Contra Bürgergeld-Erhöhung Wollen wir zurück in die siechen Neunzigerjahre?

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Die Anhebung des Bürgergelds um zwölf Prozent ist ein verheerendes Signal des Sozialstaates. Dumm ist, wer hier noch malocht – so lautet leider die Botschaft für Millionen Bürgerinnen und Bürger. Ein Kommentar.

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Das hohe Bürgergeld belastet den Bundeshaushalt um viele Milliarden. Es konterkariert den Grundsatz des Lohnabstandsgebots. Es ist ein Schlag ins Gesicht derer, die jeden Tag zur Arbeit gehen. Das Bürgergeld verhindert, dass Erwerbslose wieder in Arbeit kommen. Dumm ist, wer hier noch malocht – so lautet leider die Botschaft für Millionen Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.

Wir verabschieden uns endgültig von der vielleicht wichtigsten Reform Deutschlands in den vergangenen 50 Jahren: der Agenda 2010 mit klarem Fordern und Fördern von Sozialleistungsempfängern. Binnen kürzester Zeit kamen mehrere Millionen Erwerbslose wieder in Arbeit, die Sozialkosten sanken, der „kranke Mann Europas“ feierte eine wundersame Genesung dank eines schlanken Sozialstaates, der sich auf die wirklich Bedürftigen konzentrierte. 

Die Einführung des Bürgergeldes scheint mir eine Art Trauma-Verarbeitung von traditionalistischen Sozialpolitikern zu sein, die eine Verknüpfung von Sozialleistungen mit dem Bemühen um einen Job für menschenunwürdig halten.

Anreize wie in der DDR

Seit die Agenda 2010 wirkte, haben die Sozialpolitiker von SPD, Union und Grünen immer wieder daran gekratzt, Leistungen erhöht und Anforderungen gesenkt. Mit dem Bürgergeld sind sie endlich an ihrem Ziel angelangt. 

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Wir begehen wieder die alten sozialpolitischen Fehler der siechen Neunzigerjahre. Wer wie Bundesarbeits- und -sozialminister Hubertus Heil (SPD) verneint, das Bürgergeld senke die Arbeitsanreize, der glaubt wohl auch, der Sozialismus in Ostdeutschland sei eigentlich gar nicht so schlecht gewesen. Dort war es für den eigenen Geldbeutel ziemlich egal, ob jemand arbeitete oder nur so tat als ob. 

Natürlich soll jeder hierzulande menschenwürdig leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Das gebietet auch das Grundgesetz. Gleichwohl darf der Warenkorb für die Sozialleistungsbezieher nicht sakrosankt sein. Das Grundgesetz verbietet auch nicht mehr Druck zur Arbeitsaufnahme oder die Anrechnung von Vermögen. Warum sollen die Arbeitenden, vom Busfahrer über die Pfleger bis zur Verkäuferin, Steuern und Sozialabgaben für mehrere Millionen Bürgergeldempfänger zahlen, die selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen könnten? 

Das empfinde ich als ungerecht, und dafür ist der Sozialstaat nicht nur nicht gedacht. Der Sozialstaat dürfte daran auf Dauer zugrunde gehen. Unsere Wirtschaft ebenso. Das müssen Bundesregierung und Bundestag bedenken.

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Sie haben auch eine Fürsorgepflicht für die 46 Millionen Erwerbstätigen, ihre Millionen Kinder sowie für 21 Millionen Rentner. Der Sozialstaat ist nicht nur für die da, die jetzt zwölf Prozent mehr Bürgergeld bekommen sollen.

Dieser Beitrag ist Teil eines Pro und Contra. Lesen Sie hier die Gegenposition von Florian Kistler: Warum das Bürgergeld nicht gekürzt werden sollte

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