Handelsbeziehungen Drei Punkte, die Malaysia als Standort attraktiv machen

Drei Dinge machten Malaysia attraktiv, sagt der Handelsminister des Landes: saubere Energie, reichlich Land und seine Talente. Junge Frauen beim Fastenbrechen in Kuala Lumpur. Quelle: REUTERS

Deutschland soll sich unabhängiger von China machen – und mehr Südostasien zuwenden. Der Handelsminister Malaysias sagt, was sein Land attraktiv macht, was es von Deutschland lernen will – und warum er die US-Wahl mehr fürchtet als China.

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Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung sich eine China-Strategie gegeben. Das Ziel: Die deutsche Wirtschaft soll unabhängiger von ihrem wichtigsten Handelspartner werden. Entstanden ist der Plan auch unter dem Eindruck, wie gefährlich es sein kann, auf nur ein Land zu setzen – wie für Gasimporte auf Russland. Um mit China nicht in eine ähnliche Lage zu geraten, sollte sich dessen Konflikt mit Taiwan verschärfen, werden die südostasiatischen Staaten für die Bundesregierung als Partner wichtiger. 

Gerade hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin die Staats- und Regierungschefs aus Malaysia, den Philippinen und Thailand empfangen. Malaysia ist Deutschlands größter Handelspartner innerhalb des Verbands Südostasiatischer Staaten (Asean) – und hinter Taiwan der zweitwichtigste Lieferant von Halbleitern deutscher Unternehmen. Mehr als 700 deutsche Unternehmen beschäftigen laut bundeseigener Außenwirtschaftsagentur GTAI mehr als 63.000 Menschen. Die Region Asien-Pazifik wächst im internationalen Vergleich schneller als der globale Durchschnitt.

WirtschaftsWoche: Herr Minister, Deutschland soll seine Beziehungen diversifizieren – und hiesige Unternehmen in kritischen Bereichen ihre Abhängigkeit von China verringern. Eine Schlüsselrolle kommt dabei Ländern wie Ihrem, Malaysia, zu. Wie nehmen Sie die Avancen aus Deutschland wahr?
Tengku Zafrul Aziz: Es stimmt, wir spüren ein strategischeres und stärker fokussiertes Interesse Deutschlands. 2017, 2018 sind noch viele Investitionen an den Ländern der Asean-Gruppe vorbei und vor allem nach China geflossen. Seither haben sich Handelskonflikte zwischen den zwei wirtschaftlichen Supermächten USA und China entwickelt, Unternehmen beginnen, zu diversifizieren – und Südostasien profitiert davon, weil wir einen neutralen Standpunkt in dem Konflikt einnehmen. Unternehmen sehen uns als guten Standort, um ihr Lieferkettenrisiko zu diversifizieren.

Zur Person

Was hebt Ihr Land von den anderen Asean-Mitgliedern ab? Noch ist Malaysia Deutschlands wichtigster Handelspartner innerhalb der Ländergruppe. Allerdings geht die bundeseigene Außenwirtschaftsagentur GTAI davon aus, dass Vietnam Ihr Land in den nächsten ein bis zwei Jahren überholen dürfte.
Unser Wettbewerbsvorteil ist die Halbleiterindustrie, die wir seit 50 Jahren auf- und ausbauen. Wir haben in der Branche auch schon viele deutsche Unternehmen im Land – nun bauen sie ihr Geschäft bei uns aus statt in China. Davon profitieren wir und sehen die Zuflüsse. Infineon hat eine große Investition angekündigt…

... und wird in den kommenden Jahren bis zu fünf Milliarden Euro zusätzlich investieren...
... zusätzlich sehen wir auch neue Unternehmen in die Region kommen. Sie wollen ihre Lieferketten absichern, aber es geht ihnen auch darum, bei den Kosten wettbewerbsfähig zu bleiben. Ich denke, das ist auch eine Folge des Kriegs Russlands gegen die Ukraine: Die Preise für Energie sind gestiegen, die Inflation ist wieder weitgehend unter Kontrolle, aber die Zinsen sind noch hoch.

China rüstet militärisch auf – wohl auch mit Hightech aus Deutschland. Der Ampel fehlt eine Strategie.
von Silke Wettach

Und da ist Malaysia als Standort attraktiv?
Zuallererst sind es drei Dinge, die uns attraktiv machen: Europäische und deutsche Unternehmen wollen saubere Energie – und Malaysia hat eine Menge davon. Wir exportieren erneuerbare Energien sogar. Dann haben wir noch immer reichlich Land, daher ist es im Vergleich günstiger. Und nicht zu vergessen unsere Talente. Außerdem haben wir 14 Freihandelsabkommen abgeschlossen, wir sind eine sehr offene Wirtschaft. Darunter sind die großen Partnerschaften RCEP zwischen den Asean-Mitgliedern und China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland und CPTPP mit Kanada, Australien, Neuseeland, Chile, Mexiko, Peru, Brunei, Japan, Singapur und Vietnam. Gerade haben wir dem Kanzler gesagt, dass wir gern die Verhandlungen mit der EU über ein Freihandelsabkommen wieder aufnehmen würden.

