Zwischen Israel und Ukraine Wie viele Kriege schaffen die USA?

In den USA hat Israel eine traditionell große Unterstützung.  Quelle: AP

In den USA kämpfen Republikaner und Demokraten um die Frage, ob Hilfen für die Ukraine stattdessen in Israel landen sollten. Auch in Deutschland wächst die Sorge vor einem Abbruch der Unterstützung aus den USA.

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Kurz nach Beginn des blutigen Überfalls der Hamas auf Israel machte auf Social Media ein makabrer Witz die Runde. Unter einer Solidaritätsbekundung von Bundeskanzler Olaf Scholz zeigten Sicherheitsexpertinnen das Bild eines deutschen Flugzeugträgers. Um die „starken Worte des Kanzlers mit einem entsprechenden Signal zu unterstützen“, schrieben sie, „hat die Trägergruppe Konrad Adenauer aus der vorherigen Abschreckungsmission in der Ostsee heraus die Segel nun Richtung östliches Mittelmeer gesetzt.” 

Natürlich gibt es überhaupt keinen Flugzeugträger der Adenauer-Klasse. Und nicht die Deutschen, sondern die USA schickten sofort einen Flugzeugträger ins Mittelmeer, um Israel zur Hilfe zu eilen. Der Witz sollte auf eine bittere Wahrheit aufmerksam machen: Noch immer ist die Abhängigkeit von den USA zu groß. Alleine könnte Deutschland kaum helfen, auch wenn die Bundesregierung jetzt immerhin zwei Heron-Drohnen und einige Kisten Munition für Kriegsschiffe nach Israel schickt.

Würde es alleine auf die Bundesrepublik ankommen, sei „die Kaltstartfähigkeit in Anbetracht mannigfaltiger Großkrisen allerdings auch 20 Monate nach der Zeitenwende noch immer nicht gegeben“, bringt es Sicherheitsexperte Carlo Masala auf den Punkt. 

Mit  jeder neuen Krise steigt der Druck, auch ohne die Vereinigten Staaten für Sicherheit sorgen zu können. Denn gerade nach dem Angriff auf Israel droht die Aufmerksamkeit der USA von der Ukraine abzugleiten. Der Überfall der Hamas trifft die Vereinigten Staaten zur Unzeit. Zerrüttet von innenpolitischen Krisen stellt sich die Frage, wie lange Washington noch an wie vielen Fronten kämpfen kann und will. 

Capitol Hill am Scheideweg

Nachdem eine kleine Gruppe radikaler Republikaner in der vergangenen Woche Kevin McCarthy, den Sprecher des Repräsentantenhauses, aus dem Amt befördert hatte, war der Kongress in seiner Handlungsfähigkeit bereits eingeschränkt. Politisch blockiert war Washington aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Kapitol ohnehin weitgehend. Immerhin: Dass man Israel zur Hilfe eilen würde, daran ließen weder Demokraten noch Republikaner irgendeinen Zweifel. Es gibt kaum eine engere Verzahnung zweier Staaten auf der Welt, Israel hat eine riesige politische Lobby in Washington, Einfluss auf beide Parteien und auf einen relevanten Anteil an Wählerinnen und Wählern. 

Der Rückhalt unterscheidet sich damit deutlich von der Haltung gegenüber der Ukraine. Zwar will die Biden-Administration sowie eine breite Mehrheit im Kongress nicht nur Jerusalem, sondern auch Kiew langfristig militärisch unterstützen, doch der rechte Rand der Republikaner hat sich mittlerweile vom Kampf der Ukraine abgewendet. Ex-Sprecher McCarthy konnte Ende September einen Shutdown nur abwenden, indem er Hilfen für Kiew aus einer kurzfristigen Zwischenfinanzierung herausstrich, die die Regierungsgeschäfte zumindest bis Mitte November aufrecht erhielt.

Trotzdem gelobte die Biden-Administration, man werde die Unterstützung für die Ukraine aufrechterhalten. Daran soll auch die Hilfe für Israel nichts ändern. „Zu der Frage, ob die US-Unterstützung für Israel möglicherweise auf Kosten der US-Unterstützung für die Ukraine gehen könnte, ist zu sagen, dass wir in dieser Hinsicht keine größeren Probleme erwarten“, so Julianne Smith, US-Botschafterin bei der NATO. „Ich gehe davon aus, dass die Vereinigten Staaten in der Lage sein werden, sich auf unsere Partnerschaft und unser Engagement für die Sicherheit Israels zu konzentrieren und gleichzeitig unsere Verpflichtungen und unser Versprechen zu erfüllen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen.“

Ohne die Unterstützung des Kongresses wird dies allerdings nicht möglich sein. Denn die vielen Kriege brauchen frisches Geld – und das können nur Repräsentantenhaus und Senat freigeben. Auch US-Heeresministerin Christine Wormuth forderte die Bereitstellung zusätzlicher Mittel, um an beiden Fronten weiter kämpfen zu können. Vor allem bei der Munition drohen in den USA Engpässe. „Ich hoffe, das wir das bald sehen werden“, sagte Wormuth. 

