Generationenkapital Das bedeuten die Pläne für Rentner

Senioren gehen durch die Leipziger Innenstadt. Quelle: dpa

Die Regierung will Milliarden für die Rente in den Aktienmarkt stecken. Mit den Erträgen sollen die Beiträge stabilisiert werden. So hoch ist derzeit die Rente und so sollen Rentner profitieren.

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Rentenniveau und Generationenkapital sind die Schlagworte, mit denen die Bundesregierung das Vertrauen in die Verlässlichkeit der gesetzlichen Rentenversicherung stärken will. Dafür will sie gesetzlich bis zum Jahr 2039 und darüber hinaus ein Rentenniveau von 48 Prozent eines Durchschnittslohns garantieren. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sieht mit dem zweiten Rentenpaket der Bundesregierung die Rentenversicherung auf einem guten Weg. „Es wird keine Rentenkürzung geben und auch keine weitere Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag in Berlin. Gemeinsam mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) stellte Heil den Gesetzentwurf vor, der noch vor dem Sommer vom Bundestag beschlossen werden soll.

Die Pläne kosten mehr Geld. Daher steigt der Beitragssatz zur Rentenversicherung, den Beschäftigte und Arbeitgeber zahlen, in den 2030er-Jahren weitaus stärker als bisher angenommen – und zwar von derzeit 18,6 Prozent auf 22,3 Prozent eines Bruttolohns im Jahr 2035.

Einen weiteren Beitragsanstieg will die Regierung durch ein neues Instrument verhindern: Aus Schulden des Bundes soll bis 2036 ein Kapitalstock von 200 Milliarden Euro angehäuft werden. Dieser soll durch Anlage etwa in Aktien und Fonds jährliche Ausschüttungen an die Rentenversicherung von zehn Milliarden Euro ermöglichen. Das wären 2045 1,25 Prozent der dann erwarteten Rentenausgaben von insgesamt 802 Milliarden Euro. Es folgt eine Übersicht über Details des Rentenpakets II, wie sie aus vorliegenden Gesetzentwurf hervorgehen:

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von Julia Roxanne Koch, Niklas Hoyer

Was sind Rentenniveau und Standardrente?

Das Rentenniveau bezieht sich – anders als Beamten-Pensionen – nicht auf das letzte Gehalt vor dem Renteneintritt, sondern auf den Durchschnittslohn, der zum Zeitpunkt des Rentenbezugs in Deutschland gezahlt wird. Es ist eine Rechengröße, wie sich die Renten im Verhältnis zu den Löhnen entwickeln. Für Beamte gilt: Sie erhalten nach 40 Dienstjahren in Vollzeit eine Pension von bis zu 71,75 Prozent ihres letzten Gehalts. Für die Rente sammeln Beschäftigte, abhängig von der Höhe ihres jeweiligen Lohns, während der Dauer ihres Erwerbslebens Rentenpunkte. Der Wert jedes Punkts steigt in der Regel mit der jährlichen Rentenanpassung zum 1. Juli. Derzeit beträgt er 37,60 Euro.

Im Gesetz ist die Rede vom „Sicherungsniveau vor Steuern“, das aber nichts über die Höhe einer individuellen Rente sagt. Kerngröße ist die sogenannte Standardrente: Sie entspricht einer Rente nach 45 Beitragsjahren, in denen ein Beschäftigter jedes Jahr genau den Durchschnittslohn verdient und damit 45 Punkte gesammelt hat. Das sind seit 1. Juli 2023 1692 Euro monatlich. Abzüglich des Krankenkassenanteils der Rentner bleibt netto vor Steuern eine Rente von 1503,34 Euro. Um das Rentenniveau zu ermitteln, wird die rechnerisch verfügbare Standardrente auf den verfügbaren Durchschnittslohn (also nach Abzug der Sozialbeiträge) eines Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Rentenzahlung bezogen.

Warum sinkt das Rentenniveau?