Die Verhandlungen darüber wurden 2012 ausgesetzt, auf Wunsch Malaysias. Was hat sich nun geändert?
Zum Teil hatte das damit zu tun, dass wir uns auf das CPTPP-Abkommen konzentriert haben – für uns der Goldstandard für Freihandelsabkommen, weil es so umfassend ist. Politisch war das nicht leicht, weil die kleinen Unternehmen fürchteten, nur die großen würden profitieren. Ein zweiter Punkt war die Landwirtschaft. Da wollten wir zunächst auf einige Bedenken der EU eingehen im Bezug auf ihren eigenen Agrarsektor, aber auch, was unsere Palmölindustrie angeht. 

Eine EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte bestimmt, dass unter anderem Palmöl, Kaffee, Kakao und Soja nur eingeführt werden dürfen, wenn deren Erzeugung nicht auf nach Dezember 2020 gerodeten Waldflächen erfolgt ist.
Unsere Palmölindustrie erreicht inzwischen hohe internationale Standards – zumindest die großen Unternehmen. Unsere CPTPP-Partner erkennen diese bereits an. Für die kleinen und mittelgroßen Unternehmen brauchen wir noch etwas Zeit, um sie dabei zu unterstützen. Von deutschen und anderen europäischen Unternehmen hören wir jedenfalls den großen Wunsch nach einem Freihandelsabkommen mit der EU – und der Premierminister hat dem Kanzler gerade gesagt: Wenn die EU bereit ist, sind wir bereit.

Wie ist umgekehrt die Deutschland-Strategie Malaysias – wollen Sie für die Bundesrepublik in Zukunft mehr sein als Chinas „Plus 1“?
Wir heißen alle Investoren willkommen. Und Deutschland ist die größte Volkswirtschaft der EU. Da begreifen wir es als Chance, eine solche Rolle anzunehmen: Wenn es um widerstandsfähige Lieferketten geht, können wir unser Land als sicheres Ziel für Investitionen anbieten. Weltweit sind ausländische Direktinvestitionen 2022 um zwölf Prozent gesunken. In Südostasien aber haben sie um fünf Prozent zugenommen. Seit die Bundesregierung ihre Strategie vorgestellt hat, sehen wir, dass mehr deutsche Direktinvestitionen ins Land kommen.

Womit Sie für Ihr Land als Standort werben, haben Sie genannt. Was sollen deutsche Unternehmen mit nach Malaysia bringen?
Wir haben ein Interesse daran, dass deutsche Unternehmen mit malaysischen Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien als Brennstoff zusammenarbeiten, durch Nutzung von Wasserstoff und Ammoniak. Die Technologie ist sehr teuer und wir müssen daran arbeiten. Der zweite Sektor ist Elektromobilität. Die einzige Porschefabrik außerhalb Deutschlands steht in Malaysia. Wir wollen unser Land zum Hub für Elektromobilität in der Region machen – und mit Hilfe der Elektromobilität auch unsere eigenen Klimaziele erreichen: Null Emissionen im Jahr 2050.

Wie entwickelt sich die Beziehung Malaysias zu China? Die territorialen Ansprüche Ihrer Länder im Südchinesischen Meer überlappen sich, es gibt Vorwürfe verletzter Souveränität. Wie schätzen Sie die Bedrohungen ein – und die Folgen für den globalen Handel?
China ist größter Handelspartner und zweitgrößter Investor in unserem Land. Genauso wichtig sind für uns im Übrigen die USA. Unsere diplomatischen Beziehungen sind daher zu beiden Ländern ähnlich stark. Was das Südchinesische Meer angeht, halten China und wir an unserer jeweiligen Position fest: Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind. Wir feiern in diesem Jahr 50 Jahre diplomatische Beziehungen mit China, wir bleiben im Gespräch über das Problem – und es beeinträchtigt den Handel zwischen unseren Ländern nicht. Im Gegenteil: Er wächst. Im Westen werden die Unstimmigkeiten aufgrund dessen, was in der Ukraine passiert, und der Situation zwischen China und Taiwan als Gefahr wahrgenommen. Aber wir hier vor Ort empfinden das nicht so. Wir machen uns eher Sorgen darüber, was in den USA passieren wird.

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Sie meinen, wenn Donald Trump als US-Präsident wiedergewählt werden sollte?
Natürlich wissen wir nicht, wer die Wahl gewinnen wird. Aber wir müssen uns vorbereiten. Mit dem Wechsel von Trump zu Joe Biden hat sich in Sachen Handelspolitik zwar gar nicht viel verändert. In der Welthandelsorganisation ist die Streitschlichtung immer noch blockiert. Aber als Trump Präsident wurde, stoppte er das transpazifische Freihandelsabkommen TPP. Jetzt sprechen wir mit den USA wieder über ein Indo-Pacific Economic Framework – aber es sieht so aus, dass das Ergebnis davon abhängt, wer die Wahl gewinnt. Die USA sind immer noch die größte Volkswirtschaft der Welt: Was sie tun, hat Folgen für uns alle.

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