E-Auto laden am Supermarkt „Staatlich initiiertes Programm zum Aufbau von Elektroschrott“

Ladesäule auf einem Aldi-Parkplatz. Quelle: imago images

Die EU will den Ausbau von Ladesäulen für E-Autos auf Supermarkt-Parkplätzen beschleunigen. Händler wie Aldi, Rewe und Ikea warnen vor „realitätsfernen“ Zielen und hohen Kosten. Sie fordern von der Bundesregierung Einsatz für eine bessere Lösung. 

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Schnell einkaufen und währenddessen das E-Auto auf dem Supermarkt-Parkplatz laden? Das klingt effizient – doch deutsche Händler sind alarmiert. Denn die EU-Kommission plant aus ihrer Sicht absurde Pflichten für den Aufbau der Ladesäulen. 

In einem Brief an Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) warnt der Handelsverband Deutschland (HDE) gemeinsam mit 15 Vorstandschefs großer Handelsunternehmen vor den Folgen. Das Schreiben wurde am Mittwoch verschickt und liegt der WirtschaftsWoche exklusiv vor.

„Geradezu realitätsfern“

Demnach will die EU vorschreiben, dass bei Parkplätzen von neuen und zu renovierenden Nichtwohngebäuden jeder fünfte Stellplatz mit einer Ladesäule ausgestattet wird, alle übrigen Parkplätze müssen bereits passend verkabelt werden. Bei Bestandsimmobilien soll jeder zehnte Parkplatz mit einem Ladepunkt ausgestattet werden. Die geplante Regulierung ist Teil der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie, die am Donnerstag in der letzten Sitzung verhandelt wird.

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von Stefan Hajek

„Die geplanten Zielvorgaben stellen besonders den Einzelhandel mit seinen umfassenden Parkflächen vor immense Herausforderungen, die geradezu realitätsfern sind,“ heißt es in dem Brief, der unter anderem von den Vorstandschefs von Aldi Nord und Aldi Süd, Edeka, Ikea, Kik, der Schwarz Gruppe (unter anderem Lidl) und der Rewe Group sowie von HDE-Chef Stefan Genth unterzeichnet wurde.

Notwendige Netzanschlüsse fehlen

Die Vorgaben könnten allein schon deshalb nicht erfüllt werden, „weil in Deutschland die notwendigen Netzanschlüsse nicht zur Verfügung stehen“, erklären die Unternehmenschefs in dem Brief an die drei Bundesminister: „Wir bitten Sie daher eindringlich auf die notwendige Korrektur hinzuwirken“.

Denn die EU ziele „auf eine rein quantitative flächendeckende Errichtung von Ladepunkten“ –  mit der Folge, dass eine Ladeinfrastruktur „am Bedarf vorbei und mit hohen Investitionskosten aufgebaut wird, die schon jetzt nicht mehr zeitgemäß ist“, warnen die Händler. „Wenn das geschieht, kann man das kaum anders umschreiben als ein staatlich initiiertes Programm zum Aufbau von Elektroschrott.“

Sofortiges Investitionsvolumen von vier Milliarden Euro

Das Programm würde enorme Kosten verursachen, rechnen die Händler vor. Bei einer verbindlichen Quote von zehn Prozent, also einem Ladepunkt an jedem zehnten Parkplatz, würden sich die Kosten für einen typischen Supermarkt mit 45 Stellplätzen auf circa 135.000 Euro belaufen. „Hochgerechnet bedeutet das, dass allein für den Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland ein sofortiges Investitionsvolumen von rund vier Milliarden Euro anfallen würde, nur im Bestand“, heißt es in dem Schreiben.



Bei Neubauten und zu renovierenden Filialen müssten laut Verordnung doppelt so viele Stellplätze mit einer Ladesäule ausgestattet werden. Damit läge der finanzielle Mehraufwand bei 270.000 Euro pro Filiale. Hinzu kämen die Kosten für die Vorverkabelung, die auf weitere rund 60.000 Euro pro Markt geschätzt werden.

„Das sind Zusatzinvestitionen in einer Höhe, die wir angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage nicht darstellen können“, so der Verband. „Das schmerzt uns vor allem deshalb, weil wir uns zur Mobilitätswende bekennen und unseren Teil zu ihrem Gelingen beitragen wollen“.

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Qualität statt Quantität

Der Handelsverband fordert deshalb, auf Qualität statt auf Quantität zu setzen – denn die kurze Verweildauer von Kundinnen und Kunden während des Einkaufens reiche nicht aus, um ein E-Auto an einer Säule mit niedrigerer Leistung zu laden.

Vielmehr solle die Ladeleistung der Säulen als Zielgröße genutzt werden. Kurz gesagt: Anstelle von vielen günstigen Ladesäulen soll in effiziente Schnellladesäulen auf Parkflächen investiert werden. Die Kosten für eine Schnellladesäule belaufen sich nach Angaben des Handelsverbands auf rund 30.000 Euro pro Stück. Einen ähnlichen Vorschlag unterstütze auch die französische Regierung.

Wenn es jedoch dabei bleibe, dass ausschließlich quantitative Zielgrößen die Maßgabe sind, „wird das nicht zur erwünschten Errichtung der wesentlich effizienteren Schnellladesäulen führen“, warnen die Händler. Vielmehr würden die Unternehmen, um die Investitionskosten einigermaßen unter Kontrolle zu halten und dennoch die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, auf die kostengünstigeren AC-Ladesäulen zurückgreifen, „von denen wir schon heute wissen, dass sie den Kunden keinen nennenswerten Reichweitengewinn bei einem Besuch im Einzelhandel bringen“.

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Die Handelsbranche würden ihren Beitrag zum Erfolg der Mobilitätswende leisten wollen, beteuern die Unternehmenschefs: „Das gelingt aber nur, wenn hier im unternehmerischen Sinne die richtigen Anreize für die notwendigen Investitionen gesetzt werden.“

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