Angriffe auf Frachter im Roten Meer „So eine Unterbrechung der Lieferwege treibt die Inflation“

Das Rote Meer ist für die Frachter eine wichtige Route: Aktuell verzichten dennoch viele Reedereien auf diesen Weg. Quelle: imago images

Die Angriffe der Huthis auf Frachter bringen wirtschaftliche Folgen mit sich. Durch die Umfahrung des Roten Meers und des Suezkanals steigen die Kosten. Ökonom Gabriel Felbermayr erklärt im Interview, was das bedeutet.

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Seit Ende vergangener Woche setzten viele Reedereien die Durchfahrt durch den Suezkanal aus. Der Grund: die Angriffe durch die Huthi-Rebellen. Neben MSC, Hapag-Lloyd und A.P. Moller-Maersk kündigte am Montag auch der Ölkonzern BP an die Lieferungen über die Seestrecke zu vermeiden.

WirtschaftsWoche: Nach den jüngsten Angriffen auf Frachtschiffe haben mehrere Reedereien ihre Fahrten durch das Rote Meer pausiert. Wie sehen die alternativen Routen aus, wenn die Frachter nicht durch den Suezkanal gelangen?
Gabriel Felbermayr: Es gibt verschiedene Alternativen. Einmal den langen Weg rund um Afrika. Der verlängert die Reise um eine Woche, und das führt dann aber auch zu höheren Spritkosten. Es ist also ökonomisch eine Herausforderung für viele Reedereien. Neben dem Seeweg gibt es zusätzlich die Möglichkeit, die Fracht per Flugzeug vom Fernen Osten nach Europa zu bringen. Aber auch dieser Weg ist teurer, und die verfügbaren Kapazitäten reichen nicht aus. Für die eine oder andere Lieferung wäre es vielleicht vorstellbar, aber ein wirklicher Ersatz ist es nicht. Vor den Sanktionen gegen Russland gab es noch den Weg über die Schiene. Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine sind viele Züge beispielsweise aus China bis nach Duisburg gefahren. Durch die aktuelle Situation ist das aber ebenfalls sehr schwierig. Es gibt also Alternativen, aber die sind nicht gut.

Sie sagten, dass die Alternativen alle kostspieliger seien. Bleiben wir bei dem Beispiel, dass ein Containerschiff über Afrika umgeleitet wird. Mit welchem Kostenmehraufwand muss gerechnet werden?
Das ist eine Marktfrage, und die Preise stehen in Abhängigkeit zu vielen Parametern. Klar ist aber, dass der Spritbedarf sich um mindestens 60 Prozent erhöht, und durch die längere Reisezeit steigen die Kapitalkosten. Das bedeutet: Je länger der Transport dauert, desto länger ist das eingesetzte Kapital gebunden und verursacht Kosten. Das betrifft nicht nur die Ware, sondern auch das Schiff selbst. Die Frachtkosten können sich dadurch sogar mehr als verdoppeln. Hinzu kommt die verringerte Kapazität. Sie treibt ebenfalls die Kosten nach oben. Insgesamt muss mit einem ordentlichen Schub bei den Transportkosten gerechnet werden.

Quelle: imago images

Zur Person

Welche Auswirkungen hat das wiederum auf die Inflation?
Das ist die große Frage. Wir haben gesehen, welche Auswirkungen die Suezkanal-Blockade durch die „Ever Given“ hatte. Das wird in der Literatur als ein Element der weiterreichenden Lieferkettenstörungen gesehen. Und die wurden am Ende als preistreibend für die Konsumenten und Konsumentinnen gesehen. In welchem Ausmaß es jetzt die Inflation anheben würde, ist schwierig zu sagen. Eindeutig ist: So eine Unterbrechung der Lieferwege führt zu höheren Transportkosten und treibt die Inflation. Hinzukommt, dass es Segmente betrifft, die als inflationsbremsend galten – also Schuhe, Kleidung oder auch Elektronik.

Heute Nachmittag verkündete der Ölkonzern BP, die Öllieferungen über das Rote Meer vorerst einzustellen. Daraufhin stiegen Preise an der Terminmarktbörse. Wie lässt sich dieser Einstieg einordnen?
Das ist das Gleiche wie mit der Kleidung und Elektrogeräten. Wenn die Rohstoffe wie Erdöl, Erdgas und Flüssiggas aus Australien oder Katar negativ betroffen sind, hat es Konsequenzen – die Preise steigen. Auch hier gilt: Die Sicherheitslage muss so verbessert werden, dass Tanker wieder fahren können. Es geht sehr viel Flüssiggas durch den Suezkanal. Was uns aber aktuell hilft, ist die aktuell schwache Konjunkturlage haben. Sie entspannt die Nachfrage nach Energie. Das bremst die Preisredaktion ein. Aber ein möglicher Kapazitätsengpass könnte die Preise nach oben treiben.

Schneller schlau: Huthi-Rebellen

Gibt es denn schnelle Lösungen, die einer längeren Umgehung der Strecke entgegenwirken können?
Aktuell fehlt eine genaue Einschätzung der Sicherheitslage. Das Rote Meer war schon immer ein Nadelöhr. Deshalb gibt es die Militäroperation der EU – Operation Atlanta. Dort gehen die Kräfte vermehrt gegen die Piraterie vor. Die Piraten versuchten vermehrt, Schiffe mit Schnellbooten zu kapern. Aktuell kommt die Bedrohung von Raketen aus dem Jemen. Da muss jetzt erstmal geschaut werden, was dagegen getan werden kann. Und dabei ist ganz wichtig: Es geht hier nicht nur um Europa, sondern auch um China. Der bilaterale Handel zwischen Deutschland und China beträgt etwa 300 Milliarden Euro in beide Richtungen. Deshalb haben auch die Chinesen ein Interesse daran. Das heißt, es ist sehr wahrscheinlich, dass bereits auf diplomatischen Wegen versucht wird, den Schutz der maritimen Verbindung zu verbessern. Da muss Europa jetzt mit China zusammen an einer Lösung arbeiten.

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Wenn Sie es zusammenfassen müssen, wie würden Sie die gesamtwirtschaftliche Situation beurteilen?
Wir haben in weiten Teilen Europas eine Industrierezession und immer noch eine hohe Preisdynamik, vor allem in der Kerninflation. Aus diesem Grund sind die Störungen der Lieferketten wie am Suezkanal höchst unwillkommen. Wir haben die Hoffnung, dass das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr – vor allem in Deutschland – wieder anspringt. Aber die Art der Störung, die sich im Fernhandel zusammenbraut, könnte die Erholung der Industrie noch mal verzögern.

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