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Gestikulieren Sie vor dem Publikum spiegelverkehrt

Sie kennen sich in Ihrem Fachgebiet aus und wissen, wie man Vorträge und Präsentationen so strukturiert, dass alle dranbleiben? Sehr gut, dann jetzt mal der Feinschliff bei der Körpersprache. Ein paar Tipps.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

Nichts macht mich selber verkrampfter als Verbote: „Sag nicht dies und mach nicht so, sonst kommst du nicht gut rüber.“ Das lässt vor unserem geistigen Auge Zäune in die Höhe wachsen: Was darf ich? Was ist noch im Rahmen? Wo schlage ich über die Stränge?

Dabei wollen wir doch über uns hinaus wachsen. Oder haben Sie von sich das Gefühl: Ich muss auf der Bühne eingefangen werden, sonst gehe ich vor meinem Publikum durch wie ein heißblütiges Wildpferd? Meistens sind wir doch dankbar, wenn wir erfahren: „Du darfst ruhig. Probier dies und das mal aus. Und wenn du dich damit wohl fühlst, dann auf sie mit Gebrüll.“

Es geht darum, dass wir uns Selbstsicherheit erarbeiten in Lebenssituationen, die so selten und ungewöhnlich sind, dass uns die Routine fehlt - und deshalb auch die Souveränität. Wie eben vor der Stresssituation Bühnenauftritt. Sei es eine Präsentation vor der ganzen Abteilung, ein Referat an der Uni oder ein Statement vor laufenden Fernsehkameras. In diesem Moment möchte ich niemals darüber nachdenken müssen, was ich nicht darf. Sondern ich möchte mir dessen bewusst sein, dass ich in dem, was ich gerade mache, gut bin.

Und deshalb kenne ich kaum etwas, das selbstsicherer macht, als Lösungen für die persönlichen Knackpunkte im Vorfeld solange auszuprobieren, bis jeder und jede für sich eine eigene Art entwickelt hat, die einfach gut passt. Von der Struktur des Vortrags über die Art der Formulierungen und der Betonweise über die körperliche Eroberung des Raums auf der Bühne und den Einsatz von Humor bis hin zur Körperhaltung, der Gestik und und und. Einfach für mehr Sprechvergnügen.

Lassen Sie uns jetzt einmal darüber nachdenken, was wir beim Reden vor Anderen mit unseren Händen und Armen machen. Beginnen wir mit der Frage:

Soll ich mir die Hände abhacken? Antwort: nein.

Das wäre schade. Wir können unsere Hände beim Vortragen noch hervorragend gebrauchen. Doch viele von uns empfinden die Hände auf offener Bühne als zwei lästige Fleischlappen an plötzlich viel zu langen Armen, die zusätzlich zur Präsentation oder dem Vortrag noch beschäftigt werden müssen. Das nervt natürlich.

Deshalb mein Tipp: Parken Sie Ihre Hände, wenn Sie sie gerade nicht brauchen. Stellen Sie sie vor die Garage. Und diese imaginäre Garage ist Ihre Gürtelschnalle. Legen Sie dort die Handflächen ganz entspannt und locker leicht aufeinander, so dass beide Handrücken nach unten Richtung Fußboden weisen. Zur Orientierung, damit Sie wissen, wie ich es meine: Der Winkel zwischen Unterarm und Oberarm wird dann so in etwa 120 Grad betragen.

Wenn sich Ihre Hände mit ganz entspannt gekrümmten Fingern wie zwei spontan und unsymmetrisch ineinander gestapelte Müslischalen dort treffen, dann können Sie so sogar auf der Bühne umhergehen, ohne sich Gedanken um Ihre Hände machen zu müssen. Glauben Sie nicht? Dann schnappen Sie sich Ihr Smartphone und zeichnen Sie sich auf, wie Sie in dieser Haltung durchs Wohnzimmer oder das Büro laufen. Sie werden sehen, entspannt vor der Gürtelschnalle geparkte Hände sehen einfach so authentisch aus, dass sie kaum mehr wahrgenommen werden. Weder von Ihnen als Redner und Rednerinnen, noch von Ihren Zuhörern.
Ganz anders als die geplant mit dem Daumen in der Hosentasche eingehakten Hände, oder die locker an den Schultern ins Nichts herunter baumelnden Arme. So stehen wir normalerweise nicht, wenn wir anderen etwas erzählen. Es gibt also auch keinen Grund, dies auf der Bühne zu tun.

Das Gute an der Parkposition vor der Gürtelschnalle ist auch: Von dort haben es die Hände nicht weit, wenn Sie sie zum Gestikulieren brauchen: zum Zeigen auf einem Schaubild an der Leinwand, zum Untermalen von lebendigen Schilderungen, zum visuellen Unterscheiden von „einerseits, andererseits“ und so weiter. Selbst die kleinsten Minibewegungen, bei denen sich die Hände nur wenig Zentimeter und Sekundenbruchteile von einander verabschieden, werden mit ein bisschen Übungen irgendwann wie von selber kommen. Weil es so naheliegend ist. Etwa: „Erstens… zweitens…und drittens.“ Und dabei formen sich ein bis drei Finger fast unbemerkt in der Nähe der Gürtelschnalle oder auf Bauchhöhe, weil Ihre Hände förmlich mitdenken. Sie brauchen die Arme zum Aufzählen dann gar nicht irgendwie vorgeplant nach oben zu reißen.

Und wenn Sie unterbewusst Ihre Hände zum Gestikulieren benutzt haben und sie nicht mehr brauchen, wandern sie ganz entspannt wieder zurück und treffen sich vor der Gürtelschnalle. Einer meiner Coaching-Teilnehmer hat es einmal so beschrieben: „Sie treffen sich dort ganz locker gelenkt wie von einem kleinen Magneten angezogen. Klack.“ Das Bild passt perfekt. Ohne Anstrengung finden sich die Hände dort wie automatisch wieder.

Wenn Sie diese Position für sich erobert haben, brauchen Sie auch keine dieser stressigen Verbote wie: „Niemals tiefer als der Hosenknopf! Niemals höher als am Bauchnabel halten.“ Sie werden dieses Bedürfnis gar nicht mehr haben, Ihre Hände irgendwo oben oder unten zu beschäftigen. Sie schlummern wie unsichtbar vor der Gürtelschnalle. Probierten Sie es unbedingt vor dem Spiegel aus: Das sieht gut aus. Danach werden Sie nie wieder einen Parkplatz für Ihre Hände suchen.

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