WEF in Davos
Quelle: AP

Die Welt zieht weiter, und wir? Schmoren, jammern, nörgeln

Quelle: Jann Höfer für WirtschaftsWoche
Horst von Buttlar Chefredakteur WirtschaftsWoche

Inflation, Energie, Geopolitik: Die Probleme der Weltwirtschaft sind in Davos bekannt. Deutschland hingegen hadert mit eigenen Problemen. Doch während die Welt nach vorne blickt, jammern die Deutschen nur. Eine Kolumne.

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Ja, wie geht es uns denn? Die Frage aller Fragen der Wirtschaft klingt wie die eines Onkel Doktors. Auf dem Weltwirtschaftsforum, das diese Woche in Davos stattfindet, war sie eines der großen Rätsel. Nahezu jeder kann die Probleme im Schlaf aufsagen (Inflation, Energie, Geopolitik) und dazu ein paar Buzzwords mischen (künstliche Intelligenz!). Aber eine Welt wird nicht friedlicher, nur weil sie KI-gesteuert ist. Und die Produktivitätsfortschritte, nun, die stehen derzeit noch mehr in Studien als in Bilanzen. „Muss ja“, könnte man dem Doktor antworten. Oder: „Passt schon.“

Wobei: Es passt ja eben vieles nicht mehr, zumindest in Deutschland nicht. Weshalb die Deutschen in Davos – auch wenn dort vier Minister und zwei Dutzend CEOs herumsprangen – fast wie eine Randgruppe wirken. Die Stars, für die sich die Hallen füllen, sind Open-AI-Chef Sam Altman und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Krieg und KI also, Geopolitik und technologischer Fortschritt, das sind die Pfeiler, die Zukunft und Vergangenheit, Aufbruch und Rückfall abstecken. Dazwischen die Deutschen: eher mit eigenen Problemen.

Während des Treffens gehe ich gerne über die Hauptstraße, die durch Davos führt und die für das Treffen komplett umgebaut wird: Läden und Restaurants werden ausgeräumt, Fassaden zugeklebt und Pavillons errichtet. Wer hier zwischen den hektischen Gestalten, die im Schnee zu wichtigen Treffen eilen (oder nur so tun), spazieren geht, sieht eine Promenade der Weltwirtschaft. Stolze Repräsentanzen der Techkonzerne, Palantir, Meta, Salesforce, im Wechsel mit indischen Bundesstaaten und Unternehmen, die man googeln muss. Golfstaaten, die Megaprojekte wie die Superstadt Neom anpreisen oder einfach sich selbst („The Emirates – Impossible is possible“). Allein SAP findet hier noch ein Plätzchen. Als ich 2007 das erste Mal in Davos war, hatte E.On noch ein großes Iglu. Seit Jahren schon laden die Inder von Tata Consultancy in „The Dome“. Klar, alles PR.

Aber mir schießt dann immer diese Heide-Simonis-Frage durch den Kopf: Und was wird aus uns? Wir sind, von den Zahlen her, immer noch eine große Wirtschaftsnation. Aber die Welt zieht weiter und blickt nach vorne. Und wir schmoren, jammern, nörgeln. Wer nur auf Krisen schaut, übersieht irgendwann den Fortschritt, sagte mir Bill Gates. Ein bisschen Spirit von der Promenade würde uns guttun.

Lesen Sie auch das ganze Interview mit Bill Gates: „Ich nenne Staaten wie Deutschland ‚die Gruppe der Engel‘“

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