Für die Jahre 2024 bis 2026 beziffert die Regierung im Gesetzentwurf das Rentenniveau auf jeweils 48 Prozent eines aktuellen Durchschnittslohns. Ab 2027 könnte das Niveau ohne Gegenmaßnahmen aber sinken, auf zunächst 47,8 Prozent und dann 46,9 Prozent 2030. 2035 könnte es bei 45,3 Prozent liegen und 2045 bei nur noch 44,9 Prozent. Das Rentenniveau sinkt, weil mit dem demografischen Wandel auf einen Rentner weniger Beschäftigte kommen, aus deren Beiträgen die Renten gezahlt werden. Der demografische Wandel dämpft über die Rechenformel zur Rentenanpassung die jährliche Rentenerhöhung, sodass sich die Renten immer stärker von den Löhnen abkoppeln.

Was bedeutet die Garantie des Rentenniveaus von 48 Prozent?

Im Gesetz wird festgeschrieben, dass der aktuelle Rentenwert wie bisher jährlich angepasst wird. Hinzugefügt wird laut Entwurf nun: „Dabei soll ein Sicherungsniveau vor Steuern von 48 Prozent nicht unterschritten werden.“ Das heißt, die Renten werden jedes Jahr so stark erhöht, dass mindestens dieser Wert erreicht wird – unabhängig davon, ob die Lohnentwicklung und der demografische Wandel in der Rentenformel dies hergeben.

Was haben Rentenbeziehende davon?

Sie können mit etwas höheren Einkünften rechnen. Eine Rente im Jahr 2040 von 1500 Euro – berechnet auf der Basis des Jahres 2023 ohne weitere Rentenanpassungen – falle um knapp 100 Euro oder sechs Prozent höher aus, erklärt das Arbeitsministerium.

Wie entwickelt sich der Beitragssatz?

Für die Beitragszahlenden – Arbeitnehmer und Arbeitgeber – führt das zu höheren Lohnabzügen. Aus dem Gesetzentwurf ergibt sich, dass die Regierung mit der Niveaugarantie bereits ab 2028 von einem stärker steigenden Beitragssatz ausgeht. Dieser dürfte nach ihren Berechnungen bis 2027 konstant bei 18,6 Prozent bleiben und 2028 auf 19,7 Prozent steigen. Wenn das Rentenniveau bei 48 Prozent garantiert würde, läge der Beitragssatz 2028 mit 20 Prozent um 0,3 Prozentpunkte höher. Der Unterschied steigt mit den Jahren: Bis 2035 führt die Niveaugarantie zu einem um 1,1 Prozentpunkte stärker steigenden Beitragssatz von 22,3 Prozent, der bis 2045 auf 22,7 Prozent klettern würde.

Wo kommt das neue Generationenkapital ins Spiel?

Ein Kapitalstock von mindestens 200 Milliarden Euro soll über die Anlage an den Finanzmärkten Renditen abwerfen, die an die Rentenversicherung fließen und damit den Anstieg des Beitragssatzes dämpfen sollen. Die Rentenversicherung erhält so neben den Beitragszahlungen und Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt eine dritte Finanzierungsquelle. Die Regierung will dazu eine „Stiftung Generationenkapital“ einrichten, die von einem Vorstand und einem Kuratorium geführt wird. Zunächst soll der Atomendlager-Fonds Kenfo die Milliarden verwalten.

Wo kommt das Generationenkapital her?

Ab dem Jahr 2024 zahlt der Bund jährlich einen zweistelligen Milliardenbetrag als Darlehen in ein neu zu errichtendes Stiftungsvermögen, das Generationenkapital genannt wird. In diesem Jahr sind es zwölf Milliarden Euro. Der Betrag wird in den Folgejahren jährlich um drei Prozent erhöht. Im Jahr 2025 wären es laut Gesetzentwurf 12,4 Milliarden Euro, im Jahr 2045 schon 22,3 Milliarden Euro. Hinzu kommen 15 Milliarden Euro, die der Bund bis 2028 aus eigenen Mitteln – etwa durch Übertragung von Vermögenswerten wie Unternehmensbeteiligungen – beisteuern will: „Bis zum Jahr 2036 soll das Generationenkapital ein Volumen von 200 Milliarden Euro erreicht haben.“



Für die Darlehen nimmt der Bund neue Schulden auf. Sie werden nicht auf die Schuldenbremse angerechnet, die den Kreditrahmen des Bundes einschränkt.