Eine Strategie gegen den Widerstand

Im Weißen Haus wird Medienberichten zufolge bereits an einer Strategie gearbeitet, um dieses Ziel zu erreichen. Ein Vorschlag lautet: die Hilfszahlen für Jerusalem und Kiew aneinanderkoppeln. 

Eine offizielle Bestätigung dieses Plans steht noch aus. Allerdings betonte der Koordinator für strategische Kommunikation des Nationalen Sicherheitsrates, Admiral John Kirby, am Montag: „Beide sind wichtig, und wir sind als Land groß, wirtschaftlich lebensfähig und dynamisch genug, um beide Länder zu unterstützen.“

Europa streitet über Entwicklungshilfe für Palästina. Dabei verwaltet die Hamas längst eine viel größere, professionelle Finanzmaschinerie.
von Max Biederbeck, Mareike Enghusen

Im Kongress gibt es dazu vorsichtiges Kopfnicken. Man könne die Mittel für Israel, für die Ukraine, vielleicht auch für Taiwan und den Grenzschutz zusammenlegen. „Für mich wäre das ein gutes Paket“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Repräsentantenhaus, Mike McCaul, ein Republikaner aus Texas, der sich für die weitere Unterstützung der Ukraine einsetzt. 

Fraglich bleibt, ob die rechten Hardliner im Repräsentantenhaus diese Bemühungen unterstützen würden. Genauso unklar bleibt, ob ein zukünftiger Sprecher des Hauses bereit wäre, ein gemeinsames Paket im Repräsentantenhaus zu verabschieden, solange ihm das Trump-Volk im Nacken sitzt. 
„Auf keinen Fall“, machte bereits Marjorie Taylor Greene klar, Republikanerin aus Georgia und Trump-Verbündete. „Sie sollten nicht miteinander verknüpft werden. Ich werde nicht für die Finanzierung der Ukraine stimmen.“



Wie kommt das in Deutschland an?

Mit Sorge blickt die Bundesregierung auf diese Entwicklung. So erklärte der Vorsitzende der SPD, Lars Klingbeil: „Ich habe Befürchtungen, dass die Debatte in den USA noch intensiver geführt werden wird.“ Deutschland könne sich angesichts der wachsenden Unsicherheiten jedenfalls nicht wegducken und müsse dringend eine führende Rolle in der Unterstützung der Ukraine übernehmen.

„Verschiebt sich die Aufmerksamkeit auf den nahen Osten, ist das schlecht für Kiew“, sagt auch Masala. „Eigentlich müsste jetzt die Stunde Europas schlagen“, sagt der Sicherheitsexperte. Noch immer aber stehe kein vernünftiger Mechanismus, um die Ukraine dauerhaft mit Munition und Artillerie im Abwehrkrieg gegen Russland zu versorgen. 

Auf einem guten Weg sieht Deutschland der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew. Auf die Debatten in den USA angesprochen, sagte er der WirtschaftsWoche: Sicher sei im Mittleren Osten jetzt erneut ein Großkonflikt dazugekommen. „Aus meinen aktuellen Gesprächen heraus habe ich aber keine Zweifel, dass Deutschland seine Unterstützung auch in dieser Situation aufrechterhalten kann.“

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Verteidigungsminister Boris Pistorius wollte zuletzt jedenfalls keine Zweifel daran lassen, Deutschland seine Unterstützung für die Ukraine aufrechterhalten werde. Wie zum Beweis gab es gerade erst ein frisches Winterpaket im Wert von einer Milliarde Euro an Waffen: Luftverteidigungssysteme, Munition und Panzer. Der ukrainische Präsident selbst blieb auf einem Treffen der Nato in Brüssel derweil skeptischer: „Die Partner sagen, dass es keine Probleme geben wird“, sagte Wolodymyr Selenskyj mit Blick auf Israel. „Aber wer weiß schon, wie das sein wird.“

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