China-Reise ohne BDI Diese gegenseitige Ignoranz ist keine Petitesse

Zwischen Kanzler Olaf Scholz und BDI-Chef Siegfried Russwurm (v.l.) herrscht eisige Stimmung. Quelle: imago images

Bei seiner China-Reise ist Olaf Scholz wieder ohne den BDI-Präsidenten in der Kanzlermaschine unterwegs. Die gegenseitige Ignoranz ist keine Protokollfrage, sondern ein verhängnisvolles Zerwürfnis. Ein Kommentar.

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Wenn Olaf Scholz am kommenden Wochenende in Richtung Peking aufbricht, platzt der Airbus der Luftwaffe aus allen Nähten. Neben zahlreichen Ministern ist auch die Wirtschaft in Gestalt zahlreicher Unternehmer und Topmanager mit an Bord des Regierungsflugzeugs. Ein Stammgast der Kanzlermaschine wird allerdings erneut fehlen: Siegfried Russwurm, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.

Schon bei der Scholz-Reise im November 2022 fehlte der oberste langjährige Siemensmanager als Vertreter der Industrie. Wie es dazu gekommen ist, wird von beiden Seiten unterschiedlich dargestellt. In Regierungskreisen wird behauptet, der BDI habe offenkundig kein Interesse an der Mitreise gehabt und deshalb keinen entsprechenden Wunsch geäußert. In Verbandskreisen wird hingegen angedeutet, dass man sich deshalb zurückgehalten habe, um eine Absage zu vermeiden. Im übrigen sei der BDI vor Ort in China gut vertreten, man müsse ja nicht immer in der Kanzlermaschine sitzen.

Schon das Gerangel um die Deutungshoheit zeigt, dass der Vorgang mehr ist als eine Petitesse oder eine reine Protokollfrage. Man kann sich auch nicht damit herausreden, dass es in Berlin doch ständig Gespräche und Kontakt gebe. China ist für die deutsche Wirtschaft ein Schlüsselmarkt. Angesichts des ungehemmten Dominanzstrebens Pekings muss eine neue Balance gefunden werden zwischen einer regelbasierten, freien Handelspolitik und den Interessen der beiden Länder und ihrer Unternehmen.

Das sollte nicht zu einem Decoupling führen, weil sich gerade die deutsche Wirtschaft eine Abwendung vom Reich der Mitte am wenigsten erlauben könnte. Aber der eingeschlagene Weg des Derisking und des angemessenen, selbstbewussten Vertretens der Werte der freien Welt weist in die richtige Richtung. Er muss jedoch im zunehmend schwierigen Umgang mit Peking beinahe täglich neu vermessen werden.

Dass dabei der Regierungschef und der oberste Repräsentant der deutschen Industrie im engsten Austausch stehen sollten, versteht sich eigentlich von selbst – auch wenn große Teile der Wirtschaft unter der Politik der Ampelkoalition leiden und der Regierung bis hoch zum Kanzler das Verständnis ebenso fehlt wie die Bereitschaft, guten Willen zu zeigen.

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Auch wenn jeder der Beteiligten Gründe hat, über den jeweils anderen zu klagen: Wirtschaft und Regierung sind – vor allem im Umgang mit mächtigen Diktaturen – darauf angewiesen, eng zusammenzuarbeiten. Eine Politik des leeren Stuhls passt dazu nicht. Ein BDI-Präsident, der sich im Kanzleramt aus was für Gründen auch immer selbst aus dem Rennen nimmt, zeigt ein merkwürdiges Amtsverständnis und ist auch keine Hilfe für die Beitrag zahlenden Mitgliedsunternehmen.

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