Was kann das Generationenkapital ausrichten?

Ab dem Jahr 2036 soll der Kapitalstock „durchschnittlich Ausschüttungen in Höhe von jährlich zehn Milliarden Euro“ abwerfen. Aus seinen Erlösen müssen zudem die Zinsen für die Schulden erwirtschaftet werden, die der Bund zum Aufbau des Kapitalstocks aufnimmt. Die gewährte Darlehenssumme soll durch Ausschüttungen nicht unterschritten werden. Es sollen keine Beitragsmittel der Rentenkasse in den Fonds fließen.

Die Ausschüttungen sollen zweckgebunden ausschließlich an die Rentenversicherung gehen und dafür sorgen, dass der Beitragssatz nach 2035 bei 22,3 Prozent bleibt. Andernfalls könnte der Beitragssatz bis 2045 auf 22,7 Prozent steigen.

Die Erlöse aus dem Generationenkapital würden somit im Jahr 2036 0,3 Beitragssatzpunkte finanzieren und 2045 0,4 Punkte. So sehen zumindest die Vorausberechnungen der Regierung aus, die aber stark davon abhängig sind, wie viele Beschäftigte angesichts von Arbeitskräftemangel und demografischem Wandel dann noch in die Rentenkasse einzahlen. Für 2045 rechnet die Regierung mit Rentenausgaben von insgesamt 802 Milliarden Euro und damit mehr als doppelt so viel wie 2024.

Kann die Rechnung aufgehen?

Die Idee des Generationenkapitals wird vielerorts mit Skepsis betrachtet, da Schulden aufgenommen werden, um damit an den Kapitalmärkten zu investieren – in der Erwartung, dass die Renditen die Zinszahlungen übersteigen. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hält zwar viel davon, wenn die Altersvorsorge stärker kapitalgedeckt würde. Wenn es dabei aber weniger um private Altersvorsorge als um staatliche Schuldenaufnahme geht, hat IW-Experte Jochen Pimpertz Vorbehalte. In einer Beispielrechnung ging er jüngst von einer Rendite von drei Prozent für das Generationenkapital aus – bei einem Volumen von 200 Milliarden Euro wären das sechs Milliarden und keine zehn Milliarden Euro, wie von der Regierung angepeilt.

„Ob das Generationenkapital in der zweiten Hälfte der 2030er-Jahre für substanzielle Entlastung sorgen kann, steht in den Sternen“, sagte Pimpertz der Nachrichtenagentur Reuters. „Die Kapitalanlage muss angesichts volatiler Kursentwicklungen werterhaltend erfolgen, damit jährliche Erträge verlässlich fließen können.“ Sichere Anlagen verringern aber die Renditemöglichkeiten. Aus Sicht des IW-Experten gibt die Regierung Rentnern ein Versorgungsversprechen auf Kosten deutlich steigender Beiträge: „Betroffen sind davon vor allem jüngere Arbeitnehmer, für die der Spielraum zu ergänzender Privatvorsorge immer enger wird. Die bleibt aber notwendig, weil die Rentenversicherung auch bei einem Sicherungsniveau von 48 Prozent keine Lebensstandardsicherung im Alter verspricht.“

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Aus Sicht des Deutschen Caritasverbandes springt die Regierung mit ihren Vorschlägen zu kurz. Der Wohlfahrtsverband spricht von einer „Lindner-Rente“, weil die Aktienrente auf Druck der FDP in den Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen aufgenommen wurde. Sie könne „allenfalls kosmetischen Charakter haben“. Notwendig sei stattdessen eine Rentenversicherung, in die alle Erwerbstätige einzahlten, auch Beamte und Selbständige.

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