Japanische Börse „Japans Regierung fördert das Aktiensparen mit hohen Steuerfreibeträgen“

Stefanie Drews Quelle: Ko Sasaki für WirtschaftsWoche

Der Nikkei erklimmt gerade neue Rekordhöhen. Und die deutsche Chefin des japanischen Vermögensverwalters Nikko AM geht fest davon aus, dass der Aufschwung weitergeht.

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WirtschaftsWoche: Vor Kurzem hat der japanische Leitindex Nikkei 225 nach über 34 Jahren sein Höchst von Ende 1989 übertroffen. Das müssen doch gute Zeiten sein für Sie.
Stefanie Drews: Ja, es sind gute Zeiten für japanische Aktien und auch für Nikko AM. Wir erleben eine riesige Nachfrage von institutionellen Anlegern nach Informationen über diese Entwicklung. Man darf nicht vergessen, dass sie wahrscheinlich schon vor 20, 30 Jahren einen Großteil ihrer Analysekapazitäten für Japan abgeschafft haben und sich nun neu orientieren müssen, um den japanischen Aktienmarkt richtig einschätzen zu können.

Welche Fragen stellen Ihnen denn diese Investoren?
Die erste, sehr berechtigte Frage lautet immer: Ist diese Rally echt und nachhaltig? Meine Antwort fällt immer vielschichtig aus, denn der Kontext ist außergewöhnlich. Es ist ein völlig anderes Umfeld, als wir es jemals zuvor gesehen haben. Noch nie haben japanische Unternehmen so stark auf Kapitaleffizienz geachtet, noch nie so viele Dividenden ausgeschüttet, noch nie so viele Aktien zurückgekauft. Und nach drei Jahrzehnten einer milden Deflation von Preisen und Löhnen scheint nun eine Reflationierung gelungen zu sein. Angesichts dieser zwei dramatischen Entwicklungen sind die Zuflüsse nach Japan eigentlich immer noch recht gering. 

Aber im vergangenen Jahr sind doch bereits Rekordsummen an Auslandskapital nach Japan geflossen. Trotzdem ist das ganz große Geld noch nicht engagiert?
Wir hatten für 2023 eine viel breitere Rally erwartet. Aber ausländische Pensions- und Staatsfonds hielten sich noch zurück. Daher schätzen wir, dass sich die Japan-Rally in einem viel früheren Stadium befindet, als es vielleicht den Anschein hat. Sicher, wir haben schon taktische Umschichtungen gesehen. Aber nun sollten die strategischen Allokationen folgen, wenn die Institutionellen eine Portfolioquote für Japan festlegen und entsprechend zukaufen. Der Spielraum für weitere Kursgewinne ist daher langfristig beträchtlich.

Zur Person

Was sind die Gründe für diese Rally, die vor ungefähr einem Jahr ausgelöst wurde, als der US-Investor Warren Buffett Japan als günstigen Aktienmarkt lobte?
Das wichtigste Stichwort ist Corporate Governance. In den 1980er Jahren sprachen die meisten börsennotierten Unternehmen in Japan gar nicht mit ihren Aktionären. Doch seit etwa einem Jahrzehnt wächst der Druck von Seiten der Regierung und der Börse, diesen Interessen stärker Rechnung zu tragen. Zuerst kam der Stewardship Code und dann der Corporate Governance Code. Die Tokioter Börse ermutigt Unternehmen, die auf dem Prime-Markt bleiben wollen, einen Mehrwert für die Aktionäre zu schaffen. Der zweite Punkt ist die Rückkehr der Inflation. Die Japaner müssen nun von Bargeld, das mehr als die Hälfte ihres Vermögens ausmacht, auf Aktien umsteigen, wenn sie keinen Wertverlust erleiden wollen. Die Regierung fördert das Aktiensparen mit hohen Steuerfreibeträgen für spezielle Wertpapiersparkonten.

Am 19. März hat die Bank of Japan die expansivste Geldpolitik der Welt beendet. Was bedeutet der Beschluss für japanische Aktien?
Der Aktienmarkt war durch Vorabmeldungen schon unterrichtet und reagierte positiv. Den Ausstieg aus dem Negativzins, der Kontrolle der Zinskurve und den Aktienindex- und Immobilienfondskäufen fasste der Finanzmarkt als Vertrauensvotum auf, dass die Inflation in Japan wieder soweit Fuß gefasst hat, dass eine konventionelle Geldpolitik ausreichend ist. Sie bleibt aber akkommodierend, weil die Zentralbank abwarten will, ob sich ihre Zielinflation von zwei Prozent nachhaltig erreichen lässt. Der angegebene Zeitpunkt dafür ist das Ende des Fiskaljahres 2025, also März 2026. 

