Für Selbstständige hat die aktuelle Diskussion ums Elterngeld einen großen Unterhaltungswert. Allein der Gedanke, monatelang die Arbeit für eine Babypause einstellen zu können, ist in der Selbstständigkeit kaum realistisch. Viele Selbstständige wollen das auch gar nicht.
Die Annehmlichkeiten der Festanstellung, in der man auch nach über einem Jahr wieder anknüpfen kann, wo man aufgehört hatte, oder die Normalität, das Leben mit wochenlangen Lohnfortzahlungen und anschließender staatlicher Ersatzleistung zu planen, sind der Selbstständigkeit fremd.
Die vielen Vorteile des selbstständigen Lebensentwurfes liegen nicht in der sozialstaatlichen Bestätigung. Man hat sich schließlich dazu entschieden, frei zu arbeiten und eigenverantwortlich zu wirtschaften – mit allen Konsequenzen.
Zur Person
Catharina Bruns ist Unternehmerin und Autorin. Sie setzt sich für faire Bedingungen für ‧Selbstständige in der Wissensgesellschaft und neues Unternehmertum ein.
In der abgehobenen Debatte ums Elterngeld tut man geradezu so, als wäre Familiengründung nur dank staatlichem Ausgleich möglich. Absurd – denn für Selbstständige wäre es demnach unerreichbar, Kinder großzuziehen.
Das Elterngeld ist eine Leistung, die für die abhängige Beschäftigung konzipiert ist. Selbstständige können zwar ebenfalls Elterngeld beziehen, aber für sie ist die Sache weitaus komplizierter.
Zur Berechnung des Elterngelds wird das letzte Wirtschaftsjahr herangezogen – auch wenn sich die aktuelle Einkommenssituation vielleicht ganz anders darstellt, denn Selbstständige haben häufig schwankende Einkommen (und brechen trotzdem nicht in Panik aus).
Auch die Grenzen für die wöchentlich erlaubte Arbeitszeit für selbstständige Elterngeldbezieher von maximal 32 Stunden pro Woche passen nicht zu ihrer Lebenswirklichkeit. Viele Selbstständige verzichten lieber gleich auf das Elterngeld, auch, um sich nicht später mit Rückzahlungsforderungen herumärgern zu müssen.
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Trotzdem bekommen Selbstständige nicht wesentlich weniger Kinder. Wahnsinn, oder?
Es geht nicht darum, die ganzen Angestelltenprivilegien auch für Selbstständige zu fordern. Sondern um daran zu erinnern, dass die aktuelle Debatte schön zeigt, wie selbstverständlich sich im Angestelltenland alle an ihre Spezialförderung gewöhnt haben, anstatt die massive Belastung von Arbeitseinkommen zu thematisieren. Die führt nämlich dazu, dass es für alle schwieriger ist, die Rücklagen zu bilden, die von staatlichen Extraleistungen unabhängig machen. Will das überhaupt noch wer?
Betroffen von den geplanten Änderungen ist die Einkommensgruppe, die eine besonders hohe Steuerlast trägt. Leute, die sich als Leistungsträger verstehen, fühlen sich nun bestraft.
Leistungsfeindlich ist aber doch nicht das Ende einer staatlichen Förderung. Sondern vom erwirtschafteten Einkommen zu viel abgeben zu müssen. Und zwar auch schon bei viel niedrigeren Einkommen, egal, ob selbstständig oder angestellt.
Das Ende jeder Emanzipation ist doch, wenn selbst Top-Verdiener mit einem zu versteuernden Einkommen von mehr als 150.000 Euro meinen, ohne staatliche Hilfe ihre Lebensplanung nicht mehr bewältigen zu können. Fragen der Gleichstellung wird diese Gruppe bereits selbst gelöst haben. Selbstständige sowieso.
Wer das Zubrot vom Staat in der Gehaltsklasse emanzipierter findet als die gewählte Abhängigkeit vom Vater oder Mutter des eigenen Kindes, der hat das Konzept von Unabhängigkeit nicht verstanden. Und wenn man sich schon Leistungsträger nennt, wird man sich seiner Leistungsfähigkeit und eigenen Zuständigkeiten ja bewusst sein. Das muss gerade für einen ausgebauten Sozialstaat auch die Regel bleiben.
Nicht zur Regel werden darf, dass der Staat seine Aufgaben vernachlässigt. Von guter Familienpolitik muss man daher schon mehr erwarten, als die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP bisher geboten hat. Dazu gehört, dass flächendeckend geeignete Betreuungsangebote zur Verfügung stehen, damit Paare und vor allem Alleinerziehende Wahlfreiheit haben und auch ihrer Erwerbsarbeit nachgehen können.
Die aktuelle Elterngelddebatte muss ernsthaft nachdenklich machen. Wenn nicht einmal die Spitzenverdiener im Land die Kraft haben für das Stück an Eigenverantwortung, auch wenn ihnen die Familienleistungen zustehen und gegönnt sind, dann sind wir auf dem Weg in die unselbstständige Gesellschaft, in der niemand die Konsequenzen der eigenen Lebensentscheidungen noch allein verantworten will und etwaige Nachteile selbst meistern möchte.
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Wo jedes Risiko abgesichert sein soll und selbst für die eigene Familiengründung und Aufgabenverteilung noch nach staatlichen Anreizen gerufen wird.
Das Gegenteil zu kultivieren wäre angesagt. Gerade zeigt sich, was die gedankliche Abhängigkeit von Zuschüssen, Vätergunst und politischen Entscheidungen selbst bei Gutverdienern anrichtet.
Wenn gesellschaftlicher Fortschritt in Partnerschaften davon abhängt, ob der Staat die Richtung schmiert, dann veralbern wir uns selbst. Fortschritt muss man wollen. Genau wie Kinder.
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