Deutsch-chinesische Regierungskonsultationen in Berlin „Herr Habeck sollte so schnell wie möglich nach China kommen“

Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz empfängt zum Auftakt des Deutschland-Besuchs der chinesischen Regierung Chinas Ministerpräsident Li Qiang vor dem Bundeskanzleramt. Quelle: dpa

Frostig oder freundlich – wie ist die Stimmung bei den Regierungskonsultationen mit China? AHK-Chef Jens Hildebrandt über vorsichtiges Abtasten, verschärfte Anti-Spionage-Auflagen und Habecks Kontroll-Pläne.

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WirtschaftsWoche: Herr Hildebrandt, erstmals seit fünf Jahren finden heute wieder die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen im Rahmen eines persönlichen Treffens in Berlin statt. Wie wird die Stimmung sein: frostig oder freundlich?
Jens Hildebrandt: Während der Pandemie ist der persönliche Austausch zwischen Deutschland und China ziemlich erlahmt. Die Konsultationen sind deshalb ein Kick-off, um die Beziehungen wieder zu intensivieren und sicher auch neu auszutarieren – aber die Erwartungen sollten nicht zu hoch sein. Es geht eher um ein vorsichtiges Abtasten.

Das Abtasten hat längst begonnen, im November ist Bundeskanzler Olaf Scholz nach Peking gereist, im April war Außenministerin Annalena Baerbock da. Wundern Sie sich, dass ausgerechnet Wirtschaftsminister Robert Habeck China bisher vermeidet?
Herr Habeck sollte so schnell wie möglich nach China kommen. Der chinesische Markt ist und bleibt immens wichtig für deutsche Unternehmen. Die deutsche Wirtschaft ist hier mit 5000 Unternehmen vertreten, die gerade in diesen geopolitisch schwierigen Zeiten die politische Flankierung durch den Wirtschaftsminister gut gebrauchen können. Aber ich gehe davon aus, dass Herr Habeck noch dieses Jahr nach China reist.

In der Bundesregierung gibt es bisher allerdings keinen klaren Kurs in der Chinapolitik, die lange angekündigte Chinastrategie ist noch immer nicht veröffentlicht. Wie problematisch ist es, dass die Ampel nun quasi strategielos in die Konsultationen geht?
Strategielos ist die Bundesregierung sicher nicht, ich denke vielmehr, dass der wesentliche Bestandteil längst abgeschlossen ist.

Quelle: Privat

Zur Person

Und zwar?
Die Strategie ist ja vor allem Mittel zum Zweck. Es ging darum, das Verhältnis zu China neu auszuloten mit Blick auf Diversifizierung und Risikostreuung, das ist gerade auch nach Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine eine Pflicht gewesen. Die Veröffentlichung der Strategie ist jetzt nur noch die Kür.

Aber abgestimmt wirkt die Chinapolitik der Ampel nicht. Investitionsentscheidungen wie beim Hamburger Hafenterminal Tollerort und bei der Chipfabrik Elmos werden ad hoc getroffen, mit seinen Forderungen nach einem Outbound Investment Screening hat Habeck sogar sein eigenes Ministerium überrumpelt. Eine abgestimmte Strategie sieht anders aus, oder?
Das sehe ich anders, die Ampel weiß sehr wohl, dass China ein gewichtiger und wichtiger Partner für Deutschland ist, genau so sieht auch Peking die Rolle Deutschlands in Europa. Deshalb wird Premier Li Qiang Deutschland auch ganz bewusst als erstes Auslandsziel seit seiner Amtsübernahme im März ausgesucht haben. Aber richtig ist auch, dass Forderungen wie ein Outbound Investment Screening eine gute Abstimmung in der Koalition und mit Europa benötigen.

Nicht nur Habeck, sondern auch die EU-Kommission will das China-Geschäft der europäischen Unternehmen strikter kontrollieren. Welche Folgen fürchten Sie?
Ich halte nichts vom Outbound Investment Screening. Wir haben bereits genug Instrumente. Ein Gewichtiges ist die Exportkontrollgesetzgebung – und wenn die Unternehmen eins nicht brauchen, dann sind es neue Regularien. Sie haben bereits verstanden, dass sie das China Geschäft unter Risikogesichtspunkten neu bewerten müssen, das tun sie auch mit Mitteln der Lokalisierung und Diversifizierung. Da würde ich mir von der Politik mehr Vertrauen wünschen.

Mit Sorge betrachten deutsche Unternehmen auch neue Auflagen in China. Peking hat das sogenannte Anti-Spionage-Gesetz verschärft, das sich künftig auf „alle Dokumente, Daten, Materialien und Artikel, die nationale Sicherheit und Interessen“ bezieht – kann jetzt alles unter Spionageverdacht gestellt werden?
Die vage Formulierung des Sicherheitsbegriffs eröffnet leider Freiräume für eine gewisse Willkür. Aber deutsche Unternehmen wissen, dass es in China keine hundertprozentige Rechtssicherheit gibt, das Gesetz ist deshalb nur ein weiterer Unsicherheitsfaktor. Es ist jedoch kein „Game-Changer“, das Unternehmen ihr Chinageschäft überdenken lässt.

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Das Regime hat bereits gezeigt, wie will willkürlich das Gesetz angewendet wird. Mehrere internationale Beratungsfirmen wurden bereits durchsucht, Dokumente beschlagnahme und Beschäftigte befragt. Müssen auch deutsche Unternehmen damit rechnen?
Uns sind noch keine Fälle bekannt. Bisher wurden vor allem amerikanische Beratungsfirmen durchsucht. Das ist alles spekulativ, es könnte auch mit den wachsenden geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA zu tun haben.

Wie passt diese Verschärfung des angeblichen Anti-Spionage-Gesetzes aber Chinas Bemühungen um weitere Investitionen?
Die chinesische Charmeoffensive läuft im Moment auf Hochtouren, deshalb sind solche Gesetzesverschärfungen auch sicher eher kontraproduktiv. Denn China hat sehr wohl verstanden, dass Deutschland nach alternativen Standorten sucht, dass Siemens jetzt in Singapur investiert, ist ja ein Paradebeispiel für das Derisking, das die Ampel fordert.

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Wird das Anti-Spionage-Gesetz jetzt Thema bei den Konsultationen werden, bei denen von beiden Seiten Wirtschaftsdelegationen vertreten sind?
Davon gehe ich aus – und China hat sich ja bereits verbessert, etwa mit Blick auf den Schutz des geistigen Eigentums und der Öffnung des Marktes, aber das reicht selbstverständlich noch nicht. Unsicherheiten in Gesetzgebungen sowie einheitliche Wettbewerbsbedingungen für deutsche und chinesischen Unternehmen werden sicher Thema bei den Konsultationen.

Lesen Sie auch: Was Expertinnen und Experten zu China sagen

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