Soziales Netzwerk Donald Trump ist gegen ein TikTok-Verbot – und hat recht

In den USA ist ein TikTok Verbot wahrscheinlich Quelle: imago images

Ein Bann des populären sozialen Netzwerks TikTok in den USA würde den Wettbewerber Meta stärken. Ein entsprechendes Gesetz hat jetzt die erste Hürde genommen. Doch die Bedenken sind groß. Eine Analyse.

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Das muss man Donald Trump lassen: Als begnadeter Populist hat der Präsidentschaftskandidat der Republikaner einen Instinkt für Stimmungen. Besonders, wenn man gleichzeitig den Demokraten eins auswischen kann. Trump, der während seiner Präsidentschaft das soziale Netzwerk TikTok vergeblich in die Mangel nahm, um sein US-Geschäft zu verkaufen – vorzugsweise an Microsoft – hält das plötzlich für keine gute Idee mehr. Auch gegen den Willen seiner Partei, die TikTok mehrheitlich als nationales Sicherheitsrisiko und Schnüffelwerkzeug der Kommunistischen Partei Chinas sieht und TikTok-Eigner Bytedance als dessen Erfüllungsgehilfen. „Wir müssen sicherstellen, dass die chinesische Regierung die TikTok-Daten ihrer US-Nutzer nicht für Propaganda und Spionage missbraucht“, warnt etwa Steve Scalise, der Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus.

Die TikTok-Gegner haben einen Erfolg erzielt: An diesem Mittwoch passiert ein von dem republikanischen Abgeordneten Mike Gallagher und dem demokratischen Abgeordneten Raja Krishnamoorthi gemeinsam eingebrachtes Gesetz das US-Repräsentantenhaus, das Bytedance dazu zwingen könnte, TikTok an ein US-Unternehmen zu veräußern. Und bei Widerstand den Geschäftsbetrieb in den USA verbietet. Die Appstores von Apple und Google wären dann gezwungen, die App von TikTok aus ihrem Angebot zu nehmen.


Trump hatte sich im Vorfeld dagegen ausgesprochen. „Ohne TikTok wird Facebook größer werden, und ich halte Facebook für einen Feind des Volkes“, kommentierte er im Gespräch mit dem US-Fernsehsender CNBC.

Nach dem Sturm aufs Kapitol hatte Facebook Donald Trump Anfang 2021 öffentlichkeitswirksam verbannt. Seit 2023 ist die Sperre aufgehoben, genauso wie bei YouTube und Twitter. Trump zieht es allerdings vor, seine Ansichten über sein eigenes soziales Netzwerk Truth Social kundzutun. Als Gründer der Plattform ist er befangen.

Aber hat Trump recht? Tatsächlich hatte der überraschende Aufstieg von TikTok Meta-Chef Mark Zuckerberg kalt erwischt und – kombiniert mit Zweifeln an seiner Metaversum-Strategie – zu einem erheblichen Einbruch der Meta-Aktie geführt. Von September 2021 bis Oktober 2022 verlor Meta rund 700 Milliarden Dollar an Börsenwert. Zum ersten Mal seit Jahren hatte Meta Gegenwind und endlich einen Konkurrenten.

Inzwischen ist der Konzern jedoch wieder im Höhenflug. Die Aktie erreichte kürzlich einen Rekordstand. Am Dienstag betrug die Marktkapitalisierung von Meta beim Börsenschluss 1,2 Billionen Dollar.


Zwar kann Zuckerbergs Antwort auf TikTok namens Reels die Popularität des Wettbewerbers nicht brechen. Aber Metas Werbeumsätze sind trotzdem erheblich gestiegen. Auch – und das ist die Ironie an der Geschichte – weil chinesische Unternehmen eifrig Werbung auf den Meta-Plattformen Facebook und Instagram schalten.

Dadurch entsteht die absurde Situation, dass Meta zwar stärker werden würde, wenn TikTok in den USA verboten würde. Aber gleichzeitig erstmal Geschäft verlöre, wenn die Kommunistische Partei Chinas als Revanche chinesischen Unternehmen Werbung auf US-Plattformen wie Meta untersagte.

Marktforscher schätzen TikToks Anteil am digitalen Werbegeschäft in den USA auf nicht mehr als zwei Prozent.

