Cannabis-Legalisierung Cannabis-Experte: „In der Zwischenzeit könnte der Schwarzmarkt florieren“

Cannabis soll legalisiert werden. Quelle: dpa

Die Cannabis-Legalisierung wurde im Bundestag beschlossen. Doch die Pläne werden heftig kritisiert. Der CEO des Cannabisunternehmens Cantourage Group warnt vor dem Verkauf in Cannabis-Clubs.

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Am Freitag hat der Bundestag eine kontrollierte Freigabe von Cannabis in Deutschland beschlossen. Besitz und Eigenanbau bestimmter Mengen sollen damit für Volljährige vom 1. April an erlaubt sein. Zum 1. Juli sollen Clubs zum nicht-kommerziellen Anbau möglich werden. Doch die teilweise Legalisierung in Deutschland ist umstritten. Kurz vor der Beschließung hagelt es laute Kritik am Gesetz und dessen Umsetzung, sowohl vonseiten der Wirtschaft als auch der Politik.

Philip Schetter, CEO des größten an der Frankfurter Börse gelisteten europäischen Cannabisunternehmens Cantourage Group, begrüßt zwar die ersten Schritte hin zur Legalisierung, kritisiert jedoch den geplanten Verkauf über die Cannabis-Clubs. „Das alleine kann kein funktionierendes System sein, um die ganze Nachfrage legal bedienen zu können“, kommentiert er im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. So könnten Clubs erst Ende des Jahres in der Lage sein, Cannabis zu verkaufen. „In der Zwischenzeit könnte der Schwarzmarkt florieren, weil der zu erwartenden Nachfrageanstieg nach Cannabis nicht durch Eigenanbau oder Cannabis Clubs zu bedienen ist.“

Ein weiteres Problem seien die im Gesetz nicht umfassend geregelten Qualitätsanforderungen, die Clubs erfüllen müssten. „Karl Lauterbach spricht häufig von Beimengungen, allerdings ist nicht klar, wie Clubs das Cannabis vor dem Verkauf testen werden.“ Zu guter Letzt müssen Konsumierende Mitglieder in den Clubs sein, was eine weitere Hürde darstellen und ebenfalls dem illegalen Konsum in die Hände spielen könnte.

Künftig sollen Erwachsene ab 18 Jahren in der eigenen Wohnung drei lebende Cannabispflanzen legal anpflanzen und bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum besitzen dürfen. Mehr zu den Regeln und was Konsumenten alles beachten müssen, lesen Sie hier.

Die Ampel-Koalition will bis Anfang 2023 einen Gesetzesentwurf für die Legalisierung von Cannabis vorlegen. Zahlen der vergangenen Jahre zeigen: Die Legalisierung von Cannabis ist für den Staat ein lukratives Geschäft.
von Frank Doll

Schetter plädiert für den Verkauf in Apotheken, da hier durch den Verkauf von medizinischem Cannabis bereits eine eingespielte Infrastruktur bestehe und sofort mit dem Verkauf gestartet werden könne. „Die Wertschöpfungsketten sind bekannt“, sagt er. Außerdem könnten Apotheker oder Apothekerinnen die Kundinnen und Kunden beraten oder ein auffälliges Konsumverhalten erkennen.

Cannabis-Legalisierung: Warnung vor „Mischkonsum“ beim Autofahren

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sprach von einem „überfälligen Paradigmenwechsel“ in der Drogenpolitik. „Ein einfaches Weiter so kann es nicht geben“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Als Arzt, Vater und Politiker besorge es ihn sehr, dass sich durch die Verbotspolitik der Vergangenheit gesundheitliche Risiken massiv erhöht hätten. Ziel sei, Konsum und Zugang für informierte Erwachsene sicherer zu machen, indem die Weitergabe verunreinigter Substanzen unterbunden und der Schwarzmarkt eingedämmt würden. Das erreiche man durch Schaffung legaler Alternativen. Aufklärung, Prävention, Kinder- und Jugendschutz seien „der rote Faden in dem Gesetz“, sagte Dahmen.

Scharfe Kritik kam von der oppositionellen Union. Gesundheitsexperte Tino Sorge (CDU) sagte der dpa nach der Ausschusssitzung: „Gesundheits-, familien- und innenpolitisch ist das Gesetz ein historischer Fehler. Die Ampel bringt Cannabis in die Nähe von Kindern und Jugendlichen und agiert wie ein staatlicher Drogendealer.“ Das sei verantwortungslos. Er appelliere an unentschlossene Abgeordnete der Koalition, gegen das Gesetz zu stimmen.

Für die namentliche Abstimmung im Bundestag am Freitag wird mit einzelnen Nein-Stimmen vor allem aus Reihen der SPD gerechnet. Der Vorsitzende des Innenausschusses, Lars Castellucci (SPD), sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern, er lehne den Vorschlag ab. „Mein Problem sind fehlender Jugendschutz, mangelnde Möglichkeit der Kontrolle und damit sogar eine Erleichterung kriminellen Handelns. Es ist ein risikoreiches Experiment.“ Auch von Medizinverbänden, aus der Justiz und den Ländern gibt es Warnungen. Das Gesetz muss abschließend noch in den Bundesrat, zustimmungsbedürftig ist es dort aber nicht.

Mit einer Legalisierung sind aus Expertensicht auch Probleme mit „Mischkonsum“ beim Autofahren zu befürchten. „Wird zu Cannabis etwa noch Alkohol konsumiert, erhöht das die Unfallgefahr“, sagte die Leiterin der Unfallforschung der Versicherer, Kirstin Zeidler, der dpa. „Sobald Alkohol im Spiel ist, muss es im Sinne der Verkehrssicherheit daher eine Null-Toleranz-Grenze für Cannabis am Steuer geben. Alkohol und Cannabis zusammen sind unberechenbar.“ Schon vor der Freigabe spiele Mischkonsum eine Rolle. Rund 40 Prozent der Autofahrer, die unter Drogen Unfälle mit Personenschaden verursachten, hätten auch Alkohol im Blut gehabt. „Bereits niedrige Alkoholdosen verstärken die Wirkungseffekte.“

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Der Deutsche Richterbund warnte vor einer massiven Überlastung der Justiz durch die im neuen Gesetz vorgesehene Amnestie-Regelung. „Die Justiz rechnet bundesweit mit mehr als 100.000 Akten, die im Falle des geplanten rückwirkenden Straferlasses bei Cannabis-Delikten nochmals zu überprüfen sind“, sagte der Bundesgeschäftsführer, Sven Rebehn, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Allein beim Amtsgericht Köln seien es mehr als 10.000 Fälle. „Die dort zuständigen fünf Richter gehen von einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von mindestens einer Stunde pro Fall aus, sodass die Prüfung bei 2000 Fällen pro Kopf und 40 Wochenstunden rechnerisch 50 Wochen oder ein Jahr bräuchte“, sagte Rebehn.

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