Bildung Wir brauchen eine bessere ökonomische Bildung!

An vielen Schulen ist Wirtschaft noch immer kein Unterrichtsfach. Dabei sind wirtschaftliche Grundkenntnisse für eine erfolgreiche Lebensgestaltung unerlässlich.  Quelle: imago images

Ökonomische Bildung muss mehr sein als Finanzbildung. Sie sollte grundlegende Einsichten in die Gesetzmäßigkeiten menschlichen Handelns vermitteln – und die Bürger zu Kritikfähigkeit ermächtigen. Ein Gastbeitrag. 

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Der Standort Deutschland leidet derzeit unter vielen Problemen. Eines davon ist die unzureichende ökonomische Bildung breiter Bevölkerungskreise. Nun könnte man denken, es gäbe Dringenderes, als den Bürgern in Sachen Ökonomik auf die Sprünge zu helfen. Schließlich wird allenthalben darüber geklagt, dass es Schulabgängern an elementaren Kenntnissen im Rechnen, Lesen und Schreiben mangelt. Und haben nicht das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie das Bundesfinanzministerium im vergangenen Jahr gemeinsam die Initiative „Finanzielle Bildung“ ins Leben gerufen und damit genug getan, um die Vermittlung ökonomischer Kenntnisse voranzubringen?

Unbestritten ist, dass finanzielle Bildung eine wichtige Voraussetzung ist, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen und Vermögen aufzubauen. Dennoch ist sie lediglich eine Teilmenge der ökonomischen Bildung. Denn richtig verstanden, ist Ökonomik die Lehre vom menschlichen Handeln in einer Welt knapper Güter. Sie fragt danach, wie mit begrenzten Ressourcen vorhandene Bedürfnisse bestmöglich befriedigt werden können und welche Rahmenbedingungen dafür erforderlich sind. 

Wer sich bewusst ist, dass die wahren Kosten einer Handlung in den Opportunitätskosten liegen, dass Wissen in einer Gesellschaft dezentral verteilt ist, dass Unsicherheit und Risiko normale Begleiterscheinungen menschlichen Handelns sind und externe Effekte nicht per se ein Marktversagen darstellen, der kann seine eigenen Entscheidungen und die anderer besser einordnen. Das gilt auch für die Entscheidungen der Regierung. 

Es ist erstaunlich, mit welcher Leichtfertigkeit etwa im Rahmen der aktuellen Diskussion um die Schuldenbremse lediglich die Finanzierungsseite betrachtet wird und implizit unterstellt wird, dass die Realisierung einer rentablen Investition kein Problem darstellt. Dabei erfordert gerade die Identifikation von Investitionsmöglichkeiten in offenen Entscheidungsfeldern unter Unsicherheit eine besondere Expertise. Das Wissen darüber, dass in entsprechend strukturierten Entscheidungssituationen ex ante überhaupt kein Optimum gefunden werden kann, würde vermutlich dazu führen, dass staatliche Markteingriffe kritischer hinterfragt werden. 

Ganzheitlicher ökonomischer Ansatz

Wie sehr eine umfassende ökonomische Grundbildung vonnöten ist, zeigt der um sich greifende staatliche Interventionismus, mit dem Politiker einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus anstreben. Begründet werden die Eingriffe oftmals mit globalen Krisen oder negativen Externalitäten, die es zu korrigieren gilt. Dabei wird unterstellt, dass die staatlichen Planer die Bedürfnisse der Menschen kennen und die Märkte in die gewünschte Richtung lenken können. Ein ökonomisch gebildeter Bürger wird diesen Weg schnell als Sackgasse erkennen und ablehnen. 



Eine gute ökonomische Allgemeinbildung versetzt die Bürger zudem in die Lage, ihre Altersversorgung eigenverantwortlich zu planen. Sie dürften daher schnell erkennen, dass das Vorhaben der Bundesregierung, eine staatliche Aktienrente ins Leben zu rufen, mit erheblichen Risiken verbunden ist. So plant die Regierung, bis 2035 mit Krediten einen Kapitalstock von 200 Milliarden Euro aufzubauen, der aus Aktien und Investmentfonds besteht. Sie unterstellt dabei, dass die erwirtschaftete Rendite am Kapitalmarkt per se höher ist als die Zinsen, die für die Staatsschulden zu bezahlen sind. Dies sollte bei entsprechend langfristigem Planungshorizont grundsätzlich der Fall sein. Dennoch sollte der Bürger zumindest verstehen, dass die Anleihezinsen schuldrechtlich fixiert sind, während die erwartete Rendite der Aktieninvestitionen unsicher ist. 

Lesen Sie auch: „Das Schulsystem produziert ganz früh strukturelle Versager“

Eine fundierte ökonomische Bildung sollte bereits im Kindergarten ansetzen und in der Schule – sowohl im primären als auch im sekundären Bildungsbereich – fortgeführt werden. Dabei geht es nicht darum, wirtschaftliches Spezialwissen zu vermitteln, sondern in altersgerechter Form Einsichten in die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten menschlichen Handelns zu fördern. Diesen Ansatz gilt es an den Universitäten und Hochschulen sowie in der beruflichen Ausbildung und der Erwachsenenbildung fächerübergreifend weiterzuverfolgen. 

Altersvorsorge Drohender Renten-Schock: Die hochriskanten Investments der Versorgungswerke

Berufsständische Versorgungswerke erwirtschaften Renten für Ärzte, Anwälte und Mediziner. Doch sie haben Geld überaus riskant angelegt – mit potenziell dramatischen Folgen.

Frauenförderung à la Siemens Siemens-Managerin klagt an: Nutzt der Konzern Compliance als „Mitarbeiter-Entsorgungstool“?

Der Fall einer Siemens-Managerin, die schwanger wurde und nun um ihren Job kämpfen muss, erschüttert den Dax-Konzern. Nun droht der mit ihr verheiratete Personalchef in Mitleidenschaft gezogen zu werden.

Selbstversuch Der Weg zum eigenen Wald – für kleines Geld

Unser Autor träumt von einem Wald. Er bekommt ihn bei einer Zwangsversteigerung – für 1550 Euro.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Die Initiative „Finanzielle Bildung“ sollte daher unter expliziter Einbeziehung der für die (schulische) Bildung zuständigen Bundesländer, entsprechend nachgeschärft werden. Eine Verbesserung der rein formal-finanziellen Bildung allein reicht nicht aus, um Staatsbürger zu konstruktiver Kritik zu befähigen. Hierfür ist ganzheitliches ökonomisches Denken unabdingbar. Es ist die Grundlage, um für das eigene Leben wichtige Entscheidungen fundiert zu treffen und selbstbewusst an der gesellschaftlichen Diskussion teilzunehmen. 

Lesen Sie auch: Die Ideen für mehr Wohlstand sind doch da!

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%