Langfristig würde Meta aber durch das Ausschalten oder zumindest Behindern eines populären Gegners gewinnen. Ein neuer Eigentümer müsste erstmal neue Geschäftsbeziehungen zu Werbekunden aufbauen.

TikTok-Verbot unpopulär bei jungen Wählern

Trump hat also Recht. Doch tatsächlich, so beharren die Autoren des Gesetzes, wollen sie ihren Bann nur als Druckmittel verstanden wissen. Ihnen ist bewusst, dass ein Verbot von TikTok gerade bei jüngeren Wählern unpopulär ist und Befürworter bei den Wahlen im Herbst Stimmen kosten wird.

US-Präsident Biden hat sich bereits aus dem Fenster gelehnt und signalisiert, dass er das Gesetz unterstützt. Wenn es denn kommt und TikTok-Eigner Bytedance es auf ein Kräftemessen inklusive Bann ankommen lässt, kann Trump im Wahlkampf damit werben, dass er im Gegensatz zu Biden gegen ein Verbot war.

Dass er damit gegen die Mehrheit der republikanischen Politiker opponiert, ist Trump schon immer egal gewesen. „Junge Kinder auf TikTok würden ohne es verrückt werden. Eine Menge Nutzer“, tönt er.
 Opa Trump rettet also das Internet.



Die Macht von TikTok ist auch Joe Biden schmerzlich bewusst. Er wirbt auf der Plattform mit chinesischen Wurzeln um junge Wähler.

Doch es ist unwahrscheinlich, dass das Gesetz den Senat passiert. Der einflussreiche demokratische Senator Mark Warner, Chef des Geheimdienstausschusses, moniert, dass der Text viel zu stark auf TikTok zugeschnitten sei. Bytedance hätte bei einer Lex TikTok gute Chancen, ein Verbot zu kippen. Hinzu kommt das Argument, dass ein Bann die Meinungsfreiheit der TikTok-Nutzer verletzt und damit gegen die Verfassung verstößt.

Tatsächlich war die Kollision mit der Meinungsfreiheit der Grund, warum während Trumps Präsidentschaft das Vorhaben aufgegeben wurde, den Verkauf an ein US-Unternehmen zu erzwingen. Zuletzt scheiterte ein TikTok-Verbot, das der US-Bundesstaat Montana erlassen hatte, an dieser Hürde.

Warner will es deshalb in einem eigenen Entwurf allgemeiner formulieren, so dass generell Unternehmen mit ausländischen Mehrheitseigentümern stärker reguliert werden können. Das schmeckt wiederum den Republikanern nicht. Die Chancen stehen also gut, dass trotz großen Wirbels am Ende wenig geschehen wird. Die chinesische Staatsführung hat bereits angekündigt, einen Zwangsverkauf nicht hinzunehmen. Bytedance selbst ist laut einem Medienbericht entschlossen, erst alle rechtlichen Mittel gegen ein drohendes Verbot in den USA auszuschöpfen, bevor über einen Verkauf nachgedacht wird. Eine Trennung von Tiktok werde als letzte Option gesehen, schrieb der Finanzdienst Bloomberg am Dienstag unter Berufung auf informierte Personen.

Trotzdem stehen die Politiker nicht mit leeren Händen da. Immerhin hat ihr Druck auf TikTok dazu geführt, dass seit Sommer 2022 der US-Datenverkehr des sozialen Netzwerks über die Rechenzentren von Oracle läuft. Der US-Konzern, dessen erster Kunde einst die CIA war, prüft außerdem die Algorithmen von TikTok. Das sogenannte Projekt Texas, benannt nach dem neuen Hauptquartier von Oracle, hat TikTok laut dessen CEO Shou Zi Chew bislang 1,5 Milliarden Dollar gekostet.

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Er will den US-Markt nicht kampflos aufgeben, auch wenn Bytedance einen Zwangsverkauf wirtschaftlich wohl überstehen würde. Der Löwenanteil des Umsatzes kommt schließlich aus China. Sanktionen der chinesischen Staatsführung wegen Einknickens vor dem Feind sind da weit gefährlicher. Deswegen kann Bytedance die Waffen nicht strecken. Das Tauziehen geht also weiter. 


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