestand einer Steuerhinterziehung, sagte der Richter des Landgericht Bonn zur Eröffnung des ersten Strafprozess um Cum-Ex-Geschäfte in Deutschland.

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Der Vorsitzende Richter hält die verhandelten Cum-Ex-Geschäfte für strafbar. Quelle: dpa

Im ersten großen Straf-Prozess um Cum-Ex-Geschäfte in Deutschland sieht das Landgericht Bonn die Steuertricks als nicht rechtens an. „Cum-Ex-Geschäfte sind in der hier angeklagten Konstellation strafbar“, sagte Richter Roland Zickler am Mittwoch in einer ersten rechtlichen Einschätzung des Anfang September begonnen Verfahrens.

Der Tatbestand einer Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall sei grundsätzlich erfüllt. Es sei im Prozess erkennbar geworden, dass es keinen wirtschaftlichen Sinn für die Geschäfte gegeben habe. Beteiligten Instituten könne die Einziehung der erlangten Gewinn drohen. Dies gelte auch für Investoren, die gar nicht an dem Prozess in Bonn beteiligt sind und Vorteile aus den Steuer-Deals erlangten.

„Die Kammer ist weit davon entfernt, Banken pauschal abzuwatschen“, sagte der Richter. „Was wir gesehen haben, sind aber zahlreiche Beispiele für Fehlverhalten“, fügte er hinzu: „Es war ein kollektiver Griff in die Staatskasse.“

Vor der 12. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts müssen sich die beiden britischen Händler Martin S. und Nicholas D. verantworten. Sie sollen laut Anklage von 2006 bis 2011 mit Aktiendividenden getrickst und den deutschen Staat um rund 440 Millionen Euro gebracht haben. Ihnen droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren. Beide haben im Prozess bereits ausführlich ausgesagt. Das könnte sich strafmildernd auswirken, machte Zickler deutlich.

Auch fünf Geldhäuser müssen den Richtern am Landgericht Bonn Rede und Antwort stehen. Laut Zickler handelt es sich dabei um die Holdinggesellschaft der Hamburger Privatbank M.M. Warburg, deren Tochter Warburg Invest, Fondshäuser der französischen Bank Societe Generale und des US-Instituts BNY Mellon sowie die Hamburger Kapitalverwaltungsgesellschaft Hansainvest. Als Ausgleich für den mutmaßlich entstandenen Schaden kann das Gericht Vermögen von den Banken einziehen. Zickler machte deutlich, dass dies auch nach der ersten Bewertung der Kammer geschehen könnte.

Bei den Cum-Ex-Geschäften ließen sich Anleger die einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden mit Hilfe von Banken mehrfach erstatten. Dazu verschoben sie um den Stichtag der Dividendenzahlung herum untereinander Aktien mit - also cum - und ohne - ex - Dividendenanspruch. Insgesamt geht es bei dem Skandal um Hunderte Fälle mit einem vermuteten Gesamtschaden von mehreren Milliarden Euro.

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