Geflüchtete aus der Ukraine Kosten pro Flüchtling 4000 Euro – Erstattung: 875 Euro

Kosten für bauliche Anpassungen, Sanitärcontainer, Sicherheitsunternehmen und Verpflegung: Notunterkunft für die Erstaufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine in einer Halle der Messe Magdeburg. Quelle: dpa

Um Unterbringung und Versorgung ukrainischer Flüchtlinge kümmern sich die Kommunen. Sie werden heute vom Bund bei einem Treffen mit dem Kanzler Kompensation fordern – auch für Kosten der Integration und Sprachkurse.

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Es mag unbewusst gewesen sein, in welcher Reihenfolge sich Hubertus Heil an all jene wandte, die sich derzeit am stärksten um Geflüchtete aus der Ukraine kümmern. Und doch wirkten seine Worte aufschlussreich: Er wolle sich bedanken, sagte der Bundesarbeitsminister (SPD), bei den vielen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen, die sich der großen Aufgabe zuwendeten, mit den schutzbedürftigen Menschen anständig umzugehen.

Ehrenamtliche und Hauptamtliche. Zweifellos ist die Solidarität noch immer groß, Zehntausende Freiwillige empfangen Geflüchtete an Bahnhöfen, bieten Unterkünfte an, sammeln Geld und Sachspenden, helfen, wo immer gerade Unterstützung nötig ist. Die Hauptlast aber liegt bei den Kommunen. Egal, ob wohlhabend oder klamm, müssen sie in Vorleistung gehen, um die Menschen aus der Ukraine unterzubringen, die nicht bei Verwandten oder Freiwilligen wohnen werden, sie registrieren und versorgen.

Wer am Ende dafür aufkommen wird, ist bislang unklar. Bis zum 7. April soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Lösungsansätze zu den zu erwartenden Kosten und der Beteiligung des Bundes erarbeiten“, heißt es aus dem Bundesarbeitsministerium. Doch auch dann stellt sich die Frage, wie die Länder, die das Geld vom Bund erhalten, es an die Kommunen weitergeben.

Möglich ist daher, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auch Rechnungen wie die folgende vorgelegt bekommt, wenn er sich heute mit den kommunalen Spitzenverbänden trifft: Mehrere Maßnahmen zählt ein Zuständiger aus der städtischen Verwaltung in einem Schreiben auf, die in seiner mittelgroßen Stadt in Nordrhein-Westfalen ergriffen wurden. So wurde eine ehemalige Schule für etwa 180 Geflüchtete hergerichtet; Investitionen, einschließlich der Beschaffung von Sanitärcontainern: 460.000 Euro.

Kosten für Sicherheitsunternehmen und Verpflegung: je 150.000 Euro. Kosten für den Betrieb an sich, den man vertraglich an eine Hilfsorganisation übertragen hat: voraussichtlich weitere 200.000 Euro. Dazu kommen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz die Leistungen für den persönlichen Bedarf, etwa 150 Euro pro Kopf und Monat. Macht insgesamt, zeigen die internen Berechnungen, „einen Preis von circa 2930 Euro pro Person“.

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Zweites Beispiel: Eine vorhandene Halle wurde für etwa 100 Personen ertüchtigt. Das schlug bislang mit 135.000 Euro für Container und Messebau zu Buche, voraussichtliche Betriebskosten: „150.000 Euro Security, 85.000 Euro Catering, 150.000 Euro Betrieb durch Drittfirma.“ Hinzu komme wieder der Betrag, der jedem Geflüchteten gesetzlich zusteht. Gesamtkosten: etwa 4000 Euro pro Monat – und Mensch.

„Die Verbrauchskosten (Strom, Wasser, Heizung)“, schreibt der Verantwortliche, seien dabei noch nicht eingerechnet, „da wir hier noch keine Erfahrungen haben“. Er denke aber, die Dimensionen machten klar, dass 875 Euro pauschale Erstattung vom Land nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz „keinesfalls“ ausreichten.

Und das sind nur die unmittelbar entstehenden Kosten. In den Kommunen geht es außerdem darum, geflüchtete Kinder und Jugendliche schnell in Schulen unterzubringen und Plätze in Kitas anzubieten. Außerdem sollen die Menschen aus der Ukraine rasch Zugang zu Sprachkursen erhalten – auch, damit sie sich in Deutschland besser ein- sowie leichter Arbeit finden können.

Für die nach Deutschland geflüchteten Menschen „sollten möglichst rasch flächendeckend und niedrigschwellig Sprachkurse angeboten werden“, fordert Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds. Spracherwerb, betont auch Landsberg, sei der Schlüssel zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und in der Arbeitswelt. „Die Finanzierung sollte durch Bund und Länder sichergestellt werden“, stellt er klar.

Dass dies Investitionen sind, die sich lohnen, zeigt beispielsweise eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg von 2017. Darin untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gesamtwirtschaftliche Effekte der Flüchtlingszuwanderung von 2015. Ein Ergebnis: Von 2015 bis 2030 rechneten sie mit einem jahresdurchschnittlichen Defizit von gut zwei Milliarden Euro. Das entspricht 0,07 Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2015 – oder 26 Euro je Einwohner Deutschlands.

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Investitionen von gut drei Milliarden Euro in Bildung und Sprache würden allerdings die kumulierten Kosten der Flüchtlingszuwanderung – wieder auf den Zeitraum 2015 bis 2030 bezogen – reduzieren: um elf Milliarden Euro.

Und die Tatsache, dass von den ab 2015 Geflüchteten mittlerweile rund die Hälfte Arbeit gefunden hat, ist in dieser Bilanz noch gar nicht gegengerechnet.
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