Wie wahrscheinlich sind nach der Erhöhung des Leitzinses auf eine Spanne zwischen 0,0 und 0,1 Prozent weitere Zinsschritte in diesem Jahr?
Der Aktienmarkt hat bereits ein bis zwei Zinserhöhungen eingepreist, was eine vernünftige Annahme ist, vorausgesetzt, der „Circulus virtuosus“, der Tugendkreis, bleibt intakt. Das heißt, dass nach der Preisinflation der vergangenen zwei Jahre die Löhne ab April erstmals real steigen und die Verbraucher wieder Spielraum bekommen, mehr auszugeben. Auch die Stimmung in den Unternehmen muss sich halten, damit produktivitätssteigernde Investitionen und Lohnerhöhungen möglich bleiben. Solange die Inflation sich nicht beschleunigt, kann die Bank of Japan daher noch mit ihrem nächsten Zinsschritt warten. 

Trotz der Leitzinserhöhung wertete die japanische Währung weiter ab. War das nicht eine Überraschung?
Tatsächlich hätte man erwarten müssen, dass der Yen nach der Leitzinserhöhung stärker wird, weil der Renditeabstand zwischen japanischen und US-Staatsanleihen leicht schrumpfte. Aber viele Anleger sahen darin noch keinen Grund, ihre Carry Trades aufzugeben, also den Yen zur Finanzierung von Käufen in höher verzinslichen Anlagen zu nutzen. Außerdem kaufen japanische Anleger ausländische Aktien und japanische Unternehmen übernehmen ausländische Unternehmen. Diese Abflüsse bremsen ebenfalls eine mögliche Aufwertung. 

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Sollten ausländische Anleger sich Sorgen machen, dass der Yen noch schwächer wird und daher ihre Einstiegskurse absichern?
Wenn wir die Kaufkraft als Bewertungsmaßstab betrachten, würde ich erwarten, dass der Yen eher aufwertet als weiter abwertet. Ein Warenkorb, der in den USA einem Dollar entspricht, kostet in Japan weniger als 100 Yen. Im Moment kostet ein Dollar jedoch über 150 Yen. Es besteht also eine deutliche Kluft. Wer also jetzt als Euro-Anleger in Japan einsteigt, kann eher darauf hoffen, in der Zukunft eine Währungsprämie einzustreichen, wenn der Yen wieder aufwertet. Man kann sich natürlich auch absichern. 

Nun leidet Japans Volkswirtschaft unter einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung. Kürzlich ist Japan bei der Wirtschaftsleistung in Dollar gerechnet hinter Deutschland zurückgefallen. Kann man unter diesen Umständen überhaupt in japanische Aktien investieren?
Das ist kein Widerspruch. Anleger investieren in Unternehmen, nicht in Länder. Und es gibt sehr viele starke japanische Unternehmen. Japanische Halbleiteraktien sind zuletzt gut gelaufen, es sind vor allem Hidden Champions für Spezialstoffe und Spezialmaschinen. Japanische Unternehmen sind auch stark in der Robotik und bei Leistungshalbleitern auf Basis von Siliziumkarbid, die für die Elektrifizierung etwa von Autos sehr wichtig sind. 

Aber japanische Privatanleger zweifeln an einheimischen Aktien und investieren lieber im Ausland. 
Eine große Sparte von Nikko AM bedient japanische Privatkunden. Der typische Anleger kauft S&P500-Tracker und ähnliche passive Aktienindexfonds. Das war eine rationale Verhaltensweise, solange in Japan die Preise und Löhne zurückgingen. Aber nun sehen wir Inflation. Daher werden die japanischen Privatanleger genauso umdenken wie die ausländischen Anleger. Die staatliche Förderung des Aktiensparens ist wirklich eines der bahnbrechendsten Vorhaben in Japan und davon werden auch japanische Aktien profitieren. 

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Und was könnte für Aktienanleger in Japan schiefgehen?
Zunächst gibt es noch viele Aktien, die sich noch nicht in dem Maße erholt haben, wie es bei den größeren, gut abgesicherten Titeln der Fall war. Sich verbessernde Fundamentaldaten, gefolgt von sehr allmählichen Zinserhöhungen, wären keine schlechte Mischung. Eine Aufwertung des Yen dürfte die Aktienkurse zwar dämpfen. Aber wir gehen davon aus, dass es sich um einen vorübergehenden Effekt handelt. In den vergangenen Jahren sind die Kurse auch bei einem festeren Yen gestiegen. Die Risiken für Aktien würden zunehmen, wenn der Konsum oder transformative Firmeninvestitionen ins Stocken geraten würden. Aber in diesem Fall würde ich nicht erwarten, dass die Bank of Japan die Zinsen anhebt. 

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