Xi Jinping hat sich durchgesetzt: Zweifel an seiner absoluten Kontrolle über die Führung der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) können nach dem Nationalkongress zu den Akten gelegt werden. Xi wurde für eine dritte Amtszeit bestätigt, das 24 Mann starke Politbüro ist bereinigt von Anhängern einer pragmatischen und weniger ideologischen Politik. Der siebenköpfige Ständige Ausschuss ist ausschließlich mit Xi-Loyalisten besetzt. Wohin die Reise jetzt politisch geht, ist klar: Festhalten an der Null-Covid-Politik, eine konsequente staatliche Förderung von Innovation in Wissenschaft und Wirtschaft, die Betonung von nationaler Sicherheit als allumfassendem Prinzip und die Zurückweisung ausländischer Einmischung in die Taiwanfrage.
Die politischen Linien spiegeln sich in den Personalentscheidungen: Xi setzte sich über die langjährige Praxis hinweg, nach der Führungskader über 68 Jahre aus den Spitzengremien ausscheiden müssen. Im neuen Politbüro sitzt der 69-Jährige Außenminister Wang Yi, ein „Wolf Warrior“ und lang gedienter Diplomat.
Auf der anderen Seite wurden mehrere Kader unter 68 nicht in die neue Führung aufgenommen. Die größte Überraschung ist hier die Personalie Hu Chunhua: Der Vizepremier wurde nicht in das neue Politbüro gewählt. Er galt als Favorit des ehemaligen Parteivorsitzenden Hu Jintao, der auf dem Parteitag in einer merkwürdigen Szene vom Podium weggeführt wurde. Die genauen Hintergründe des Zwischenfalls sind unklar, in jedem Fall wurde Hu gedemütigt. Eines steht jedenfalls fest: Reformorientierung nach westlichem Verständnis hat keinen Platz mehr in der KPC.
Stattdessen machen in Xis Dream-Team Technokraten Platz für Techno-Nationalisten. Li Qiang, bisher Parteichef von Shanghai, wird nun im März zum neuen Premier ernannt. Li verantwortete den zweimonatigen Lockdown in der 25-Millionen-Stadt, ist bei den Bürgern umstritten. Doch er ist eben ein absoluter Xi-Loyalist. Auch Xis rechte Hand, Ding Xuexiang, wurde in den Ständigen Ausschuss befördert. Er könnte mit seinen 60 Jahren sogar als Nachfolger infrage kommen, sollte Xi in fünf Jahren seinen Einfluss in anderer Rolle ausbauen wollen. Ding arbeitete schon 2007 in Shanghai unter Xi, folgte ihm später in die Parteizentrale.
Mit Li Xi, bisher Parteisekretär der Provinz Guangdong, wird die mächtige Antikorruptions- und Disziplinarkommission künftig auch von einem bekennenden Unterstützer Xis geführt. Die Behörde soll dafür sorgen, dass das Xi-Jinping-Gedankengut von den Parteimitgliedern und Beamten gelebt wird. Die Kommission wird künftig nicht nur Korruption und ähnliche Vergehen, sondern auch Äußerungen oder Verhalten ahnden, die dieser ideologischen Linie entgegenlaufen.
Umfassende Änderungen machen Xis Diktum absolut. Xi ist das Parteiprogramm, er ist „Kern der Partei“. Die Eckpunkte seines politischen Programms, etwas das „Wiederaufleben der chinesischen Nation,“ „Gemeinsamer Wohlstand,“ die Vereinigung mit Taiwan, und Xi Jinpings Gedankengut als Leitfaden sind nun Teil des Ideologiekanons der Partei.
Umverteilung in China
Das Ziel des „Gemeinsamen Wohlstands“ beinhaltet nicht weniger als eine Umverteilung in China, einem Land wachsender Einkommensgegensätze. Es ist weniger zu erwarten, dass dies über Steuerreformen passiert als über mehr Druck auf wohlhabende Gruppen aus der Privatindustrie, die sich als „patriotische Entrepreneure“ stärker dem sozialistischen Projekt anschließen sollen.
Inwiefern sich die ideologischen und ambitionierten wirtschaftspolitischen Ziele der KPC in den nächsten Jahren umsetzen lassen, ist trotz der neuen, historischen Machtfülle Xis fraglich. Chinas schlechte wirtschaftliche Lage, die Null-Covid-Politik, die Alterung der Gesellschaft und die auch wegen des Bündnisses mit Russland zunehmende internationale Isolation begrenzen Pekings Handlungsoptionen.
Doch die neue Führung unter Xi scheint bereit, hohe soziale, diplomatische, und wirtschaftliche Kosten in Kauf zu nehmen. In diesen Geist fügen sich Ankündigungen, es brauche „stärkeren Kampfgeist“ um nationale Ziele zu erreichen. Verweise auf „strategische Fenster der Gelegenheit“, die es zu nutzen gelte, finden sich im Gegensatz zu früher nicht im aktuellen Dokument. Damit waren bisher vor allem auch die produktiven Beziehungen mit „dem Westen“ gemeint. Die Führung hält diese Beziehungen offensichtlich nicht mehr für gesichert und stellt sich auf turbulente Zeiten ein – im Inneren und nach außen. Xi ist dabei pessimistischer als die meisten internationalen Unternehmen.
Schon deshalb verfolgt China seine Ambitionen in der Hochtechnologie immer radikaler. Das bedeutet, dass ausländischen Firmen mit wertvoller Expertise – zumindest zeitweise – noch mehr der rote Teppich ausgerollt werden wird. Umgekehrt wird die Partei von den Firmen aber auch erwarten, aktiver chinesische Interessen zu vertreten und für bessere Beziehungen Lobbyismus zu betreiben. Anleger quittierten Xis dritte Amtszeit umgehend, chinesische Börsenwerte stürzten ab. Wahrscheinlich wird die Einflussnahme der Politik in China auf die Wirtschaft weiter zunehmen, insbesondere, wenn es um Sicherheitsthemen geht. Die Devise in Xis neuer Ära lautet auch für die Wirtschaft: Stabilität gilt denen, die politisch wichtig sind.
Lesen Sie auch: Sind China-Aktien jetzt günstig – oder gefährlich?